Am Tag der Gerichtsverhandlung wird kurzfristig der Verhandlungssaal verlegt in den Saal 500 des Amtsgericht Moabit. Der Prozess gegen Rolf Zielezinski wird offensichtlich als Terrorprozess eingestuft, die Sicherheitsmaßnahmen deuten jedenfalls darauf. Verhandelt wird der Mord an dem 31- jährigen Luke Holland (GB) am 19.09.2015 in Berlin-Neukölln. Die Öffentlichkeit kommt nur durch Einzelkontrollen durch den Nebeneingang rein. Auch die Schuhe werden durchsucht.
Weiterer Prozessbericht bei Goodnews
Die Eltern Rita und Philipp Holland leben in Manchester und werden von Oliver, einer der besten Freunde von Luke Holland begleitet. Sie sind aus England eingereist. Rita Holland, die Mutter von Luke Holland hat ein Halstuch um, sie hat ihn von Melek Bektaş, der Mutter von Burak Bektaş. Sie kommt nicht zur Verhandlung – noch nicht. Der 22 -jährige Burak Bektaş wurde in der Nacht des 5.April 2012 ebenfalls in Neukölln ermordet, Rolf Z.´s Name tauchte damals in seiner Akte auf.
Die „Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ steht vor dem Gerichtsgebäude und fragt nach: Zwei rechte Morde in Neukölln? Und fordert Aufklärung.
Die Presse ist gut vertreten.
Rolf Zielezinski sitzt in Untersuchungshaft, es ist unklar, ob er von Nebenklageanwälten, den Nebenklägern oder der Presse gesehen werden kann bei Betreten oder Verlassen des Saals.
Oben vor dem Raum 500 im Treppenhaus ist es kalt, es gibt kein Warteraum.
Der Richter und der Staatsanwalt (von Hagen) sitzen frontal zu den Zuschauerbänken und relativ weit weg. Zur Linken sitzt die Nebenklage, die Eltern Rita und Phil Holland und die Nebenklageanwälte Onur Özata und Mehmet Daimagüler und zur Rechten die Verteidiger Sebastian Schmidt und Daniel Lehnert. Rolf Z. sitzt allerdings hinter Hochsicherheitsglas. Die Verteidigung und der Angeklagte sitzen in der Raumanordnung höher als die Nebenklage. Der Zeugentisch ist sehr nahe am Pult des Richters und des Staatsanwalt (von Hagen). Ein Gerichtsgutachter ist bestellt- Herr Kasten.
Übersetzer für die Eltern ist organisiert. Für die Zuschauer nicht.
Bevor die Anklageschrift verlesen wird stellt die Verteidigung Anträge:
Zum einen gegen den Staatsanwalt von Hagen. Die Arbeit des Staatsanwalts sei „dilettantisch“ gewesen, es bestehe der dringende Tatverdacht der Strafvereitelung im Amt, da er wegen eines Waffenfundes hätte ermitteln müssen, als Vorliegen eines Offizialdelikts, was er aber nicht getan hätte. Das Verfahren solle eingestellt werden, da die Waffen im Zimmer der Freundin von Rolf Z. gefunden worden seien und nicht in Rolf Z.´s Zimmer. Die Anklage müsse, wenn dann gegen die Freundin laufen.
Zum anderen sei Heimtücke als Mordmerkmal nicht gegeben, die Anklageschrift sei daher falsch und dürfe nicht verlesen werden.
Der Antrag wird nach einer Beratung des Gerichts abgelehnt. Bei Unterbrechungen muss der Saal verlassen werden von den Zuschauern. Die Zuschauer finden dies nicht akzeptabel, da im Treppenflur es zu kalt ist, der Umgang nicht wohlwollend und freundlich ist für die Öffentlichkeit.
Die Nebenklage stellt nach der Unterbrechung auch einen Antrag:
Die Anordnung des Zeugentisches solle geändert werden. Die Raumordnung solle geändert werden, da weder Nebenklageanwälte noch die Nebenkläger die Zeugen sehen können. Die Zeugen sitzen mit dem Rücken zum Raum vor dem Richterpult. Richter, Staatsanwalt und der psychologische Gutachter können die Zeugen sehen, aber nicht die Nebenklage.
Der Antrag zur Raumordnung wird abgelehnt, da, so der Richter, es ungerecht sei, wenn aus räumlichen Gründen nur die Nebenklageanwälte näher aufrücken dürften, aber die Eltern nicht das gleiche Recht hätten. Der Gutachter Herr Kasten erklärt sich auf Nachfrage bereit sich etwas näher zum Staatsanwalt zu setzen und so können die Nebenklageanwälte und die Nebenklage insgesamt einen Stuhl vorrücken. Einer der Nebenklageanwälte kann nun die Zeugen etwas besser sehen jetzt.
Die Verteidigung erklärt für Rolf Z.: Der Angeklagte wolle nichts sagen.
Er nennt nur seinen Namen, er sei 1951 geboren und seine Staatsangehörigkeit sei: Deutsch.
Er wohne in der Ringbahnstraße 27, 12051 Berlin, z.Zt. in Untersuchungshaft.
Die Verteidigung verliest eine Erklärung, der Richter unterbricht ein Eingangsplädoyer sei nicht zulässig, zulässig sei eine Erklärung für den Angeklagten. Weiter… Der Angeklagte schweige zu den Vorwürfen… Der Richter fragt wie lang der Text sei… Dann lässt er das “Eingangsplädoyer“ von ca. 2 Seiten doch zu.
Die Verteidigung legt darin dar, dass das Auffinden von Schmauchspuren nichts darüber aussage, das Rolf Z. der Täter sei…
Die Anklageschrift wird verlesen:
Anklage auf Mord mit einer Schrotflinte aus nächster Nähe an Luke Holland durch einen Schuss in den Bauchraum. Der Angeklagte wird für zurechnungsfähig gehalten, “war sich bewusst”. Er wird auch angeklagt wegen unerlaubtem Waffenbesitz.
Erster Zeuge:
Zeuge S., Polizist, 31 Jahre, hat Rolf Z. festgenommen zusammen mit den Kollegen Sommer, Jung und Mönke in der Silbersteinstr/Wolterstr. in Neukölln. Der Festgenommene sei normal, ruhig gewesen, wirkte unbeteiligt, reagierte aber auf Aufforderungen. Er machte keinen verwirrten Eindruck. Sein Dienstbeginn war um 18.00 Uhr, erst am Abend nach dem Mord wurde Rolf Z. festgenommen. Angeklagter war nicht überrascht, war gefasst und kooperativ. Alkoholgeruch vernommen, aber er sei nicht besoffen gewesen.
Es wird nach dem Polizeifahrzeug gefragt, ob dieser vor seinem Dienstbeginn im Einsatz war in derselben Sache. Antwort ist Ja. Und auf die Frage, ob andere vom Dienstbereich vor Ort gewesen seien lautet die Antwort Nein.
Zeuge M.:
Polizist, auch 32 Jahre ca. Er beschreibt ihn ähnlich wie auch der Zeuge Seubert. Rolf Z. sei in Oranienburg gewesen auf einem Mittelalterfest. Kam gerade von dort. Fahrscheine liegen vor als Beweismittel. Er habe Honigwein bzw. Met getrunken und kam gegen Abend nach Berlin wieder.
Der Zeuge wird beanstandet seitens der Verteidiger (Sebastian Schmidt und Daniel Lennart), da der Polizist den Tatverdächtigen falsch belehrt habe. Der Zeuge soll den Text vor dem Richter wiederholen. Dieser meint er habe Rolf Z. belehrt und gesagt er könne aussagen oder die Aussage verweigern, einen Anwalt könne er später haben. Grund hierfür nennt er, da sie ja noch zum Präsidium fahren würden erst.
Verteidigung: Einen Anwalt hätte er sofort haben können. Es sei eine falsche Belehrung, Zeuge unbrauchbar sozusagen.
Der Angeklagte wird eindeutig als der festgenommene Tatverdächtige identifiziert und er sähe so aus wie damals, so wie sie ihn festgenommen hätten. Er sähe nicht anders aus, er sähe so aus wie damals. Sein Foto in den Print-Medien (zur Fahndung) zeigt erstaunlich wenig Ähnlichkeit zu seinem aktuellen Aussehen.
Zeugin A.:
Die Zeugin ist eine geängstigte junge Frau /Mutter. Sie weint, ist verunsichert.
Sie schlief bei ihren Eltern zufällig an dem Abend, stillte ihr Baby nachts. Sie wäre von lauten Schreien wach geworden und hatte Sorge, dass ihr Baby aufwacht von dem Lärm. Ihr Aufwachen, das unruhig werden und Aufwachen des Babys und die Schreie seien fast zeitgleich gewesen. Sie hätte eine Frauenstimme vernommen und mindestens zwei Männerstimmen. Zunächst dachte sie draußen würden Jugendliche Knaller aufeinander geworfen haben. Erst aufgrund des Blaulichts der Polizei habe sie aus dem Fenster geschaut und gesehen, dass ein Mord geschehen war. Sie habe auf ihre Handy-Uhr geschaut und es sei 5:58 gewesen. Es kommt Verwirrung bei Nachfrage auf die Uhrzeit seitens des Richters, sie habe bei ihrer Vernehmung 5.52 gesagt.
Die Zeugin wird seitens der Verteidigung beanstandet, da sie keine genauen Angaben machen könne. Sie hätte als sie auf die Uhr geschaut hätte während sie von den Schreien wach wurde statt bei der Vernehmung 5.53 Uhr nun sagen, es sei vielleicht 5.58 gewesen. Ganz genau kann sich die Zeugin nicht erinnern.
Sachverständiger Herr H.:
Der Sachverständige ist beim Polizeipräsident angestellt und zuständig dafür zu prüfen, ob die gefundenen Waffen gegen Waffengesetze verstoßen. Es wird viel Zeit hierfür verwandt, in welchem Zustand, die Waffen sind, wie funktionsfähig sie sind, wie sie manipuliert wurden bzw. funktionstüchtig gemacht wurden. Es seien funktionsfähige Waffen und somit erlaubnispflichtig. Gefunden wurden:
Eine Schrotflinte -Schrotflinte/Doppelflinte ist auch die Tatwaffe.
Ein weiteres Gewehr KK (?), 1917
Ein Revolver Magnum 1965 oder so
Ein Messer – Messer sieht aus wie ein Gehstock, aber abgesägt also erlaubnispflichtig als Hieb- und Stichwaffe.
Alle aufgefunden Waffen sind manipuliert, umgebaut: Es sind professionelle Bohrungen und Schweißspuren festzustellen, z.B. Lauf unbrauchbar, aber Verschluss ist funktionstüchtig von der Doppelflinte und schussfähig; oder Munition bleibt drin und muss vom Schützen rausgenommen werden; aus verschiedenen Teilen zusammengebaut; das Messer sieht aus wie ein Gehstock. Die vorgefundene Munition passte zu den vorgefundenen Waffen. Es wurden 22 Patronen (Schrottkugeln) gefunden, Munition von verschiedenen Herstellern wurde gefunden, Kugeln mit Filzpfropfen und Kugeln mit Kunststoff. Der Geschichte der Waffen, dem Zustand, dessen Teile usw. wird viel Raum gegeben. Sachverständiger hat in Tests 2-mal geschossen mit den Waffen und es klappte.
Die Schrotkugeln aus gefundenem Patronengürtel (22 Schrottkugeln) wurden verglichen mit Funden aus der Obduktion – Hülse wurde nicht gefunden.
Über die Geschichte, Herkunft der Waffen würde das LKA 442 was sagen.
Auf Nachfrage der Nebenklage, wann die Waffen zuletzt benutzt wurden, lautet die Antwort, könne man nicht feststellen als Sachverständiger. Er bringt nächstes Mal die Waffen mit.
Der nächste Verhandlungstermin wird bekannt gegeben und der Raum.
Nachfrage der Nebenklage zu den Sicherheitsvorkehrungen bei Gericht:
Der Richter äußert auf die Nachfrage der Nebenklageanwälte zu den Sicherheitsvorkehrungen und der Einstufung des Prozesses als Terrorprozess: Das LKA hätte seine Einschätzung mitgeteilt und im Internet hätten Antirassisten zur Prozessbeobachtung aufgerufen, was eine erhöhte Gefahr von Auseinandersetzungen hervorrufen könne. Heute war alles friedlich, aber es könne ja auch zu Auseinandersetzungen mit der Gegenseite im Zuschauerraum kommen.