Audiomitschnitt unserer Kundgebung – 12 Jahre ohne Burak – 12 Jahre ohne Aufklärung
am Samstag, den 6.4.2024 am Gedenkort Burak Bektaş, Rudower Straße / Möwenweg, Berlin-Neukölln (Süd)
link – Archive.org / mp3 – Archive.org
0:00 – 2:20 Anmoderation
2:20 – 10:52 Redebeitrag Burak-Ini: 12 Jahre ohne Burak deutsch
10:52 – 20:22 Redebeitrag Burak-Ini: 12 Jahre ohne Burak türkisch
20:22 – 24:30 Schweigeminute und Blumen ablegen
24:30 – 27:00 Moderation
27:00 – 28:57 Grußwort Dortmund – Tag der Solidarität
28:57 – 32:40 Moderation Vernetzung Betroffener
32:40 – 35:59 Soligruppe 9. Oktober aus Halle
35:59 – 36:05 Moderation
36:05 – 39:29 Anmoderation Walter Frankenstein
39:29 – 40:51 solidarische Grüße von Walter Frankenstein, Shoa-Überlebender
40:51 – 41:34 Moderation Jorge João Gomondai
41:34 – 43:55 Moderation Ante P.
43:55 – 53:50 Rede Schwester Ante P. – Initiative 2. Mai Mannheim
53:50 – 54:35 Moderation
54:35 – 1:00:15 Aktives Gedenken Lichtenberg
1:00:15 – 1:00:43 Moderation
1:00:43 – 1:08:45 Hufeisern gegen Rechts
1:08:45 – 1:11:10 Moderation Anschlagsserie Neukölln-Komplex
1:11:10 – 1:20:36 Claudia zum PUA Neukölln-Komplex
1:20:36 – 1:21.13 Moderation
1:21.13 – 1:26:02 Grußbotschaft Ferhat Korçak, Betroffener des Neukölln-Komplex
1:26:02 – 1:26:43 Moderation
1:26:43 – 1:29:23 Worte von Phil Holland, Lukes Vater
1:29:23 – 1:29:55 Moderation
1:29:55 – 1:45:54 Burak-Ini PUA
1:45:54 – 1:47:55 Abschluß der Kundgebung
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Rede von 9. Oktober Halle zum 12. Todestag von Burak Bektaş
„Wer gedenken will, soll aufklären.“
Das waren die Worte von Melek Bektaş, der Mutter von Burak Bektaş vor wenigen Wochen am 11. März auf der Pressekonferenz des Solidaritäts-Netzwerks von Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden rechter, rassistischer, antisemitischer Morde und Gewalt in Deutschland.
Aus unserer Arbeit mit der Soligruppe 9. Oktober und aus dem Netzwerk wissen wir, wie wichtig es ist, aufzuklären, was passiert ist und wie wichtig es ist, die politische Tatmotivation der Gewalttaten, Morde und Anschläge zu benennen und anzuerkennen. Denn nur dann ist es möglich, geforderte Konsequenzen umzusetzen und Gerechtigkeit herzustellen.
12 Jahre lang ist das für Burak und seine Freunde, die überlebt haben, nicht passiert. Wie schmerzhaft ist es zu wissen, dass alles dafür getan wird, dass dieser Mord nicht aufgeklärt wird? Wie schmerzhaft ist es zu wissen, dass auch 12 Jahre später bei ähnlichen Anschlägen und Gewalttaten wie zuletzt am 25. März diesen Jahres in Solingen, das Motiv verleugnet oder kleingeredet wird?
Vor 24 Stunden gab es einen Brandanschlag auf die Synagoge in Oldenburg. Auch hier sagt die Polizei, die Hintergründe sind unklar.
Heute jährt sich auch der Todestag von Halit Yozgat, der am 6. April 2006 vom NSU in Kassel ermordet wurde. Auch dieser Mord ist nicht vollständig aufgeklärt.
Für uns ist es klar, sowohl bei Burak, in Solingen oder in Oldenburg oder Kassel. Es sind mörderischer Rassismus und Antisemitismus. Das sind keine Angriffe „auf uns alle“, wie es zahlreich nach jedem Angriff durch die Pressekonferenzen deutscher Politiker_innen schallt. Das sind Angriffe auf uns, auf Burak, auf seine Familie, seinen Freund_innen.
Anfang diesen Jahres im Januar und Februar gab es einen erneuten Prozess gegen den Attentäter von Halle und Wiedersdorf. Der Prozess wurde geführt, weil er sich im Dezmeber 2022 im Gefängnis selbst eine Waffe gebaut und zwei JVA Beamte als Geiseln genommen hatte, um aus dem Gefängnis auszubrechen. Die Motive spielten beim Prozess und Urteil keine Rolle. Aber hören wir deswegen auf? Nein. Das geht einfach nicht.
Zachor – erinnere dich! ist eines der zentralen Prinzipien des Judentums. Dafür ist es wichtig, den Stimmen der Angehörigen von Ermordeten und den Überlebenden zuzuhören, immer wieder und wieder. Melek Bektaş, wir hören dich. Und wir werden dir weiterhin zuhören.
Solange unsere Herzen schlagen, werden wir zuhören und für Aufklärung kämpfen. Und solange wir uns erinnern, werden wir gedenken.
Wir als Soligruppe 9. Oktober sind bei euch.
In Erinnerung an Burak Bektaş, in Erinnerung an Jana L. und Kevin Schwarze.
(Redebeitrag der Soligruppe 9. Oktober zum Gedenken an Burak Bektaş, 6.4.2024)
Post von Tekiez, …
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Gedenkiniative: Aktives Gedenken in Lichtenberg – Kurzer Redebeitrag zum Gedenken an Burak Bektas / 12. Todestag.
Liebe Familie Bektas, liebe Freunde und Engagierte. Danke das ich hier sein darf, um über rechte Kontinuitäten und Rassismus bei uns im Nachbarbezirk Lichtenberg zu sprechen.
Die Gedenkinitiative “Aktives Gedenken in Lichtenberg”, ist ein Bündnis aus Lichtenberg, die sich dem Gedenken an Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt verschrieben hat.
Wir gedenken Kurt Schneider, der 1999 am Urnenfriedhof von einer Gruppe Neonazis verfolgt und getötet wurde. Wir gedenken Eugeniu Botnari, der 2016 von dem Filialleiter des Edeka im Bahnhof Lichtenberg aus rassistischen und sozialchauvinistischen Motiven zu Tode geprügelt wurde. Seit vielen Jahren setzen sich Engagierte aus dem Kiez dafür ein, das Gedenken wach zu halten. Wir wollen um die Opfer trauern, und aufklären, wie groß die Gefahr des Rassismus ist. Nach vielen Jahren Gedenkarbeit, konnten wir bei Kurt Schneider eine Gedenktafel am Urnenfriedhof Lichtenberg installieren, und haben die Platzbenennung an Eugeniu Botnari am Bahnhof Lichtenberg erreicht.
Wir wissen aus der eigenen Arbeit wie zäh und mühsam solche Verfahren sind, aber wie wichtig es ist, das Gedenken wach zu halten und in der Stadt einen Raum, einen Platz zu haben, um innezuhalten.
Was uns aufgefallen ist: die Gedenkarbeit ist weitaus schwieriger, wenn der getöteten Person wie so oft die offizielle Anerkennung als Opfer rechter Gewaltverwehrt wird.
Dass sich Politik und Gesellschaft mit Benennung von Taten als rassistisch oder extrem rechts schwertut, zeigen auch eine Serie von Kellerbränden in Hohenschönhausen. Ich möchte euch nun von einer Brandserie im nördlichen Teil Lichtenbergs berichten, der uns seit über einem Jahr besorgt und Angst macht.
In Hohenschönhausen wurden seit Anfang 2022 mehr als 20 Keller in Brand gesteckt. Die Tatverdächtigen sind als rechte junge Männer im Bezirk bekannt. Sie haben geplant einen Geflüchtetenunterkunft anzugreifen und haben rassistische Drohschreiben verfasst, dass es weiter brennen würde, wenn die Migrationspolitik nicht gestoppt wird. Mehrfach sind sie mit rassistischen Aussagen, Hitlergrüßen und Brandstiftungen auffällig geworden. Angezündet wurden Müllcontainer, öffentliche Toiletten aber vor allem große Wohnhäuser mit jeweils über 20 Familien. Mehrere Familien verloren ihre Wohnungen, wurden mitten in der Nacht aufgeschreckt, weil sich der Rauch im Gebäude ausbreitete. Mehr als etwas Entschädigung für von Rauch und Löschwasser beschädigten Möbel gab es für Betroffene nicht. Die ständige Bedrohung als migrantische Bewohner*innen im Wohnhaus fand auch vor Gericht keine Ankerkennung- nein im Gegenteil die Betroffenen noch im Zeugenstand von einem der Tatverdächtigen verhöhnt und rassistisch beleidigt. Die Angst vor weiteren Bränden ist real.
Klar ist, dass nur durch massive Ermittlungsfehler der Hauptverdächtige in einem ersten Verfahren der Brandstiftung freigesprochen wurde. Ein Prozess gegen die restlichen Verdächtigen steht weiterhin aus, Betroffene warten seit Monaten vergeblich auf Klarheit. Stattdessen brennt es in Hohenschönhausen weiter.
Es ist nur schwer erträglich, dass diese Brände immer noch als Einzelfälle abgetan werden, oder davon berichtet wird ohne auf das geschlossen rechtsextremes Weltbild zu verweisen. Weder Bezirkspolitik noch Polizei scheinen sich für rechten Terror in migrantisierten Plattenbausiedlungen verantwortlich zu fühlen. Es zeigt sich mal wieder, dass Rassismus als zentrale Bedrohung für unsere Gesellschaft immer noch nicht in seiner Gefahr verstanden und ernst genommen wird. Nur durch die Aktiven vor Ort, wurden die Brände im Bereich des Rechtsextremismus kontextualisiert und eingeordnet. Weiterhin gibt es keine Informationen von Politik und Polizei für die Anwohner*innen, die weiterhin in der Sorge vor neuen Bränden leben müssen. Es zeigt sich erneut, dass wir uns nicht auf die Sicherheitsbehörden verlassen können. An dieser Stelle möchte ich nicht auslassen, darauf zu verweisen, dass die geistigen Brandstifter*innen in den Parlamenten sitzen. Rechte Parteien, allen voran die AfD haben dazu beigetragen den Hass gegen Minderheiten zu schüren und zu befeuern. Im Kontext der anstehenden Europawahl wird die rassistische Stimmungsmache weiter angeheizt werden.
Wir sind besorgt über rechte Kontinuität, die weiterhin Fahrt aufnimmt und längst im Alltag der Menschen verankert ist. Wir brauchen die Benennung und Verurteilung von rassistischen und rechtextremen Taten. Wir brauchen die Entschlossenheit Rassismus zu bekämpfen und Solidarität mit all jenen die davon betroffen sind. Das heißt für uns in aller erste Linie, dass wir über unseren Schatten springen müssen, ins Gespräch kommen mit den Nachbar*innen, ihnen mal eine Tasse Kaffee anbieten und fragen wie sie sich fühlen im Block, im Haus und in der Nachbarschaft. Eine solidarische Nachbarschaft ist die beste Voraussetzung, rechter Gewalt die Stirn zu bieten.
Wir gedenken heute an Burak Bektas.
Wir trauern mit den Angehörigen und Freund*innen.
Wir stehen zusammen und haben Hoffnung für eine solidarische Gesellschaft.
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Rede von Hufeisern gegen Rechts zum 12. Jahretag des Mordes an Burak Bektaş am 5.4.2012
„Wer Gedenken will, soll aufklären.“
Wir haben als Initiative zunächst gezögert, anlässlich des heutigen Tages, dem 12. Jahrestags des rassistischen Mords an Burak, hier zu reden. Nicht, weil wir das heutige Gedenken für unwichtig halten. Im Gegenteil! Solange der Anschlag unaufgeklärt ist und seine Täter frei herumlaufen, muss die Forderung nach Aufklärung der Tat und der Verurteilung der Täter immer wieder laut und vernehmlich gestellt werden. Und es ist ein Verdienst der Burak-Initiative und der Eltern und Verwandten von Burak, dass sie mit ihrer Beharrlichkeit, mit ihrem Stehvermögen dieses getan haben und weiterhin tun.
Gezögert habe wir, weil wir mittlerweile kaum noch wissen, was wir als „Hufeisern gegen Rechts“ sagen sollen, ohne das zu sagen, was bereits seit vielen Jahren immer wieder gesagt wird.
Seit 12 Jahren sind die Forderungen die gleichen, seit 12 Jahren gibt es hinsichtlich der Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden keinen Fortschritt. Im Gegenteil. Seit einigen Jahren steht mittlerweile die polizeiliche Aussage im Raum, dass es sich hier um den seltenen Fall eines „perfekten Mordes“ gehandelt habe. Was nichts anderes bedeutet: Die Ermittlungsbehörden haben kapituliert, eine Kapitulation, die sie durch ihre eigene Vorgehensweise herbeigeführt haben.
Ein rassistisches Motiv wurde ausgeschlossen, Hinweise auf die politische Zuordnung des Täters zur rechten Szene wurden nicht verfolgt und Indizien am Tatort nicht gesichert. Ja noch schlimmer: Erinnert sei an all die Hetze und die Worte: „Organisierte Kriminalität“, „Beziehungstat“ – es sind Verdächtigungen und Spekulationen, die den Angehörigen und uns allen Wut, Trauer und Entsetzen bereitetet haben und immer noch bereiten.
Erinnerungen auch zusätzlich zu dem Schmerz, dass ihnen ihr Sohn bzw. Freund durch einen Gewaltakt genommen wurde. Die Eltern, Verwandte und Freunde, wir alle wurden nicht als Opfer gesehen, nicht als Menschen, denen Leid zugefügt wurde. Wie unmenschlich und voller Vorurteile muss man sein? Und die Liste geht weiter: Polizei und Justiz – sie machten aus Opfern Verdächtige.
Und das ist nicht neu, nicht einmalig in der Bundesrepublik. Der Mord an Burak steht mit vielen anderen rassistischen Gewalttaten in einer Reihe. Ich sage nur Solingen, Mölln, Hanau. Sie sind nicht einfach Ortsnamen. Sie stehen für rassistische Tiefpunkte in unserem Land, in unserer Gesellschaft. Sie stehen als Beispiele, dass in unserem Land Opfer und Hinterbliebene und nicht die staatlichen Behörden Aufklärung vorantreiben müssen, um Gerechtigkeit zu erlangen, um den herrschenden Rassismus als Tatmotiv aufzudecken und zu brandmarken. Das ist die Realität in der Bundesrepublik Deutschland, der Gesellschaft, in der wir alle leben.
Der Anschlag auf Burak und seine Freunde darf nicht vergessen werden. Sie wurden niedergeschossen, einfach weil sie so aussahen, wie sie aussahen. Weil sie als Menschen mit migrantischer Herkunft gesehen wurden.
Gerechtigkeit ist auch nach zwölf Jahren noch nicht erreicht und somit auch keine Konsequenzen. Wie können wir da gedenken, wie können wir da erinnern?
Das Gedenken an Burak ist auch eine Anklage und ein Kampf für Gerechtigkeit. Seit zwölf Jahren sind viele von uns immer wieder den Aufrufen der Burak-Initiative gefolgt und haben auf Demonstrationen und Kundgebungen an den rassistischen Mord und den Rassismus und Nationalismus in unserem Land erinnert.
Die heutige Gedenkkundgebung steht unter der Überschrift: „Wer gedenken will, soll aufklären!“
Aufklären heißt für uns als Initiative „Hufeisern gegen Rechts“ mehr als nur die Täter ausfindig zu machen und zu bestrafen. Aufklärung heißt auch die Hintergründe der Tat offenzulegen und zu bekämpfen.
Gedenken und Aufklären bedeuten daher auch gegen Rassismus und Nationalismus hier und heute aufzutreten. Gemeinsam über alle Parteigrenzen, religiöse Auffassungen und Kulturen hinweg.
Denn es ist egal, woher wir kommen, unsere Schatten sind alle gleich und auch das Blut in uns allen ist rot!
Diese einfache Wahrheit ist in diesem Land der Täter keine Selbstverständlichkeit. Die AfD gewinnt trotz großer Proteste an Mitgliedern und wird von vielen gewählt. Ihre Äußerungen, ihr Handeln werden immer aggressiver. Für viele war es keine Überraschung, dass sich Faschisten und Rechtsextremisten treffen, um ihre menschenverachtenden Gedanken auszutauschen und Pläne zu schmieden. Pläne zur Ausgrenzung von Menschen, zur „Remigration“ wurden schon vor einigen Jahren von anderen Rechten gemacht, aber jetzt von einer Partei, die in einigen Bundesländern Mehrheiten hinter sich bringt.
Wir haben uns heute hier versammelt, um deutlich zu machen, dass wir uns alle als Betroffene dieser Entwicklung sehen. Wir sind aber keine hilflosen Opfer.
Wir alle müssen dazu beitragen, dass aus Erinnerung auch Veränderung wird.
Lasst uns heute hier gemeinsam aus der Trauer, der Wut und dem Unrecht, das geschehen ist und weiterhin in Neukölln und anderen Orten geschieht, zusammenstehen und uns für Konsequenzen, für Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen.
Denn unser Zusammenhalt, unsere Standhaftigkeit, unsere Solidarität sind ihre Niederlage!
Im Namen der Britzer Initiative HufEisern gegen Rechts danke ich euch.