Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş hat zur Beobachtung des Prozesses gegen Rolf Z., den mutmaßlichen Mörder von Luke Holland, aufgerufen: link
Es folgt ein (subjektiver) Prozessbericht der Antirassistischen Initiative vom 2. Prozesstag (16.3.2016):
Am 20. September 2015 um ca. 6 Uhr wurde Luke Holland in der Ringbahnstraße in Berlin-Neukölln erschossen. Am selben Tag wurde Rolf Z. als mutmaßlicher Mörder verhaftet. In seiner Wohnung wurden Waffen (u.a. die Tatwaffe) und nationalsozialistische Devotionalien gefunden. In der Akte zur Ermordung Buraks findet sich ein Hinweis vom Dezember 2013 auf Rolf Z. als Tatverdächtigen. Diesem wurde nicht nachgegangen. Ist somit die Polizei mitschuldig an der Ermordung von Luke Holland? Buraks Ermordung kommt trotzdem nicht in der Anklage gegen Rolf Z. vor.
Der Prozess gegen Rolf Z. ist auf 10 Prozesstage bis zum 25. April 2016 angesetzt und findet im Moabiter Gerichtsgebäude unter Hochsicherheitsmaßnahmen statt. U.a. werden Prozessbeobachter schikanös durchsucht. Als Grund dafür nannte der Richter seine Nachfrage beim LKA Berlin, welche Folgen zu befürchten seien, da auf dem Burak-Blog (damals: http://burak.blogsport.de, heute: https://burak.blackblogs.org) zur Prozessbeobachtung aufgerufen werde. Das LKA schätze ein, dass es deshalb zu Auseinandersetzungen im Gerichtssaal kommen könne, da der Burak-Blog ein antirassistischer und antifaschistischer Blog sei.
Der Prozessauftakt fand am Montag den 14. März 2016 statt. Als Nebenkläger sind die Eltern von Luke Holland aus Manchester mit ihren Anwälten Mehmet Daimagüler und Onur Özata bei den Prozesstagen anwesend.
Am Mittwoch, den 16. März, fand der 2. Prozesstag statt.
Ein Polizei-Sachverständiger stellte seine Untersuchung der Schmauchspuren (Spuren von einem Schuss aus einer Waffe) an der Schrotflinte/gewehr, an der Kleidung von Luke Holland und an den Händen, der Kleidung und in der Wohnung von Rolf Z. vor. Er fand dieselben Schmauchspuren, eine Mischung aus Aluminium, Blei, Barium und Antimon sowohl an der Schrotflinte/gewehr, an Lukes Kleidung und an Rolf Zs Handkante, seinem Mantel, seiner Jacke und am Türknauf seiner Wohnung von außen.
Direkt im Anschluss stellte ein weiterer Sachverständige das DNA-Gutachten vor. An Rolf Zs Kleidung und Stiefeln gab es kein Blut von Luke Holland, aber die Untersuchung der Schrotflinte/gewehr auf DNA zeigte, dass da Rolf Zs DNA an Schaft, Griff (und weiteren Stellen) “dominant” und viel vorhanden ist, er also mit dieser Waffe geschossen haben muss.
Die Indizien dafür, dass Rolf Z. der Täter war, sind schon recht erdrückend.
Nach der Mittagspause berichtete eine Ärztin aus der Notaufnahme des Krankenhaus Neukölln, wie Luke Holland schwer verletzt mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme gebracht wurde. Sein Kreislauf wurde durch eine Beatmungsmaschine aufrecht erhalten. Die Augen waren weit geöffnet und starr, ein eigener Puls nicht mehr vorhanden. Nachdem sie die Tupfer etc., die die Blutung aus dem linken Bauchraum stoppen sollte, entfernte, sah sie ein 7 bis 8 Zentimeter großes Einschussloch im linken Bauch von Luke Holland und konnte Schrottkugeln im gesamten Bauchraum ertasten. Die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen und stellten die technischen Geräte ab. Die Zeugin meinte, einem Menschen aus nächster Nähe mit einer Schrottflinte in den Bauch zu schießen sei extrem grausam, da der Mensch dann unter großen Qualen stirbt. Das Notaufnahmeteam war entsetzt, wegen dieser extrem brutalen Tat, die Zeugin zeigte ihre Empörung über diese Untat deutlich.
Anschließend berichtete der Mediziner, der die Obduktion durchgeführt hatte. Sämtliche inneren Organe waren durch den Schrotschuss schwer verletzt, Teile der Hauptschlagader und der Hauptvene im Bauch nicht mehr vorhanden, die Leber zerfetzt, Schrotkugeln in die Knochen eingedrungen. Es war unmöglich Luke am Leben zu erhalten. Er ist innerlich verblutet. Außerdem hat Luke einen Durchschuss an der linken Hand. Ob er versucht hat das Gewehr noch wegzureißen oder einfach nur das Handy von seinem gerade beendeten Telefonat in der linken Hand hielt und diese zufällig direkt vor den Lauf der Mordwaffe kam, war nicht zu klären.
Anschließend wurde eine gefühlte Ewigkeit über Lukes Blutalkoholwert gesprochen.
Dann fragte die Nebenklage, ob die Eltern von Luke Holland sich zu ihrem Sohn einlassen könnten. Das Gericht schlug “sofort” vor. So befanden sich Lukes Eltern auf einem Mal im Zeugenstand. Zuerst berichtete Phil Holland tief bewegt über seinen auf so schreckliche Art verlorenen Sohn und dann Rita Holland. Beide betonten, wie gut sie sich mit ihm verstanden, dass sie ausgiebig Kontakt mit ihm hatten, dass er sehr viele Freunde und Freundinnen aus allen Kulturen hatte, dass er das Leben liebte. Und sie es immer noch nicht fassen können, das sie seine häufigen SMS, Nachrichten und Anrufe nicht mehr erhalten. Sie müssen jetzt eine Traumabehandlung besuchen, um den schrecklichen Verlust verarbeiten zu können. Und haben zu vielen über hundert für sie neuen jungen Menschen Kontakt, die sich bei ihnen gemeldet haben, da sie ihren Sohn sehr schätzten. Der unerträgliche Schmerz der Eltern ging nicht nur mir unter die Haut.
Nach dem Statement der Eltern Holland wurden mehrere Anträge gestellt. Bereits zu Beginn des Prozesses hatte die Verteidigung berichtet, dass die Polizei bei Frau K., der Mitbewohnerin und ehemaligen Lebensgefährtin/Ehefrau von Rolf Z., am Dienstag nach dem Prozessbeginn (15.3.2016) zu Hause war. Sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft behaupteten, sie hätten nichts damit zu tun. Wie dem auch sei, auf jeden Fall war die 5. Mordkommission, die auch die Ermittlungen zur Ermordung von Luke Holland durchführte, bei Frau K. – und sie lud die Polizei in die Wohnung ein und “unterhielt” sich mit dieser. Die Verteidigung sah erstmal von ihrem Antrag auf Prozessaussetzung ab.
Soll hier dafür gesorgt werden, dass die Zeugin Frau K. zur Angeklagten wird, und so nicht mehr aussagen muss? Oder soll ihre Zeugenaussage verändert werden?
Abschließend beantragte die Nebenklage einen Zeugen zu hören, der nach der Ermordung von Burak Bektaş im Dezember 2013 der Polizei einen Hinweis auf Rolf Z. gegeben hatte. Dieser hatte sich bei ihm u.a. 9 Millimeter Munition für eine mitgeführte illegale Waffe besorgen wollen. Ebenfalls beantragte die Nebenklage, die Unterlagen über eine Durchsuchung der Wohnung von Rolf Z. von 2006 beizuziehen. Die Wohnung wurde damals wegen illegalem Waffenbesitz durchsucht und 75 Schuss Munition gefunden.
Sowohl Gericht als auch Verteidigung und Staatsanwaltschaft wollten dies unbedingt verhindern. Der Richter schrie die Nebenklage an, der Verteidiger von Rolf Z. sprach von “Missbrauch” des Verfahrens und die Staatsanwaltschaft warf der Nebenklage vor, in diesem Prozess auch noch einen anderen Fall lösen zu wollen. Was ist das für ein Vorwurf? Wäre es nicht gut, wenn noch ein weiterer Mord, der Mord an Burak Bektaş endlich aufgeklärt werden könnte? Warum nicht in diesem Verfahren?
Aber die politischen Vorgaben für diesen Prozess scheinen andere zu sein. Da wird behauptet, obwohl illegaler Waffenbesitz teil der Anklage ist, dass früherer illegaler Waffenbesitz genau desselben Angeklagten nicht interessiere. – Und natürlich würde es darüber keine Akten mehr geben, obwohl im Dezember 2013 in den Burak-Ermittlungen angeblich die gefundene Munition noch abgeglichen werden konnte. Sollten die Akten vernichtet worden sein, nachdem ein Zusammenhang zum Burak-Verfahren in den Bereich des Möglichen geriet, wäre das ein Skandal.
Da wurden Gericht und Staatsanwaltschaft mal wieder zu Verteidigern des Angeklagten. Wie aus dem NSU-Prozess bekannt, wo das Netzwerk des NSU nicht vorkommen darf, was den NSU zu einer nicht mehr existierenden Terrorgruppe schrumpfen lässt.
So darf Rolf Z. nur der Mörder von Luke Holland sein, so lauten offensichtlich die politischen Vorgaben für diesen Prozess.
Wenn der Antrag der Nebenklage angenommen werden sollte, wäre es zumindest eine Überraschung nach diesem Showdown mit der Nebenklage zum Abschluss dieses emotional aufwühlenden Prozesstages.
Kommt zur Prozessbeobachtung:
montags & mittwochs jeweils 9 Uhr
23.3., 4.4., 6.4., 11.4., 13.4., 18.4. und 25.4.2016
Saal 500, Nebeneingang links neben dem Haupteingang
Gericht Turmstraße 91, 10559 Berlin
Kommt zur Demonstration zu Buraks 4. Todestag am Samstag 9. April 2016 – 14:00 Uhr
Berlin: Rudower Straße 51, gegenüber dem Krankenhaus Neukölln