2016-12-21 Redebeitrag zur Ramazan Avcı Kundgebung in Hamburg-Hohenfelde am Ramazan-Avcı-Platz

Aufruf zur Kundgebung am 21.12.2016, Gespräch mit Gülüstan Avcı, Redebeiträge bei der Gedenkkundgebung am 21.12.2015, zu Ramazan Avcı

Am 21.12.1985 wurde Ramazan Avcı zusammen mit seinem Bruder und einem Freund am Bahnhof Landwehr aus einer bekannten Skinheadkneipe heraus angegriffen. Ramazan Avcı erlag drei Tage später seinen Verletzungen. Der brutale, gemeinschaftlich begangene rassistische Mord wurde bagatellisiert, die Ermittlungen wurden von Anfang an entpolitisiert und die Haftstrafen der Mörder fielen nur gering aus.

Auch in den 80er Jahren war der alltägliche Rassismus und die Hetze gegen Menschen, die als Nicht-Deutsch gesehen wurden, Alltag. Die Anwesenheit von als „nicht-deutsch“ deklarierten Menschen im öffentlichen Raum führte – wie auch heute in Bautzen – zu rassistischen Übergriffen. Die Presse und Politik zeigt und zeigte Verständnis. Es scheint allgemein anerkannt zu sein, daß die Täter zum weiß-deutschen Kollektiv gehören, so wie die Mörder von Ramazan Avcı, Enver Şimşek oder Oury Jalloh. Niemand kommt auf die Idee, dafür die gesamte weiß-deutsche Gesellschaft zu “verurteilen“! Es wird lieber über die schwere Kindheit oder andere persönliche Probleme der Täter gesprochen. Die Anteilnahme gilt mehr den rassistischen Tätern, die Opfer bleiben ausgegrenzt, das scheint außer Frage zu stehen. Dieselbe Einstellung, der gemeinsam geteilte Rassismus, ist Grundlage dafür.

Diese Einstellung – und wir benennen sie als das, was sie ist – nämlich Rassismus – führt dazu, dass Beate Zschäpe als 10-fache Mörderin zu Deutschland und Anders Breivik als 77-facher Mörder zu Europa gehören sollen. Es wird nicht zuerst an Terroristen gedacht, die hoffentlich keine weiteren Menschen verletzen oder gar ermorden können, die hoffentlich keine weiteren Verbrechen begehen können. Es stehen nicht die Opfer im Vordergrund und die Anteilnahme an dem Schmerz ihrer Angehörigen, es werden keine grundlegenden Änderungen gefordert. Die weiß-deutsche Gesellschaft hat keine Angst, dass sich ein Anschlag wie auf die Keupstraße wiederholen könnte. Sie hat aber Angst auf den Weihnachtsmarkt zu gehen…
Der aktuelle Anschlag auf den Weihnachtsmarkt im „Herzen Berlin´s“, wo 12 Menschen getötet und Viele verletzt wurden, geht uns alle an. Allgemein bekannt ist, dass der Kudamm bei Migrant_innen und Tourist_innen sehr beliebt ist. Noch ist unklar, wer der Täter ist. Es sollte in alle Richtungen ermittelt werden. Hoffen wir es. Noch sind auch keine Namen veröffentlicht; dass die Namen der Opfer und Verletzten höchstwahrscheinlich migrantisch und touristisch sind, das ist mehr als wahrscheinlich. Und weiter: Erst hieß es, es sei ein Pakistaner oder Afghane. Jetzt heisst es, es würde nach einem Tunesier gesucht. Was ist das für eine rassistische Berichterstattung?

Wir wollen Anteilnahme für Opfer rassistischer, rechter und fundamentalistischer Gewalt. Wir wollen nicht, dass Täter ungleich behandelt werden. Wir fordern Aufklärung und vorurteilsfreie Ermittlungen!
Und wir fordern dieselbe bundesweite Anteilnahme für die Angehörigen von Opfern rassistischer Gewalt.

Deshalb ist es wichtig dass es Gedenkkundgebungen und Demonstrationen gibt. Dass Plätze und Straßen nach ihnen benannt werden, dass Denkmäler in Gedenken an sie errichtet werden. Denn sie gehören zu der Gesellschaft, die wir wollen und in der an sie erinnert und damit weiter präsent seien sollen. Und zwar nicht nur als verschämte Randnotiz, die auch weggewischt werden kann! Sondern unübersehbar, als Mahnung gegen Rassismus, Faschismus und Fundamentalismus.

Ramazan Avcı wurde am 21.12.1985 angegriffen, überfahren, malträtiert, ermordet. Unsere Anteilnahme gilt seiner damaligen Verlobten Gülistan Ayaz, seinem Sohn Ramazan Ayaz, seinen Freunden und Bekannten. Unser Dank gilt neben ihnen auch der Initiative, die über all die Jahre die Erinnerung an ihn am Leben hält.

Für ein solidarisches Zusammenleben – weltweit.