2020-11-21-Redebeitrag zur Demo “Fight Back – rechten Terror bekämpfen”

Am Samstag, dem 21.11.2020, nach der Kundgebung in Gedenken an Silvio Meier in Friedrichshain Silvio Meier Straße Ecke Frankfurter Allee um 16 Uhr, fand die Demo Fight Back – rechten Terror bekämpfen mit ca. 1000 Menschen statt. Wir konnten einen Redebeitrag am Gedenkort für Burak Bektaş beitragen…

unser Redebeitrag:

Was geschah

Am 4.11.2011 wurde die rassistische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) der Öffentlichkeit bekannt. Kein polizeilicher Ermittlungserfolg war der Ausgangspunkt der Aufdeckung des rassistischen Mordens: Die Mörder und ihre MittäterInnen enttarnten sich selbst.
Genau fünf Monate später, in der Nacht auf den 5.4.2012 wurde in Berlin Neukölln auf Burak und seine Begleiter geschossen. Sie standen an der Straße und unterhielten sich, wollten eigentlich nach Hause und wurden von einem weißen, älteren Mann mit einer Handfeuerwaffe beschossen. Es gab keinerlei Wortwechsel – der Täter kam wortlos, eröffnete das Feuer und ging wortlos. Burak starb, zwei der Freunde wurden schwer verletzt. Der Mord und die versuchten Morde wurden nie aufgeklärt. Doch es drängen sich Fragen auf: War Rassismus wieder das Motiv? Handelt es sich um eine NSU-Nachahmungstat?

Drei Jahre später schoss ein etwa genauso alter, weißer Mann auf Luke Holland, ebenfalls in Neukölln. Luke wurde mit einem Schrotgewehr aus nächster Nähe erschossen. Er wurde ermordet, wohl, weil er Englisch sprach. Der Täter Rolf Zielezinski wurde festgenommen und verurteilt. Ein Motiv für diesen Mord wollten Richter und Staatsanwaltschaft nicht erkennen auch wenn Zielezinskis Wohnung voller Nazidevotionalien wie Hitlerbüsten, Hakenkreuze und Bilder der Führungsriege der NSDAP seine Gesinnung offenbaren. Vor Gericht wurde sein Zimmer verharmlosend als Sammlerzimmer bezeichnet. Auch Zielezinskis soziales Umfeld und Besucher*innen der Kneipe, in der Opfer und Täter zuvor zu Gast waren, bezeugten dessen rassistische Äußerungen. Warum spielte das im Prozess keine Rolle?

Die Eltern von Luke Holland haben deutlich gesagt: Wenn die Ermittlungsbehörden im Mordfall von Burak gründlich gearbeitet hätten, könnte ihr Sohn noch leben.

Wir sind sicher, dass von den Ermittlungsbehörden keine Aufklärung zu erwarten ist. Zielezinski hat mindestens noch einen weiteren Menschen auf dem Gewissen: Rita Holland, Lukes Mutter, ist am 21.10.2019 aus Schmerz über den Tod ihres Sohnes aus dem Leben gegangen.

Viele denken, dass Zielezinski auch der Mörder von Burak sein könnte. Hinweise auf ihn als möglichen Tatverdächtigen finden sich schon in den Ermittlungsakten zum Mord an Burak. Doch ihnen wird augenfällig nicht sorgfältig nachgegangen. Alex und Jamal, den Überlebenden des Mordanschlags auf Burak und seine Begleiter, wurde eine Gegenüberstellung mit Zielezinski verweigert. Asservate wie die mögliche Tatwaffe wurden bereits vernichtet, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader vom 21.10.2020 hervorgeht.

Wir können sagen: Die offenkundig von Rassismus geleiteten Ermittlungen im NSU-Verfahren haben zu keiner veränderten Praxis geführt.
Das Berliner LKA ist auf vielen Ebenen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, auch schon beim NSU, als während der Mordserie ein V-Mann über 10 Jahre vom Berliner LKA geführt wurde, der dem NSU-Kerntrio Sprengstoff besorgt hatte.
Von der Rolle des LKA im Neukölln-Komplex ganz zu schweigen.
Ein unfassbarer Vertrauensverlust für die Betroffenen!

Um den Forderungen der Betroffenen nach Aufklärung der rechten Anschläge in Neukölln nachzukommen, wurde im Mai 2019 die besondere Aufbaugruppe Fokus gegründet. Die „BAO Fokus“ hat im September ihre Arbeit beendet. Der Abschlussbericht ist zu großen Teilen geheim. Nun wird die Öffentlichkeit mit einer Sonderkommision vertröstet… das Vertuschen geht weiter.

Wir geben keine Ruhe
Wir werden keine Ruhe geben, bis wir wissen, wer Burak ermordet und seine Begleiter Jamal und Alex so schwer verletzt hat. Wir wollen Antworten.

Nie wieder sollen Opfer vergessen werden und Angehörige allein mit ihrem Schmerz stehen. Aus Verzweifelung über die Tatenlosigkeit der berliner Ermittlungsbehörden entstand bei Buraks Familie der Wunsch, wenigstens da, wo Burak ermordet wurde, einen würdigen Gedenkort, zu errichten, Hier stehen wir nun. Die Skulptur, die wir hier sehen, wurde von der Künstlerin Zeynep Delibalta geschaffen. Sie trägt den Titel: Algorythmus für Burak und ähnliche Fälle.

Erinnern heißt kämpfen und kämpfen heißt erinnern.