Redebeitrag der Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş 13.10.2019 Berlin

#Kein Fußbreit – Antisemitismus tötet. Rassismus tötet! – rechter Terror bedroht unsere Gesellschaft!

Wir grüßen euch alle, die heute zusammengekommen sind, um der Opfer der rassistischen und rechten Gewalt in Halle zu Gedenken. Unsere Gedanken sind heute bei den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen von Halle.

Burak Bektaş wurde am 05.04.2012 auf offener Straße in Berlin-Neukölln von einem weißen Mann kaltblütig ermordet. Der Täter kam, schoss auf die Gruppe Jugendlicher und verschwand. Burak starb, er war 22 Jahre alt. Seine Freunde Jamal und Alex überlebten den Anschlag mit lebensgefährlichen Verletzungen. Die Tat ereignete sich kurz nach dem Auffliegen des NSU und erinnert an Konzepte des “lonesome wolf”, wie sie Nazis anwenden.

Die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş gründete sich kurz nach der Tat als Konsequenz aus der Untätigkeit der Ermittlungsbehörden und der Ignoranz im Zusammenhang der Morde des NSU. Es zeigt sich immer wieder ein Komplex strukturellen und institutionalisierten Versagens. Wir wollen Betroffene nicht allein lassen und uns solidarisch an ihre Seite stellen. Als Initiative fordern wir nun seit 7 Jahren zusammen mit der Familie Bektaş und Freund*innen aktiv die Aufklärung dieses Mordanschlags. Denn noch immer ist kein Täter ermittelt.

Es gibt eine Kontinuität von faschistischem und rassistischem Terror in Deutschland. Die Erfahrungen zeigen leider, wie Ermittlungsbehörden Angriffe und Anschläge vertuschen oder decken. Oftmals entsteht der Eindruck, als arbeiteten Verfassungsschutz, Polizei und Nazis Hand in Hand. Die Opfer und ihre Angehörigen werden nicht nur allein gelassen, sie werden sogar in den Mittelpunkt der Ermittlungen als mögliche Täter*innen gestellt. Rechte Täter*innen sind der Polizei und dem Verfassungsschutz nicht selten schon frühzeitig bekannt oder von letzterem sogar strukturell gefördert oder zum Beispiel als sogenannte V-Leute finanziert. Sicherheitsbehörden scheinen sich mehr mit dem Aufbau rechtsextremer Strukturen als mit deren Bekämpfung zu beschäftigen.
Immer wieder wird Rechter Terror zu Einzeltaten verharmlost und die Täter zu Einzeltätern umdefiniert. Die Opfer und ihre Angehörigen werden schnell wieder vergessen. Eine solidarische Unterstützung durch die Gesellschaft findet in der Regel nicht statt bzw. viel zu wenig.

Es sind der Taten zu viele. Von Staat und Politik kommt kein Signal ernstzunehmenden Schutzes und Willen zur Aufklärung. Es braucht den Druck seitens der Zivilgesellschaft damit Nazi-Gewalt endlich gestoppt wird. Halle ist kein Einzelfall.
Wir möchten heute an die Opfer der letzten 19 Jahre allein in Berlin und Brandenburg erinnern, die von rechten und/oder aus rassistischen oder sozialchauvinistischen Gründen ermordet wurden:

Jugosloven Ignjatovic wurde von unbekannten Tätern am 17. März 2000 in seinem Zeitungskiosk in Berlin-Wedding mit Kopfschüssen getötet. Laut ZEIT ONLINE und Tagesspiegel gehört der Fall des Jugosloven Ignjatovic „zu einer Reihe von Gewalttaten, bei denen eine rechte Tatmotivation zwar naheliegt, aber doch Zweifel blieben“. Diese Fälle mit insgesamt 61 Toten sind dokumentiert in der folgenden Liste und zu finden unter Zeit-online

Dieter Eich wurde von Neonazis am 25. Mai 2000 in seiner Wohnung in Berlin-Pankow zusammengeschlagen und erstochen.
Falko Lüdtke wurde von einem Rechtsextremen am 31. Mai 2000 auf offener Straße in Eberswalde ermordet. Er wurde vor ein vorbeifahrendes Taxi gestoßen.
Dieter Manzke wurde von 5 rechten Männern am 9. August 2001 in Dahlewitz zu Tode gequält.
Klaus-Dieter Harms wurde am 9. August 2001 von zwei rechtsextremen Männern in seiner Wohnung in Wittenberge zu Tode geprügelt
Ingo Binsch wurde am 5. November 2001 von drei Rechtsextremen in Berlin-Marzahn massiv verprügelt und gewürgt. Der Herzkranke erleidet am Folgetag einen Herzinfarkt und stirbt.
Kajrat Batesov wurde bei einer Techno-Party in Wittstock wegen seiner Herkunft verprügelt und stirbt am 23. Mai 2002 an den Folgen.
Ronald Masch wurde am 1. Juni 2002 auf einem Feld bei Neu Mahlisch zur Verdeckung eines Raubes von einer Gruppe Neonazis getötet.
Marinus Schöberl wurde am 12. Juli 2002 in Potzlow wegen seiner HipHop-Kleidung von drei jungen Rechtsextremisten zu Tode gequält.
Enrico Schreiber wurde am 29.März 2003 in Frankfurt/Oder von drei rechtsextremen jungen Männern gefoltert und misshandelt – er stirbt an den Folgen.
Attila Murat Aydın (bekannt auch als Graffiti-Künstler unter dem Namen Maxim) wurde am 13. Juni 2003 von einem 75. jährigen Nachbarn in Berlin-Köpenick erstochen.
Holger Urbaniak wurde am 7. Oktober 2007 in Frankfurt (Oder) von zwei rechten Jugendlichen verprügelt, ausgeraubt und ertränkt.
Bernd Köhler wurde in der Nacht zum 22. Juli 2008 in Templin von zwei Rechtsextremisten zu Tode geprügelt.
Nguyen Tan Dung wurde am 6. August 2008 vor der Kaufhalle in Berlin-Marzahn von einem Rassisten erstochen.
Burak Bektaş wurde auf offener Straße in Berlin-Neukölln in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 von einem weißen Täter erschossen – die Tatumstände sind bis heute nicht aufgeklärt

Luke Holland wurde am September 2015 vor einer Bar in Berlin-Neukölln von einem 62-jährigen Hitler- und Waffenfan mit einer Schrotflinte aus nächster Nähe getötet.
Jim Reeves wurde am 1. Februar 2016 in einem Hostel in Berlin-Charlottenburg von zwei homophoben Tätern zu Tode gefoltert.
Eugeniu Botnari wurde am 17. September 2016 in einer Edeka-Filiale in Berlin-Lichtenberg vom Geschäftsführer verprügelt – der Täter schickte Fotos des Verprügelten mit rassistischen Kommentaren über Soziale Medien. Eugeniu Botnari verstarb an den Folgen.