Freitag 21.02.2015 / 12:30 Uhr / Abgeordnetenhaus / Niederkirchnerstr. 5 / 10117 Berlin
Vieles im Neukölln-Komplex klingt wie ein schlechter deutscher Krimi. Doch die Geschichte um den Oberstaatsanwalt Matthias Fenner sticht besonders heraus. 2020 ging ein Ruck durch die Berliner Sicherheitsbehörden, als die Berliner Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) mitteilte, dass sie sämtliche Ermittlungsverfahren zu der extrem rechten Anschlagserie von nun an selbst übernehme, weil gegen den leitenden Oberstaatsanwalt Fenner, damals Leiter der Staatsschutzabteilung 231, der Vorwurf der Befangenheit laut geworden war. Am Freitag, den 21. Februar muss sich Fenner erstmals in der Öffentlichkeit beim Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex im Abgeordnetenhaus für die Vorwürfe und die mangelnden Ermittlungsergebnisse rechtfertigen. Wir werden da sein, beobachten und die Kundgebung um 12:30 nutzen, um das Gesagt einzuordnen und zu kommentieren.
Hintergrund für den Vorwurf der Befangenheit war eine bekannt gewordene Nachricht des Neonazis Tilo Paulenz, einer von zwei bekannten Hauptverdächtigen der extrem rechten Terrorserie, an einen Bezirksverordneten der AfD Neukölln. In dieser Nachricht schrieb Paulenz, dass der Oberstaatsanwalt Fenner ihm zu verstehen gegeben habe, dass sie sich keine Sorgen machen bräuchten, da er selbst AfD-nah sei. Dies war den Sicherheitsbehörden 2017 aufgefallen, als das Telefon von Paulenz überwacht wurde. Der Vermerk über diese Äußerung wurde jedoch zunächst ohne Konsequenzen zu den Akten gelegt. Erst drei Jahre später wurde der Vermerk öffentlich, als eine Rechtsanwältin diesen entdeckte und eine Beschwerde an die GenStA schickte.
Fenner galt in linken Kreisen schon lange als rechter Hardliner. Er ließ 2017 gegen die Mitglieder einer antifaschistischen Fahrradtour, bei der ein AfD-Wahlkampfstand beschädigt wurde, wegen »Bildung einer kriminellen Vereinigung« ermitteln. Ebenfalls 2017 wurden mehrere Antifaschist*innen von einer Observationseinheit des LKA aufgegriffen, als sie am U-Bahnhof Rudow Plakate mit Informationen über Neonazis anbrachten. Ohne dass die abgebildeten Neonazis Anzeigen stellten, wurde Oberstaatsanwalt Fenner tätig und erwirkte mehrere Hausdurchsuchungen. Das Resultat vor Gericht war ein Freispruch. Der Richter äußerte, dass es hier zu keinem Verfahren hätte kommen sollen. 2019 erhielten mehr als 100 queer-feministische Aktivist*innen Anzeigen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Nötigung, Vermummung und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Sie hatten sich mutmaßlich an einer Sitzblockade gegen christliche FundamentalistInnen beteiligt. Fenner veranlasste, dass alle Verfahren einzeln geführt werden mussten und Verteidiger*innen nur einen Fall zur selben Zeit vertreten durften. Der Paragraph 146 StPO – Verbot der Mehrfachverteidigung – wurde während der Verfahren gegen die RAF eingeführt und kommt nur sehr selten zum Einsatz.
Gegen Rechts griff der Oberstaatsanwalt hingegen nicht sehr hart durch. Nach einem brutalen Angriff 2003 auf das Baumblütenfest in Rudow kamen die meisten der über 20 Angreifer (unter anderem Paulenz) mit Einstellungen oder Freisprüchen davon oder entgingen einer Anklage ganz. Am Verfahren war Fenner damals noch als „normaler“ Staatsanwalt beteiligt. Die Skandale und fehlenden Ermittlungsergebnisse während der Zeit, als Fenner die Ermittlungen im Neukölln-Komplex führte, sprechen ihre eigene, sehr deutliche Sprache. 2024 sagte der Polizeibeamte Z. im Prozess gegen Thom und Paulenz aus, dass er es ungewöhnlich fand, dass Fenner Paulenz selbst vernommen habe, zumal dieser in dem Verfahren Geschädigter war. Derselbe Beamte hatte mehr Durchsuchungsorte zur Ermittlung angeregt, was von der Staatsanwaltschaft jedoch nicht umgesetzt wurde. Die Expert*innenkommission, die eingesetzt wurde, um die mangelnden Ermittlungsergebnisse und Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden zu untersuchen, berichtete, dass 2018 das LKA zudem bei der Staatsanwaltschaft beantragte, Beschlüsse zur DNA-Entnahme bei den Neuköllner Neonazis zu erwirken. Fenner lehnte auch dies ab.
Fenner war viele Jahre leitender Staatsanwalt und trägt die Verantwortung für die mangelnde Aufklärung des Neukölln-Komplex. Der Fall Fenner zeigt auch, wie Nazis durch Sicherheitsbehörden geschützt werden und die Opfer rechter Gewalt alleingelassen. Dass daraus keine Konsequenzen erfolgen, ist ein Skandal und darf nicht so bleiben! Druck aufbauen, Öffentlichkeit schaffen, rechte Machenschaften in Polizei und Justiz lückenlos aufdecken!
Kommt am 21. Februar zum Untersuchungsausschuss und zur Kundgebung um 12:30 vor dem Abgeordnetenhaus. Lasst uns zeigen, dass wir die Betroffenen nicht alleine und die Sicherheitsbehörden nicht davon kommen lassen.
Besucht den Untersuchungsausschuss Neukölln-Komplex ab 9 Uhr im Abgeordnetenhaus – Raum 376, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin.
Weitere Termine: 07. März, 21. März, 4. April, 16. Mai, 6. Juni, 20. Juni, 4. Juli 2025 – wahrscheinlich letzte öffentliche Sitzung – jeweils 9 Uhr, Raum 376
aze – andere Zustände ermöglichen
ASP – Agentur für soziale Perspektiven
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş
VVN-BdA Berlin