Liebe Familie Bektas, liebe Angehörige, liebe Melek, lieber Ahmet, liebe Melike, lieber Fatih, liebe Freunde und Freundinnen
Heute wäre Burak 30 Jahre alt geworden. Aber er wurde am 5.4.2012 wenige Schritte von hier erschossen. Zwei seiner Freunde wurden schwer verletzt.
Wir treffen uns immer an Buraks Geburtstag an dieser Stelle oder am Ort seines Todes, um zu erinnern und um anzuklagen: Findet seinen Mörder!
Seit acht Jahren stehen Menschen an diesem Ort oder direkt am Tatort und erinnern an ein Verbrechen, das noch immer nicht aufgeklärt wurde. An ein Verbrechen von dem wir sagen, dass das Motiv Rassismus sein kann.
Der Mörder wurde nie gefasst. Vielleicht läuft er hier immer noch herum oder vielleicht war es aber doch, wie viele vermuten Rolf Zielezinski. Er hat 2015 den Briten Luke Holland in der Ringbahnstraße erschossen. Er kannte Luke Holland nicht, ist ihm nie begegnet. Die Polizei behauptet, dass es keinen Zusammenhang gäbe zwischen den beiden Morden. Wir fragen: Wie kann sie das behaupten? Buraks Mutter hat schon oft gefragt, wie diese Einschätzung zustande kommt. Wenn die Ermittler wissen, dass Zielezinski nicht aud Burak und seine Freunde geschossen hat, woher wissen sie das? Welche Beweise haben sie dafür?
Wir stehen hier, weil wir Aufklärung fordern. Die Familie und wir alle haben das Recht zu wissen, wer Burak ermordet hat.
Viele Menschen in Neukölln werden immer wieder in Angst und Schrecken versetzt. Es gibt eine große Zahl von Brandstiftungen, Bedrohungen, rassistischen, rechten, antisemitischen Angriffen. Neukölln gehörte auch im letzten Jahr wieder zu den Bezirken mit den meisten Angriffen in Berlin. Keine der Taten wird aufgeklärt. Und das beobachten wir seit vielen Jahren.
Die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss wurde bisher nicht erfüllt Jedoch:
Die von vielen Betroffenen wiederholten Forderungen nach Aufklärung, haben dazu geführt, dass eine Besondere Aufbaugruppe der Polizei mit Namen Fokus nun beauftragt ist, alle die Fälle einschließlich den Morden an Burak und Luke zu untersuchen. Vor allen Dingen die unerträglichen Versäumnisse der Polizei vor dem Anschlag auf das Auto von Ferat Kocak haben verdeutlicht, dass immer noch nicht das Leben und die Unversehrtheit der Opfer die Arbeit der Polizei leitet, sondern irgendwelche Vorgaben, die in erster Linie Täter schützten.
Im Dezember sollte die Gruppe von Polizeibeamten „Fokus“ einen Bericht vorlegen. Sie haben auch einen geschrieben, der jetzt beim Innensenator vorliegt und offenbar so übel ausgefallen ist, dass er der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Er ist als geheim eingestuft. Wir können also nicht überprüfen, was die gearbeitet haben und können also auch nicht schwarz auf weiss sehen, dass sie mal wieder Quatsch gemacht haben.
Wir können aber auch kleine Erfolge melden:
Der Berliner Kurier hatte nach dem Jahrestag von unbestätigten Polizeiinformtionen geschrieben nach denen Burak in irgendeine Sache verwickelt gewesen sein soll und der Mord als Racheakt gelten soll. Das war eine Lüge. Die Familie Bektas hat sich gewehrt gegen diesen Dreck, der wie ein zweiter Anschlag gewirkt hat. Der Kurier wurde gezwungen, eine Unterlassung zu unterschreiben. Sie dürfen das nie wieder behaupten und der Kurier musste eine Richtigstellung drucken und im Internet veröffentlichen.
Wir sind sicher, dass die sogenannte Information aus dem Polizeiapparat gekommen ist. Das geschah kurze Zeit nachdem ein AFDler in der Neuköllner BVV danach gefragt hat, ob es Hinweise gebe, dass der Mord auf Streitigkeiten zwischen konkurrierenden Großfamilien zurückzuführen sei. Nein gibt es nicht! Es gibt keine Hinweise und das wurde inzwischen sowohl von der Generalstaatsanwaltschaft als auch vom Innensenator bestätigt.
Vielleicht hat ein Kollege bei der Polizei eine andere Idee in die ‘Tat umgesetzt? Wir werden nicht zulassen, dass nun auch noch das Andenken Verstorbenen beschmutzt wird. Auch das ist nur möglich, weil die Polizei ihren Job nicht gemacht hat und weiterhin nicht macht!
Auch die Morde des NSU wurden nicht aufgeklärt!
Ohne die Selbstenttarnung des NSU wüssten wir bis heute nichts von diesen Tätern. Diese Erkenntnis ist bitter und umso bitterer ist es festzustellen, dass sich auch durch viele Untersuchungsausschüsse und mit dem NSU-Prozess in München nichts geändert hat.
Wir wissen seit vielen Jahren, dass es eine große Sorgfalt und ein großes Aufgebot an Ermittlungstätigkeiten gibt, wenn es sich um (auch nur geplante) Taten handelt, die nicht aus einem rechten politischen Zusammenhang kommen können. Der Einsatz von Ressourcen für die eine oder die andere Arbeit ist eine politische Entscheidung. Im Zweifel für die Straflosigkeit von Nazis.
Ich arbeite seit 2001 in der Beratungsstelle für Opfer rechter rassistischer und antisemitischer Gewalt. Von Anfang an hatten wir in Neukölln zu tun und Neukölln ist immer ganz oben auf der Liste der Bezirke mit den meisten Gewalttaten aus rassistischer, rechter antisemitischer und gegen Lesben, Schwule und Transpersonen (LGTBIQ). Im letzten Jahr gab es hier wieder mindestens 50 gewalttätige Angriffe.
Aber Neukölln ist auch ein Bezirk mit vielen Aktivitäten gegen rassistische, rechte, antisemitische Gewalt und Gewalt gegen gleichgeschlechtliche Lebensweisen.
Was Buraks Mörder und die anderen Täter bewirkt haben, ist die wachsende Solidarität zwischen den vielen unterschiedlichen Betroffenen und der vielen UnterstützerInnen.
Viele Freundschaften sind entstanden und entstehen weiterhin, viel Geld wurde gespendet um diesen Gedenkort, den sich die Familie gewünscht hat, verwirklichen zu können. Und weiter zu gestalten, damit es ein Ort wird, an dem Alle sich versammeln können.
Für die Verwirklichung hat auch Zeynep Delibalta gearbeitet. Sie hat die Skulptur entworfen, die wir hier am 5. April 2018 enthüllt haben.
Das war Zeyneps letzte Arbeit. Sie nannte sie „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“. Sie ist am 19. Dezember 2017 gestorben.
Wir danken ihr dafür, dass sie es als ihre vordringlichste Aufgabe empfunden hat, trotz 9ihrer schweren Krankheit, das Werk zu vollenden. Es erinnert an den Mord an Burak und all die andern nicht aufgeklärten Taten.
Der Gedenkort und jede unserer Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen sind Zeichen dafür, dass die Rechnung der Täter und die der Ermittlungsbehörden nicht aufgehen wird. Nichts wird vergessen und kein Gras wird über ihre Taten wachsen. Der Gedenkort ist Solidarität. Er ist entstanden aus ganz viel sogenannter ehrenamtlicher politischer Arbeit. Er ist entstanden aus ganz vielen unterschiedlichen Spenden. Menschen haben Parties veranstaltet, Kuchen verkauft und Suppe gekocht und verkauft, gesammelt, Anträge gestellt und vieles mehr. Diese Solidarität ist hier sichtbar und wird ein ewiges Ärgernis für die TäterInnen sein und ein würdiger Ort des Erinnerns, des Trauerns und dennoch ein Zeichen der Freude und des gemeinsamen Kampfes der Angehörigen, der Freunde und allen, die zusammen für eine Gesellschaft ohne Rassismus, für eine andere, bessere Welt kämpfen.
Wir haben einiges geschafft und wir werden es auch schaffen, diesen Ort schöner zu machen und zu einem Ort des lebendigen Gedenkens werden zu lassen.
Wir werden nicht nachlassen mit unseren Forderungen nach Aufklärung
Wir werden am Todestag am 5.4. eine Demonstration organisieren und weiter an unsere Forderung nach Aufklärung erinnern. Wir gehen vom Bahnhof Britz-Süd zum Gedenkort. Dazu laden wir euch jetzt schon ein.