Am 7.1.2021 organisierten wir eine Kundgebung in Berlin vor der Landesvertretung Sachsen-Anhalts, und beteiligten uns wegen der Covid 19 – Pandemie an dem dezentrales Gedenken an Ouy Jalloh, genauso wie Menschen in Hamburg, Leipzig, Halle, Essen und weiteren Städten; neben Dessau natürlich, wo Oury Jalloh am 7.1.2005 in der Polizeidirektion ermordet wurde.
Am 7.1.2005 starb auch Laye Condé, er war am 27.12.2004 in Bremen bei einem Brechmitteleinsatz so schwer misshandelt worden, dass er ins Koma fiel und am 7.1.2005 verstarb.
Vor der Kundgebung um 14 Uhr am 7.1.2021 fand eine temporäre Straßenumbenennung (siehe Foto) vor der Landesvertretung Sachsen-Anhalts statt und ein Adbusting zum 16. Todestag von Oury Jalloh & Laye Condé.
Weitere Infos der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und der Dokumentationsseite zur Brechmittelfolter in Bremen.
Presse zum 7.1.2021:
taz / morgenpost / tagesspiegel / nd / mz / jw / perspektive / epd / dpa / / Bericht zu Hamburg / Presse zu Berlin & Leipzig
Videos von Left Vision, Mitschnitt der Kundgebung vor der Polizeidirektion Dessau link, Adbusting in Berlin und vom rbb.
Interviews und mehr bei freie-radios.net 1 / 2 / 3
Anbei noch der Redebeitrag der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş:
Oury Jalloh und Burak Bektaş, zwei Morde, die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich sind, auf den zweiten Blick aber erschreckend viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
Burak wurden von einem unbekannten Täter in Neukölln erschossen – Oury Jalloh verbrannte im Dessauer Polizeigewahrsam.
Oury Jalloh und Burak Bektaş, unaufgeklärt beide Fälle. Damit einhergehend das Leid für die Angehörigen, die nach wie vor vergeblich auf Antworten warten, denn in beiden Fällen läuft der Täter noch frei herum oder wurde nicht bzw. nicht angemessen verurteilt. Die vielen offenen Fragen lassen sie nicht zur Ruhe kommen. Es kann jederzeit wieder passieren.
In Buraks Fall, der sich in unmittelbarer Nähe des Wohnorts der Familie Bektaş ereignete, muß seine Mutter mit der quälenden Ungewissheit leben, ob es sich bei Personen, die sie in ihrer Nachbarschaft trifft, um den potentiellen Täter handelt, Die Familie muss immer noch um die Sicherheit von Buraks Geschwistern fürchten.
Oury Jallohs Mutter musste sterben, ohne Gewissheit über die Todesumstände ihres Sohnes zu erhalten. Ihrem Sohn, der auf der Suche nach einem besseren Leben nach Deutschland kam und dort gefesselt in einer Polizeizelle verbrannte.
Es ist unendlich kaltschnäuzig und respektlos gegenüber Oury Jallohs Freunden und Angehörigen, dass die zuständigen Stellen und Behörden in Sachsen-Anhalt nicht alles daran setzen, den Hinterbliebenen wenigstes Gewissheit über die Umstände des Todes ihres geliebten Sohnes, Bruders, Freundes und Partners zu verschaffen.
Wie kaltschnäuzig und respektlos ist es auch allen anderen von Rassismus und Polizeigewalt Betroffenen gegenüber, sich der Aufklärung zu verweigern, und sie stattdessen mit infamen, dreisten Lügen abzuspeisen, um so alles auszusitzen, während die Täter straflos bleiben, von oberster Stelle geschützt.
Oury Jallohs Angehörige werden wohl alles Vertrauen in deutsche Behörden verloren haben, er starb in Polizeigewahrsam.
Die Weigerung der Ermittlungsbehörden aufzuklären und institutioneller Rassismus durchziehen beide Fälle wie ein brauner Faden: Um dies bei Burak auszubuchstabieren: Das Berliner LKA hat eine Abteilung, die die Ermittlungen anderer Polizeieinheiten bewertet und Hinweise auf weitere sinnvolle Ermittlungen gibt (LKA 11 AE/OFA). Am 29. Juni 2012 wurde ein 50seitiger Auswertungsbericht dieser Abteilung zum Mord an Burak Bektaş der ermittelnden Mordkommission übergeben. Dieser Auswertungsbericht gelangte erst im Mai 2015, drei Jahre später (!) in die “offizielle” Akte und laut dieser wurde auch erst ab diesem Zeitpunkt diese Ermittlungsempfehlungen teilweise umgesetzt. Natürlich hatten Tatverdächtige so die Chance zu sagen, sie könnten sich nicht mehr so genau erinnern, 3 jahre später, Razzien bei diesen wurden nicht durchgeführt etc… So “dürfte” dies EIN Grund sein, dass der Mord an Burak Bektaş und der Mordversuch an 2 seiner Freunde bis heute nicht aufgeklärt ist.
Aktives Vertuschen bei Oury Jalloh, verschwundene und gefakte Beweismittel, ignorierte Gutachten, Ausreden und Lügen: aktiver Täterschutz. Selbst den vom Landtag eingesetzten Ermittler:innen wurde der Zugang zu wichtigen Zeug:innen verwehrt.
Aber bei der Dessauer Polizeidirektion geht es nicht nur um Oury Jallohs Tod, sondern auch um zwei weitere Fälle: Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann. Hans-Jürgen Rose wurde am 7.12.1997 verhaftet und wenige Meter entfernt von der Polizeidirektion Dessau am 8.12.1997 Tod aufgefunden. Mario Bichtermann verstarb am 30.10.2002 in derselben Zelle wie Oury Jalloh. Derselbe Polizist war bei beiden Morden verantwortlich für den Gewahrsam. Er wurde nach 2 Prozessen nur zu einer Geldstrafe und Übernahme der Prozesskosten verurteilt – Die übernahm die Polizeigewerkschaft GdP.
Am 11. Mai 2016 ermordete dann der Sohn einer Polizistin und Stiefsohn des damaligen Revierleiters Li Yangji , eine chinesische Studentin. Wieder versuchte die Dessauer Polizei dies zu decken – dies alles sind die Konsequenzen der fortgesetzten Straflosigkeit.
Die Ermittlungsbehörden in Berlin versuchen, den Neukölln-Komplex auf die Jahre 2016 bis heute und auf 2 bis 3 tat verdächtige Nazis zu reduzieren. Dabei verübte Carsten Szczepanski, ein im NSU-Komplex bekannt gewordener Nazi-V-Mann, bereits 1993 einen Brandanschlag in Neukölln. Die fortgesetzte Straflosigkeit gipfelte im Mord an Burak am 5.4.2012 und an Luke Holland am 20.09.2015. Die Anschlagsserie begann also lange vor 2016.
Vor wenigen Monaten wurde der Fall eines Polizeibeamten bekannt, der gegen Rechts ermitteln sollte und Opfer rechter Gewalt in Neukölln betreute, und der in seiner Freizeit einen Geflüchteten zusammen schlug – das Opfer wurde danach trotz seiner Rolle als Zeuge im laufenden Gerichtsverfahren nach Afghanistan abgeschoben.
Unterschiede sind, dass in Buraks Fall zumindest nicht auch noch um dessen Anerkennung als Mord gekämpft werden muss, wie bei Oury Jalloh, wo einige Behördenvertreter:Innen trotz mittlerweile X anders lautenden Expert:innengutachten an der wirren absurden Selbstanzündungsthese festhalten.
Sowohl bei Oury Jalloh als auch bei Burak Bektaş mußte die traurige und bittere Erfahrung gemacht werden, dass von staatlichen Stellen wenig oder nichts zu erwarten ist – „Von der Festnahme bis zum Tod Jallohs sei so gut wie jede polizeiliche Maßnahme fehlerhaft oder rechtswidrig gewesen“, sagte einer der beiden Sonderberater des Magdeburger Landtags: “Wären diese Fehler unterblieben, dann wäre Oury Jalloh mit aller größter Wahrscheinlichkeit noch am Leben”.
In beiden Fällen ist es aber die Sache der Angehörigen, Unterstützer:innen und der Zivilgesellschaft, um Aufklärung zu kämpfen.,
Nur der Kraft, dem Mut, und der Beharrlichkeit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh ist es zu verdanken, dass die verantwortlichen staatlichen Stellen niemals mit ihren Lügen durchkommen werden.
Oury Jalloh das war Mord