Gedenken an Ramazan Avcı zum 35. Jahrestag seiner Ermordung am 21.12.2020 in Hamburg

Liebe Familie Avcı, liebe Freund:innen,

wir Grüßen euch im Namen der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. Zuvor möchten auch wir auf den #HalleProzess eingehen. Unsere Gedanken sind auch in Halle, mit den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen. Ein Täter wurde verurteilt aufgrund des antisemitischen, rassistischen, rechten und frauenfeindlichen Anschlags in Halle, aber verantwortlich ist die gesamte deutsche Gesellschaft.
Am heutigen Tag des 35-jährigen Gedenken an Ramazan Avcı stehen wir an eurer Seite. Euch gelten unser tiefstes Mitgefühl und unsere Solidarität. 35 Jahre, das ist eine lange Zeit. Eine Zeit voller Leid, Trauer und Wut. Erst nach 25 Jahren konntet ihr euch zusammenschließen mit Unterstützer:innen und habt die Initiative In Gedenken Ramazan Avcı gegründet. Seither initiiert ihr ein jährliches gemeinsames Gedenken an Ramazan Avcı. Wichtige Botschaften von euch waren: Ramazan Avcı darf nicht vergessen werden. Und: Niemand soll allein gelassen werden in der Verzweiflung und der Trauer um einen geliebten Menschen.

Der Mord an Ramazan Avcı geschah vor 35 Jahren. Auch zuvor sind rassistisch motivierte Morde und Gewalttaten geschehen – und rassistisch motivierte Morde und Gewalttaten geschehen noch immer. Eine Forderung eurer Initiative lautet: „Den Prozess neu aufrollen.“ Wir schließen uns dieser Forderung an. Denn, die Täter wurden nicht wegen Mordes angeklagt, nicht angeklagt wegen eines brutalen, organisierten rassistischen Verbrechens, sondern wegen Totschlags und kamen somit mit geringen Strafen davon. Das ist unfassbar. Ein Mord ohne Motiv – das gibt es nicht. Aber bei rechten/rassistischen Morden und Gewalt wird das rassistische Motiv nur allzu oft ignoriert. Warum wird diese Frage ignoriert, ignoriert in Staat, Justiz, Polizei, Medien und der Gesellschaft? Es ist das eingeschworene Gelübde der Ignoranz rassistischer und rechter Morde und Gewalt in Staat und Gesellschaft, das Stillschweigen all dessen. Dieses Stillschweigen muss gebrochen werden. Rassismus ist, mit den Worten von Gülistan gesagt, eine „abscheuliche mittelalterliche Ideologie mit mörderischer Weltanschauung“.

Halbherzige Reden bringen nichts. Rechtem Gedankengut muss eine deutliche Absage erteilt werden. Aber der Staat ist nicht Willens das zu tun. Ein solidarisch-gesellschaftliches Miteinander setzt demokratische Werte voraus, und es braucht der Menschen, die dafür einstehen – dazu rufen wir hier die Zivilgesellschaft auf.

Fakt ist, dass staatliche Institutionen und offizielle Verantwortliche dem kaum etwas entgegen setzen. Seit dem Auffliegen des NSU-Komplex, haben wir uns als Angehörige, Betroffene und Initiativen bundesweit vernetzt und kämpfen gegen Rassismus auf allen Ebenen der Gesellschaft.
Solidarität und Kampf – Das ist unsere Antwort. Es ist unsere Selbstermächtnis, dass unsere Stärke ausmacht, ob in Hamburg, Hanau oder Halle. Nur so können wir es schaffen, dass niemand wird vergessen.
Wir danken euch für eure Kraft und euren Mut. Und wir danken euch für eure Solidarität im Kampf für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.

Unser Kampf ist ein gemeinsamer Kampf für eine bessere Gesellschaft ohne jeglichen Rassismus.

Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş, 21. Dezember 2020