2024-07-22 Redebeitrag zum OEZ-Anschlag-Gedenken in München (& in Berlin am Oplatz) – “We will shine for these Nine”

Am 22.7.2024 jährte sich der rechtsterroristische Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München zum achten Mal. Wir erinnern an: Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabine, Selçuk und Sevda.
Mehr Informationen unter: muenchen-erinnern

Bei der Kundgebung in Berlin auf dem Oranienplatz konnten wir einen Redebeitrag halten:

Wir sind von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş aus Berlin und freuen uns, das nicht nur in München den Opfern des OEZ-Anschlags gedacht wird und wir euch so von hier aus solidarische Grüße senden können und sagen:

Liebe Eltern, liebe Angehörige, liebe Überlebende und liebe Unterstützer*innen der Initiative München erinnern,

gemeinsam wollen wir heute mit euch euren Liebsten, den Ermordeten des rechten Terroranschlags vom 22. Juli 2016 gedenken. Sie wurden vor 8 Jahren gewaltsam aus ihrem Leben, aus eurem Leben gerissen. Wir trauern um Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabine S., Selçuk Kılıç und Sevda Dağ.

Das Motiv des Täters war antimuslimischer Rassismus und Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja. Dass der Anschlag nun auch als ein rechter Terroranschlag anerkannt und bekannt ist, ist euch, Angehörige, Überlebende und solidarischen Menschen zu verdanken.

Euer Kampf um Aufklärung, euer Aufstehen für eure Liebsten kostet Kraft, sehr viel Kraft. Und er ist nicht nur wichtig für euch, sondern für uns alle. Zurecht sagt ihr, es ist nicht nur eure Geschichte. Rechter Terror, Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja und Antisemitismus trifft uns alle, ob in München, Bayern, bundesweit oder weltweit.

Der Anschlag von vor 8 Jahren ist vielen Menschen in München präsent, sie erinnern sich, was sie gemacht haben, wo sie waren, um wen sie Angst hatten. Die überwiegende Mehrheit der Menschen war erleichtert, dass niemand aus ihrem nahen Umfeld betroffen war und es blieb für sie eine Erinnerung ohne Konsequenzen. Ihr aber, Angehörige, Betroffene und Überlebende des Terroranschlags wurdet in eurer Trauer alleine gelassen und ebenso im Kampf um Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen. Euer Wunsch und eure Forderung ist es, dass sich eure Mitmenschen in München und bundesweit solidarisieren.

Auch die Familie von Burak Bektaş aus Berlin-Neukölln fordert Solidarität. Gemeinsam mit der Familie von Burak und anderen solidarischen Menschen versuchen wir von der Burak-Initiative zu verhindern, dass der Mord an Burak Bektaş vergessen wird und fordern Aufklärung und Solidarität. Burak wurde am 5. April 2012 im Alter von 22 Jahren ermordet. Der Mord an ihm und der Mordversuch an 4 seiner Freunde vor nun über 12 Jahren ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Selbstenttarnung des NSU lag zum Zeitpunkt des Mordes nur wenige Monate zurück. Der Tathergang entsprach dem des NSU. Die Berliner Ermittlungsbehörden haben sich jedoch geweigert, ein rassistisches Mordmotiv zu verfolgen. Auch müssen wir aktuell den parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer wieder dazu auffordern, die rechten, rassistischen Strukturen in den Berliner Ermittlungsbehörden zu sehen und zu untersuchen. Ansonsten können die über 100 unaufgeklärten rechten, rassistischen und antisemitischen Verbrechen und die beiden Morde an Burak und Luke Holland in Berlin-Neukölln nicht aufgeklärt werden.

Die Stimmen der migrantischen Communities haben sich seit Jahrzehnten klar zu rechter, rassistischer Hetze und Gewalt geäußert. Staatliche Vertreter*innen, Medien und weite Teile der Mehrheitsgesellschaft dagegen versuchen diese Stimmen zum Schweigen zu bringen. Nach der Selbstenttarnung des NSU initiierten Angehörige und Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt 2014 eine bundesweite Vernetzung. Hieraus sind auch Veranstaltungen wie die NSU-Tribunale entstanden. Die NSU-Tribunale gehen Forderungen der Angehörigen nach, Forderungen, die weder Staat noch Gerichte als Aufgabe für sich auch nur ansatzweise begreifen.

Melek Bektaş, Buraks Mutter sagte in ihrer Rede auf dem NSU-Tribunal 2017 in Köln:

„Ich habe hier gesehen, wie viele Opfer es gibt. Wie viele gibt es noch von ihnen, von denen wir noch nichts wissen? Wenn wir schweigen, wird das immer wieder passieren. Jetzt ist die Zeit unseres Schweigens vorbei, wir werden nicht mehr schweigen. … Dieses System des Rassismus soll nicht so weitergehen. Ich habe hier gesehen, wenn wir Hand in Hand gehen, dann werden wir stärker.“

Ihr, die Initiative München erinnern, seid bundesweit vernetzt. Ihr erhebt laut eure Stimmen und kämpft mit anderen solidarisch an ihrer Seite. Euer Scheinen ist keine Zukunft, sondern Gegenwart. Und eurer Liebsten wird heute bundesweit an vielen Orten erinnert, ihre Namen genannt. So auch hier am Oplatz zeitgleich mit der Gedenkveranstaltung in München und an anderen Orten – und wir sagen:

We shine for Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabina, Selçuk und Sevda.

Für eine gegenseitige Anteilnahme und gegen das Vergessen!

Für eine Gesellschaft, in der sich alle solidarisieren wenn es zu rechter Meinungsmache, rassistischer Hetze, rechter und faschistischer Gewalt kommt. Euer Kampf sollte unser aller Kampf sein!

Alle gemeinsam gegen den Faschismus!