Unsere Erwartungen an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum Neukölln-Komplex:
Wir haben uns seit Jahren gemeinsam mit vielen anderen Initiativen für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den PUA, eingesetzt. Der PUA ist das Ergebnis des Kampfes von Betroffenen und Angehörigen von Opfern rassistischer rechter Gewalt. Dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss ist nötig, weil Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Arbeit nicht getan haben.
In Neukölln finden seit über 10 Jahren Bedrohungen, Anschläge und Morde statt. Angegriffen werden migrantische, linke und antifaschistische Menschen. Nur der Mord an Luke Holland am 20.09.2015 wurde teilweise aufgeklärt. Zumeist konnten die Täter jedoch straflos handeln. Der PUA muss nun aufklären, weshalb es keine Ermittlungsergebnisse gab und wie die Straflosigkeit zustande kam. Im Anschluss daran müssen Ermittlungen – beruhend auf den Ergebnissen des PUA – gegen alle Beteiligte und für die Taten Verantwortlichen aufgenommen werden.
Viele Initiativen beobachten und begleiten die Arbeit des PUA, so auch wir als Burak-Initiative. Wir schildern hier unsere ersten Eindrücke und stellen Forderungen an den PUA:
1.
Der PUA tagt in einem Raum ohne Öffentlichkeit. Presse und Öffentlichkeit sitzen in jeweils anderen Räumen und können die Sitzungen nur per Videoübertragung verfolgen.
Teile der Sitzung, wie Beweisanträge und Beratungen über das weitere Verfahren werden nicht öffentlich behandelt. Es stellt sich für uns die Frage, warum es hier eine Geheimhaltung gibt. Die Befragungen der Zeug:innen dagegen sind öffentlich.
Ein sehr wichtiger Kritikpunkt für uns ist, dass die Zeug*innen bei der Befragung im Ausschuss den Abgeordneten alleine gegenüber treten müssen. Erlaubt ist lediglich eine „bei sitzende Person“, die aber keine Sprecherlaubnis hat. Die solidarische Öffentlichkeit sitzt nicht mit im Raum. Die Zeug*innen können auch nicht feststellen, ob die Übertragung ihrer Aussage in die Übertragungsräume jederzeit sicher gestellt ist und werden damit zusätzlich verunsichert.
Die Öffentlichkeit und Presse kann ihre beobachtende und damit auch kontrollierende Funktion nicht ausüben, wenn sie nicht mit im gleichen Raum sitzt. Die Mitglieder des PUA sind nicht mit deren physischer Anwesenheit konfrontiert, der gegenüber sie sich verhalten müssen.
Begründet wird diese räumliche Situation als Corona-Maßnahme. Zeitgleich ist aber der Plenarsaal frei und könnte genutzt werden, um den PUA im gleichen Raum mit den Besucher:innen und der Presse stattfinden zu lassen, wenn dies gewollt wäre.
Wir fordern den Ausschuss und seine Mitglieder auf, die räumlichen Bedingungen herzustellen, damit die Öffentlichkeit pandemiekonform in einem Raum mit dem Ausschuss sitzen kann.
Dem Ausschuss von den Zeug*innen zur Verfügung gestellte Informationsmaterialien werden für die Mitglieder des PUA kopiert, der Presse und Öffentlichkeit aber vorenthalten. Warum fühlt sich der PUA nicht dafür zuständig, diese Informationen der Presse und Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
2.
Die Zeug*innen werden zur Beweiserhebung vor den PUA (ein-)geladen, dürfen zum Eingang ihr Statement halten und müssen sich dann den Fragen der Abgeordneten aller Fraktionen stellen. Nach Fraktionsstärke wird die Reihenfolge der Fragen der Abgeordneten bestimmt: SPD, CDU, Grüne, AfD, Die Linke, FDP. Jede Fraktion hat 15 Minuten Zeit, die/ den jeweilige*n Zeug*in zu befragen. Ggf. kann auch eine zweite Fragerunde stattfinden.
Die Zeug*innen sitzen alleine oder mit einer begleitenden Person vor dem PUA. Sie sind Betroffene von rechten, rassistischen Anschlägen und als Zeug*innen des Geschehens geladen.
Der Vorsitzende Florian Dörstelmann hat die Aufgabe, den PUA zu leiten. Die Zeug*innen haben Anschläge überlebt und sie haben daher ein besonderes Recht auf den Schutz ihrer Person und ihrer personenbezogenen Daten. Im Kontext dieses Untersuchungs-ausschusses muss der Vorsitzende im Rahmen seiner Leitungsfunktion diesen Schutz gewährleisten.
Bei der Befragung der Zeug*innen hat der Vorsitzende nicht eingegriffen, auch wenn die Zeug*innen wie Angeklagte behandelt worden sind und mit provokanten Fragen, Fangfragen etc. traktiert wurden. Der Vorsitzende kann durchaus in die Befragung eingreifen, wie wir es mehrfach bei den Statements der Zeug*innen beobachten mussten. Dies erwarten wir aber gegenüber den Abgeordneten, wenn sie mit provokanten Fragen Grenzen der Zeug*innen absichtlich verletzen, die Anschläge bagatellisieren und gezielt bedrohliches Verhalten einsetzen.
Wir fordern, dass im Rahmen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses alles unternommen wird, um Antworten zu bekommen! Der Mord an Burak Bektaş muss neu aufgerollt werden, und zwar mit unabhängigen Ermittler*innen. Wir erwarten, dass der PUA zum Neukölln-Komplex zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş beiträgt.