2024-08-26 Redebeitrag zum 40. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Duisburg am 26.8.1984

Am Montag, den 26.08.2024 um 17 Uhr wurde an 40 Jahre tödlicher Brandanschlag auf das Haus in der Warnheimer Straße 301 in Duisburg erinnert. Vor 40 Jahren starben durch den rassistisch motivierten Brandanschlag 7 Angehörige der Familie Satır und Turhan und 23 weiter wurden verletzt. Mehr Informationen unter Intitiative Duisburg 26. August 1984 / facebook.

Wir konnten einen Redebeitrag bei der Gedenkveranstaltung halten – (unser Redebeitrag als Audio archive.org / mp3):

Liebe Angehörige, Betroffene und Überlebende des Brandanschlags auf das Haus hier in Duisburg-Wanheimerort, liebe Unterstützer*innen,
gemeinsam wollen wir heute mit euch euren Liebsten, den Ermordeten des rechten, rassistischen Brandanschlags vom 26. August 1984 gedenken. Vor genau 40 Jahren wurden sie gewaltsam aus ihrem Leben, aus eurem Leben gerissen. Wir trauern mit euch um Ferdane Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Songül Satır, Ümit Satır, Çiğdem Satır und Tarık Turhan. Und wir trauern mit euch um Ramazan Satır, der bei dem Anschlag seine Frau, vier seiner Kinder, seinen Enkel und seinen Schwiegersohn verlor und selbst knapp ein Jahr später bei einem Autounfall stirbt.

Lange Zeit, sehr lange Zeit seid ihr, die Betroffenen und Überlebenden des rassistischen Brandanschlags alleine gelassen worden, in eurem Schmerz, in eurer Trauer. Dass ihr heute, 40 Jahre nach dem Anschlag nicht mehr alleine seid, ist Ergebnis eures langen und mühsamen Kampfes. Die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden hatten von Beginn an ein politisches Motiv ausgeschlossen und Jahre später wurde eine sogenannte psychisch kranke Einzeltäterin für die Tat verantwortlich befunden. Die Berichterstattung über den Brandanschlag war widersprüchlich, Menschen mit Migrationsgeschichte wurden kriminalisiert, Nazisymbole ignoriert und die Medien sowie Öffentlichkeit verloren erschreckend schnell das Interesse. Und die Namen der Opfer werden in der deutschen Presse nicht genannt, sie bleiben gesichtslos und die Perspektive der Betroffenen wird nicht erfragt.

Der Brandanschlag reiht sich ein in den rechten, rassistischen und antisemitischen Terror in Deutschland nach 1945, nach dem Holocaust, nach dem vermeintlichen Ende vom Faschismus. Es sind unzählige Opfer zu betrauern, und ihre Geschichten sind zum Teil noch nicht erzählt.

Bis heute ist der Brandanschlag hier in Duisburg-Wangheimerort von Seiten der Behörden nicht anerkannt als ein rechter, rassistischer Anschlag. Aber ihr lasst euch eure Stimme nicht nehmen. So sprach Aynur Satır deutliche Worte auf der Pressekonferenz am 11. März in diesem Jahr in Berlin; die Pressekonferenz kann als Gegenveranstaltung zur Veranstaltung der Bundesregierung anlässlich des Nationalen Gedenktages für Opfer terroristischer Gewalt verstanden werden und wurde von dem bundesweiten Solidaritäts-Netzwerks von Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt organisiert. Aynur sagte in ihrer Audio-Botschaft: „Wenn ich nicht eingeladen werde bedeutet das für mich, dass Sie [die Bundesregierung] von mir als Betroffene nichts hören und nichts wissen wollen. Ich lasse mich aber nicht zum Schweigen bringen. Es reicht, dass immer noch rassistische Gewalt passiert.“ Und sie sagt weiter „wie lange sollen wir noch um Anerkennung kämpfen?“.

Auch Melek Bektas, die Mutter von Burak Bektaş sprach auf der Pressekonferenz und formulierte in ihrer Ansprache an die Regierung die Forderung „wer gedenken will, soll aufklären“. Burak wurde am 5. April 2012 im Alter von 22 Jahren ermordet. Der Mord an ihm und der Mordversuch an 4 seiner Freunde vor nun über 12 Jahren ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Selbstenttarnung des NSU lag zum Zeitpunkt des Mordes nur wenige Monate zurück. Der Tathergang entsprach dem des NSU. Die Berliner Ermittlungsbehörden haben sich jedoch geweigert, ein rassistisches Mordmotiv zu verfolgen. Auch müssen wir aktuell den parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer wieder dazu auffordern, die rechten, rassistischen Strukturen in den Berliner Ermittlungsbehörden zu sehen und zu untersuchen. Ansonsten können die über 100 unaufgeklärten rechten, rassistischen und antisemitischen Verbrechen und die beiden Morde an Burak und Luke Holland in Berlin-Neukölln nicht aufgeklärt werden.

Die Stimmen der migrantischen Communities haben sich seit Jahrzehnten klar zu rechter, rassistischer Hetze und Gewalt geäußert. Staatliche Vertreter*innen, Medien und weite Teile der Mehrheitsgesellschaft dagegen versuchen diese Stimmen zum Schweigen zu bringen. Nach der Selbstenttarnung des NSU initiierten Angehörige und Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt 2014 eine bundesweite Vernetzung. Hieraus sind auch Veranstaltungen wie die NSU-Tribunale entstanden. Die NSU-Tribunale gehen Forderungen der Angehörigen nach, Forderungen, die weder Staat noch Gerichte als Aufgabe für sich auch nur ansatzweise begreifen.

Melek Bektaş, Buraks Mutter sagte in ihrer Rede auf dem NSU-Tribunal 2017 in Köln:
„Ich habe hier gesehen, wie viele Opfer es gibt. Wie viele gibt es noch von ihnen, von denen wir noch nichts wissen? Wenn wir schweigen, wird das immer wieder passieren. Jetzt ist die Zeit unseres Schweigens vorbei, wir werden nicht mehr schweigen. … Dieses System des Rassismus soll nicht so weitergehen. Ich habe hier gesehen, wenn wir Hand in Hand gehen, dann werden wir stärker.“

Der rechte, rassistische Brandanschlag vom 26. August 1984 ist nicht mehr der vergessene Brandanschlag. Das habt ihr, Angehörige, Betroffene und Überlebende und euch solidarische Menschen erreicht.

Wir fordern die Anerkennung des Brandanschlags vom 26. August 1984 als einen rassistischen Anschlag!
Wir fordern Solidarität mit den Angehörigen, Betroffenen und Überlebenden des Anschlags hier in Duisburg und bundesweit!
Die Perspektive von Betroffenen rassistischer Gewalt muss gehört werden und in die Geschichtsschreibung eingehen!

Und wir erinnern an Ferdane Satır, Zeliha Turhan, Rasim Turhan, Songül Satır, Ümit Satır, Çiğdem Satır und Tarık Turhan.