Der Neukölln-Komplex und der Berliner Justiz-Apparat

In Berlin soll mit dem Untersuchungsausschuss (UA) zum Neukölln-Komplex ab 2. September 2022, nach der Konstituierung des Untersuchungsausschusses, die Aufklärung losgehen. Ob der Untersuchungsausschuss dieses Versprechen an die Opfer der rassistischen/rechten Anschläge und die Angehörigen von Burak Bektaş (ermordet am 5. April 2012) und Luke Holland (ermordet am 20. September 2015) halten kann, muß der UA noch beweisen. Immerhin haben die Opfer der Anschlagsserie und Angehörigen zugestimmt, dass der Untersuchungsausschuss in die Akten sehen darf, diese Zustimmung war notwendig für den Untersuchungsausschuss. Die berliner Ermittler:innen haben bisher nur den Mord an Luke Holland (teilweise) aufgeklärt, weder einen der über 70 Anschläge noch den Mord an Burak Bektaş. Die Täter konnten bisher straflos ihre Untaten verüben.

Fast zeitgleich mit dem Beginn der Aufklärungsarbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 2. September 2022 soll am 29. August 2022 der Prozess gegen 2 der Hauptverdächigten der Anschlagsserie in Neukölln vor dem Amtsgericht Tiergarten beginnen.

Bereits im Februar hat das Gericht Tiergarten mit einer Bewährungsstrafe für einen der Hauptverdächigten im Neukölln-Komplex “überrascht”. Der Neonazi Sebastian Thom war angeklagt wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung und (rassistischer) Beleidigung, ist vorbestraft und war wegen Gewalt- und Propagandadelikten bereits inhaftiert. Das Gericht fand seine Entschuldigung für seinen Naziübergriff auf einen nicht-weißdeutschen Taxifahrer so glaubhaft, das es ihn zu einer Bewährungsstrafe verurteilte.
22.02.2022 berliner Kurier: Neonazi kommt frei, weil er sich vor Gericht entschuldigt
21.02.2022 nd: Bewährung für Rechtsextremisten – Hauptverdächtiger der Neuköllner Terrorserie erhält Ersatzstrafe für Angriff auf einen Taxifahrer

Nun schließt dasselbe Gericht ein Opfer der Anschlagsserie, den berliner Linken-Politiker Ferat Koçak, von der Nebenklage beim Prozess gegen Hauptverdächtige der Neukölln-Anschlagsserie ab dem 29. August 2022 aus. Er sei nicht genug geschädigt/traumatisiert worden durch den Anschlag auf sein Wohnhaus, in dem auch seine Eltern leben. Ferat Koçaks Mutter erlitt wenige Tage nach dem Anschlag einen Herzinfakt und überlebte zum Glück.

Presse zur verweigerten Nebenklage:
05.08.2022 taz: Dass die Opfer im Neukölln-Komplex keine Nebenkläger sein dürfen, ist ein Armutszeugnis
03.08.2022 tagesspiegel; Betroffener von Nazi-Anschlag nicht als Nebenkläger zugelassen
03.08.2022 nd: Anschlagsopfer ohne Nebenklagerecht
03.08.2022 taz: In diesem Verfahren nicht präsent
03.08.2022 rbb: Richterin schließt Opfer rechter Gewalt als Nebenkläger aus
03.08.2022 rbb-video: Richterin schließt Opfer rechter Gewalt als Nebenkläger aus / mp4
03.08.2022 b. morgenpost: Neuköllner Anschlagsserie – Richterin lehnt Nebenklage ab