Rede der Initiative an Buraks Geburtstag am 14.02.2019

Liebe Familie Bektas, liebe Angehörige, liebe Melek, liebe Melike, lieber Fatih, liebe Freunde und Freundinnen

Heute wäre Burak 29 Jahre alt geworden. Aber er wurde am 5.4.2012 wenige Schritte von hier erschossen. Zwei seiner Freunde wurden schwer verletzt.
Wir treffen uns immer an Buraks Geburtstag an dieser Stelle oder am Ort seines Todes, um zu erinnern und um anzuklagen: Findet seinen Mörder! So schrieb es Melike, seine Schwester schon auf ein Plakat.

Seit sieben Jahren stehen Menschen an diesem Ort oder direkt am Tatort und erinnern an ein Verbrechen, das noch immer nicht aufgeklärt wurde. An ein Verbrechen von dem wir sagen, dass das Motiv Rassismus sein kann.
Der Mörder wurde nie gefasst. Vielleicht läuft er hier immer noch herum oder vielleicht war es doch, wie viele vermuten Rolf Zielezinsky. Er hat 2015 den Briten Luke Holland in der Ringbahnstraße erschossen. Er kannte Luke Holland nicht, ist ihm nie begegnet. Die Polizei behauptet, dass es keinen Zusammenhang gäbe zwischen den beiden Morden. Wir fragen: Wie kann sie das behaupten? Buraks Mutter hat schon oft gefragt, wie diese Einschätzung zustande kommt. Wenn die Ermittler wissen, dass Zielezinski nicht geschossen hat, woher wissen sie das? Welche Beweise haben sie dafür?

Wir stehen hier, weil wir Aufklärung fordern. Die Familie und wir alle haben das Recht zu wissen, wer Burak ermordet hat.
Viele Menschen in Neukölln werden immer wieder in Angst und Schrecken versetzt. Brandstiftungen, Bedrohungen, rassistische, rechte, antisemitische Angriffe sind an der Tagesordnung. Neukölln gehörte auch im letzten Jahr wieder zu den Bezirken mit den meisten Angriffen in Berlin. Keine der Taten wird aufgeklärt. Und das beobachten wir seit vielen Jahren: Eine Untätigkeit, eine Unfähigkeit der Polizeien. Wir sind sicher: Würde es sich nicht um rechte, rassistische Taten handeln, hätten die Ermittlungsbehörden schon längst Ergebnisse zu zeigen. Nicht umsonst haben die Menschen, die Opfer der Brandstiftungen geworden sind, von denen einer der Betroffenen heute auch hier ist, sich ein Jahr nach den Anschlägen an die Öffentlichkeit gewendet und gefordert, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich ziehen solle. Wir glauben nicht an die größere Sorgfalt der Bundesanwaltschaft, wenn sie gegen politisch rechte Täter ermitteln sollen. Wir wissen, dass keine Ermittlung zu den Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds erfolgreich waren. Nicht eine einziger Mord wurde von Ermittlungsbehörden aufgeklärt. Ohne die Selbstenttarnung des NSU wüssten wir bis heute nichts von diesen Tätern. Diese Erkenntnis ist bitter und umso bitterer ist es festzustellen, dass sich auch durch viele Untersuchungsausschüsse und mit dem NSU-Prozess in München nichts geändert hat.
Wie kann es sein, dass der Verfassungsschutz angeblich die Polizei über Ausspähung des Wohnortes von einem der Betroffenen der Brandanschlägen unterrichtet haben will. Das Auto brannnte kurz nach der Ausspähung. Die Polizei hat nicht einmal darüber informiert. Diesen Behörden ist kein Wort zu glauben.
Wir wissen seit vielen Jahren, dass es eine große Sorgfalt und ein großes Aufgebot an Ermittlungstätigkeiten gibt, wenn es sich um (auch nur geplante) Taten handelt, die nicht aus einem rechten politischen Zusammenhang kommen können.
Ich arbeite seit 2001 in der Beratungsstelle für Opfer rechter rassistischer und antisemitischer Gewalt. Von Anfang an hatten wir in Neukölln zu tun und Neukölln ist immer ganz oben auf der Liste der Bezirke mit den meisten Gewalttaten aus rassistischer, rechter antisemitischer und gegen Lesben, Schwule und Transpersonen (LGTBIQ).

Aber Neukölln ist auch ein Bezirk mit vielen Aktivitäten gegen rassistische, rechte, antisemitische Gewalt und Gewalt gegen gleichgeschlechtliche Lebensweisen.
Was Buraks Mörder und die anderen Täter bewirkt haben, ist die wachsende Solidarität zwischen den vielen unterschiedlichen Betroffenen und der vielen UnterstützerInnen.
Viele Freundschaften sind entstanden und entstehen, viel Geld wurde gespendet um diesen Gedenkort, den sich die Familie gewünscht hat, verwirklichen zu können. Und weiter zu gestalten, damit es ein Ort wird, an dem Alle sich versammeln können.

Für die Verwirklichung hat auch Zeynep Delibalta gearbeitet. Sie hat die Skulptur entworfen, die wir hier am 5. April 2018 enthüllt haben.
Das war Zeyneps letzte Arbeit. Sie nannte sie „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“. Sie ist am 19. Dezember 2017 gestorben.
Wir danken ihr dafür, dass sie es als ihre vordringlichste Aufgabe empfunden hat, das Werk zu vollenden. Es erinnert an den Mord an Burak und all die andern nicht aufgeklärten Taten.

Der Gedenkort und jede unserer Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen sind Zeichen dafür, dass die Rechnung der Täter nicht aufgehen wird. Der Gedenkort ist Solidarität. Er ist entstanden aus ganz viel sogenannter ehrenamtlicher politischer Arbeit. Er ist entstanden aus ganz vielen unterschiedlichen Spenden. Menschen haben Parties veranstaltet, Kuchen verkauft und Suppe gekocht und verkauft, gesammelt, Anträge bei Stiftungen gestellt und vieles mehr. Diese Solidarität ist hier sichtbar und wird ein ewiges Ärgernis für die TäterInnen sein und ein würdiger Ort des Erinnerns, des Trauerns und dennoch ein Zeichen der Freude und des gemeinsamen Kampfes für die Angehörigen, die Freunde und alle, die zusammen für eine Gesellschaft ohne Rassismus, für eine andere, bessere Welt streiten. Nicht immer haben wir geglaubt, dass wir das schaffen!
Wir haben es geschafft und wir werden es auch schaffen, diesen Ort schöner zu machen und zu einem Ort des lebendigen Gedenkens werden zu lassen.
Wir werden nicht nachlassen mit unseren Forderungen nach Aufklärung.
Wir werden am Todestag – oder an einem der Tage danach, also am Samstag oder am Sonntag, wieder, wie in jedem Jahr hier eine Kundgebung organisieren. Dazu laden wir euch jetzt schon ein.