2022-02-19 – 2 Jahre Hanau : Erinnern heißt kämpfen!

Gehalten bei der Kundgebung im Wedding am Leopoldplatz und auf dem OPlatz in Kreuzberg (Berlin)

Liebe Angehörige und Freund*innen von Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin,

wir als Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş solidarisieren uns mit euch, den Angehörigen und Freund*innen der beim Anschlag in Hanau vor 2 Jahren Ermordeten. Wir senden euch unsere innigsten solidarischen Grüße und stehen an eurer Seite im Kampf für Aufklärung und glaubwürdige Ermittlungen.

Burak Bektaş wurde am 5. April 2012 in Neukölln ermordet. Der Mord ist nun seit fast 10 Jahren unaufgeklärt. Der Tathergang erinnerte stark an die Morde des NSU und solange es keine andere Gewissheit gibt, gehen wir von Rassismus als Tatmotiv aus.

Wenn in Hanau die Polizei nach dem Anschlag die Angehörigen in einer Turnhalle festhielt und nicht informierte, ob ihre Liebsten noch lebten oder was überhaupt passierte, müssen wir an den Mord an Burak und den Mordversuch an 2 seiner Freunde denken. Die unverletzten Überlebenden standen stundenlang frierend am Tatort in den frühen Morgenstunden des 5. Aprils 2012, während die Polizei die Spurensicherung vornahm. Die Familie Bektaş wurde nicht über den Tod von Burak informiert.
Buraks Eltern suchten die Polizei auf, nachdem sie von Freunden informiert wurden, dass ihrem Sohn was Schlimmes passiert sei. Dort erfuhren sie dann nach weiterem quälendem Warten von dem Tod Buraks. Der damalige Innensenator Henkel versuchte, durch eine öffentliche Entschuldigung die Empörung zu dämpfen und den Eindruck zu verhindern, dass, wenn Burak nicht “türkischstämmig” gewesen wäre, die Angehörigen anders behandelt worden wären.

Inzwischen gibt es zu dem rassistischen Anschlag in Hanau einen Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag. Dies schwächt unser Entsetzen über den neunfachen rassistischen Mord nicht. Vor allem wo die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Vater des Attentäters einstellen will. Auch unsere Wut über die Polizei ist unvermindert groß.

In Berlin soll es auch einen Untersuchungsausschuss geben, zu der Anschlagsserie in Neukölln – zum Neukölln-Komplex. Zusammen mit anderen Initiativen und Betroffenen von rassistischer Gewalt haben wir uns lange für diesen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Wir werden ihn kritisch beobachten und begleiten. Ob dieser am Ende auch zu einer Aufklärung des Mordes an Burak am 5. April 2012 und den Unklarheiten bei dem Mord an Luke Holland am 20. September 2015 beitragen, wird davon abhängen, ob eine Aufklärung wirklich erwünscht ist. Denn die Verstrickung von Staat, Nazis, Justiz, Polizei stehen einer wirklichen Aufklärung, wie wir beobachten können, im Weg.

Dass sich bei der Berliner Polizei Nichts geändert hat, hat sich zuletzt bei dem rassistischen Angriff auf Dilan S. am S-Bahnhof Greifswalder Straße am 5. Februar 2022 gezeigt. Das Opfer rassistischer Gewalt wurde durch Polizei und manche Medien zur Täterin gemacht. Sie musste sich das aus dem Krankenhaus heraus verbitten.

Die altbekannte Täter-Opfer-Umkehr: das kennen wir aus den Erfahrungen der Angehörigen der NSU-Opfer. Und auch in Fall von Burak: vor 3 Jahren wurden im Berliner Kurier mit Bezug auf inoffizielle Kreise der Berliner Polizei Fake News über Burak verbreitet, die Buraks Andenken beschmutzten und zusätzlichen Schmerz für Familie Bektaş bedeuteten. Familie Bektaş hat eine Richtigstellung erkämpft.
Innenminister Geissel ist in seiner Amtszeit der Familie gegenüber einer Antwort schuldig geblieben, wie so etwas in seinem Haus passieren kann. Die Ermittlungen gegen Polizist*innen wegen der Üblen Nachrede gegen Burak wurden natürlich eingestellt. Wir erwarten nun die Antwort der neuen amtierenden Innenministerin Berlins.

Das sind die rassistischen Zustände. Und so ist es selbstverständlich, dass wir mit den Angehörigen der Opfer aus Hanau und mit jedem Opfer rassistischer und rechter Gewalt solidarisch sind. So rufen wir auch für Morgen zur Demo an der Greifswalder Straße in Berlin unter dem Motto „Solidarität mit Dilan“ auf.

Buraks Todestag jährt sich dieses Jahr am 5. April zum zehnten Mal. 10 Jahre keine Aufklärung, 10 Jahre keine Gewissheit. 10 Jahre Versagen der Ermittler*innen. Das ist die bittere Realität in Berlin, da braucht es nicht nur einen Untersuchungsausschuss.

Der 5. April ist dieses Jahr ein Dienstag. Für diesen Tag rufen wir bundesweit zu individuellen, dezentralen Aktionen und Veranstaltungen und Online-Aktionen auf. Bitte lasst uns eure Grußworte, Fotos, Berichte zukommen oder veröffentlicht, wenn ihr aktiv geworden seid über Social Media.

Am Sonntag, dem 10. April 2022, dem Sonntag nach Buraks 10. Todestag, laden wir euch alle sehr herzlich ein, zur Kundgebung zum 10. Todestag der Ermordung von Burak Bektaş zu kommen.
Die Kundgebung findet statt am 10. April um 14.00 Uhr am Gedenkort für Burak Bektaş in Berlin in Süd-Neukölln. Wir würden uns freuen, euch alle dort zu sehen.

Burak unvergessen. Niemand wird vergessen.

Erinnerung – Gerechtigkeit – Aufklärung – Konsequenzen