In Gedenken an Mehmet Kaymakçı

Grußwort der Burak-Ini zur heutigen Kundgebung in Hamburg zum 35. Todestag von Mehmet Kaymakçı link / Kundgebungs-Aufruf (pdf) / Hintergrund

In Gedenken an Mehmet Kaymakçı
Mehmet Kaymakçı wurde am 24. Juli 1985 in Langehorn/Hamburg von drei Neonazis brutal ermordet.
Das Gericht ignorierte in seinem Urteil die Verbindung der Angeklagten zu Nazigruppen und Neonazikadern. Von einem „gemeinschaftlich begangenen heimtückischen rassistischen Mord“ war im Urteil nicht die Rede. Es wurde zu einem Mord ohne Motiv gemacht, die Täter kamen mit geringen Strafen davon. Nur fünf Monate später wurde Ramazan Avcı am 21.12.1985 brutal ermordet, ebenfalls in Hamburg.

Die Morde an Mehmet Kaymakçı und Ramazan Avcı wurden zwar als furchtbare Ereignisse registriert und medial aufgegriffen, aber schnell gesilenct, über Jahrzehnte. Die Morde wurden nicht kontextualisiert in ihrer Bedeutung und in der Tiefe des Leides für die Angehörigen und auch nicht in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft als Ganzes.
Die Angehörigen wurden alleingelassen. Anlässlich des 25. Todestags gründete sich 2010 die Initiative zu Gedenken Ramazan Avcı. Zusammen mit Gülistan Avcı, der Witwe des Ermordeten, vernetzte sich die Initiative mit anderen Angehörigen rassistischer und rechter Morde und Betroffenen rassistischer und rechter Gewalt. Es waren die Angehörigen von Opfern rechter/rassistischer Gewalt und Betroffene, unterstützt von solidarischen Menschen und Initiativen, die diese strukturellen-rassistischen Zustände anklagten. So auch auf dem Tribunal-NSU-Komplex-auflösen in Kölln 2017.
Die Ramazan Avci Initiative hat nun zusammen mit Gülistan Avci und Faruk Arslan das Gedenken an Mehmet Kaymakçı ins Leben gerufen.

Die rassistischen und rechten Morde und Gewalt geschahen und geschehen in einem gesellschaftlichen Klima…
Und rassistische und rechte Morde und Gewalt wurden und werden verharmlost, vertuscht. Die Taten werden gedeckt mit der schützenden Hand des Staates.

Es sind keine Einzeltaten!

Im November 2011 flog mit der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) der Komplex um den NSU auf.
Ein Netzwerk von Nazis mordete über 10 Jahre lang 9 Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund und eine Polizistin und verübten Anschläge. Einer der Opfer ist Süleyman Taşköprü ermordet am 27. Juni 2001 in seinem Geschäft an der hamburger Schützenstraße. Der Prozess in München reduzierte das Netzwerk zu einem NSU-Trio, ließ Milde walten gegen die Täter*innen und die vielen Unterstützter*innen, Netzwerke und V-Leute wurden im Prozess nicht zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil, der Prozess war begleitet von Skandalen von geschredderten Akten bis V-Männern, die geschützt werden, wie im Fall des Ermordeten Halit Yozgat in Kassel. Aktuell gibt es mindestens 69 bekannte Morddrohungen gegen z.B. Martina Renner, Idil Baydar, Anne Helm, Evrim Sommer, Janine Wissler unterzeichnet mit NSU 2.0, als Bezug zum NSU.

Der Mord an Burak Bektaş geschah 5.4.2012, kurze Zeit nach dem Auffliegen des NSU. Zwei seiner Freunde überlebten mit schweren Schussverletzungen. Nach über acht Jahren seit dem Mord an Burak Bektaş in Berlin Neukölln ist noch immer kein Täter ermittelt. Immer wieder gibt es in Neukölln Brandanschlagsserien, auch hier werden keine Täter ermittelt. Ein zweiter Mord in Neukölln, der Mord an Luke Holland geschah am 20.9.2015, der Täter Rolf Zielesinski ist zwar verurteilt worden, doch das Gericht wollte kein rassistisches Mordmotiv feststellen. Trotz Nazi-Devotionalien, diversen manipulierten schussfähigen Waffen, Munition und 1 Kilo Sprengstoff. Bis heute wird nicht aufgeklärt, woher der Sprengstoff stammt. Der Name des Täters Rolf Zielesinski tauchte als Hinweis auch in der Akte von Burak Bektaş auf, das Gericht ging dem nicht nach. Morde ohne Motive, Einzeltäter, Waffennarren, das ist der Tenor…

In Gedenken an Mehmet Kaymakçı haben SPD, CDU, die Grünen, die Linken und die FDP in der Bezirksversammlung Nord 5000 Euro für eine Gedenktafel genehmigt, die an der Straße Hohe Liedt aufgestellt werden soll. Aber die SPD und auch die Grünen tun sich schwer, wenn es um wirkliche Aufklärung geht. Einen Parlamentarischen Untersuchungssauschuss lehnen sie sowohl in Hamburg als auch in Berlin ab, selbst einen Sonderermittler lehnen sie für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş oder die Brandanschlagsserien in Neukölln ab. Stattdessen wurde eine BAO-Fokus eingerichtet aus Ermittelnden aus den eigenen Reihen, die Aufklärung bringen sollen.
Die Morddrohungen unterzeichnet mit NSU 2.0 in Hessen deuten auf Verbindungen auf Nazi-Netzwerke in Berlin. Drohmails weisen auf Abfragen aus Polizeicomputern hin. Es gibt 69 rechtsextreme Drohschreiben unterzeichnet mit “NSU 2.0” und die Politik dementiert ernsthaft, dass es strukturellen Rassismus im Polizeiapparat gäbe.
Wozu das Ganze, was wird hier gedeckt? Wenn es um Rassismus in den USA geht, wird mit dem Finger gezeigt, aber wenn es um Rassismus in Deutschland geht wird alles aufgefahren. Warum ausgerechnet in Deutschland es keinen strukturellen Rassismus geben solle, wo nachweislich auf den Trümmern des Faschismus der NSDAP Staat und Gesellschaft aufgebaut wurden, dieser Antwort bleiben die, die das Vertreten, schuldig.
Antisemitismus und Rassismus in Deutschland hat eine lange Tradition in Staat und Gesellschaft. Es ist die gesellschaftliche Mitte, die dem Einhalt gebieten muss.

Wir fordern einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss für Hamburg und Berlin für angemessene und konsequente Aufklärung!
Wir fordern die Umsetzung der Konsequenzen aus dem NSU-Komplex!
Wir fordern Genugtuung und Entschädigung der Opferfamilien!

Der erste Schritt für Aufklärung und im Kampf gegen Rassismus ist das Zugeständnis und die Anerkennung um das Phänomen des institutionalisierten Rassismus. Ob die Mitte der Gesellschaft ein Interesse daran hat wird entscheidend sein im Kampf gegen Rassismus – für Demokratie. Dafür braucht es der Solidarität der Zivilgesellschaft mit den Angehörigen der Opfer und der Betroffenen rassistischer und rechter Morde und Gewalt, denn von Oben kommt der Druck nicht.

Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. 24.Juli 2020