Vertreter*innen des Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag in Mölln 1992 und der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş eröffnen die Möllner Rede im Exil.
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Liebe Gäste Hallo, herzlich Willkommen zu unserer Gedenkveranstaltung Möllner Rede im Exil 2017.
Eröffnungsrede „Möllner Rede im Exil 2017“ vom „Freundeskreises im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992“:
Liebe Familien Arslan, Yılmaz, Bektaş, Taşköprü und Avcı. Liebe Esther Bejarano.
Wir freuen uns sehr, dass wir heute hier zusammen sind. Im Gedenken an Ayşe, Yeliz und Bahide. (Und mit unseren Gedanken auch bei Burak, bei Süleyman, Ramazan, bei Ruth, Margarete und Rudolf. Und den vielen, unzähligen Menschen, die dem Hass deutscher Nazis von damals bis heute zum Opfer gefallen sind.
Wir wollen euch alle im Namen des Freundeskreises im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992 und der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş begrüßen. Die Nazis wollten mit ihren Taten Angst und Schrecken, Hass und Vereinzelung erreichen, als sie vor 25 Jahren den Brand legten. Sie haben unsagbares Leid verursacht.
Aber wenn ich an die Freundschaft und die Liebe denke, die im Raum ist, wenn wir uns treffen, wenn ich die vielen wunderbaren Menschen hier im Raum sehe, die heute für Ayşe, Yeliz und Bahide und für euch gekommen sind, dann bin ich sicher, dass sie am Ende ihr Ziel nicht erreichen werden.
Und damit möchten wir auch euch alle willkommen heißen, die heute hier sind, um mit uns zusammen zu erinnern. Danke, dass ihr da seid. Dass so viele Menschen gekommen sind – genau wie in den letzten Jahren in Hamburg, Lüneburg, Bremen und Köln – zeigt, dass es richtig war, ins Exil zu gehen. Weg von Mölln, da hin, wo Menschen sind, die zuhören und erinnern wollen. Schön, dass es euch gibt.
Danke auch an das Hebbel am Ufer, dass wir heute hier sein können und dass ihr das Erinnern mit euren Möglichkeiten unterstützt.
Mölln – Geschichte und Geschichte der Rede im Exil
Vor fast genau 25 Jahren, am 23.11.1992 wurde das Haus der Familie Arslan von zwei Neonazis mit Molotow-Cocktails angezündet. In dieser Nacht wurden die 10jährige Yeliz Arslan, die 14jährige Ayşe Yılmaz – die gerade zu Besuch aus der Türkei war – und die 51jährige Bahide Arslan ermordet. Weitere Familienmitglieder wurden teilweise sehr schwer verletzt. Direkt zuvor hatten die Nazis bereits einen Brandanschlag auf die Ratzeburger Straße 13 in Mölln verübt. Neun Menschen wurden schwer verletzt.
In diesem Jahr 1992 begann eine Welle rassistischer Gewalt. Nur zwei Tage vor dem Anschlag in Mölln wurde hier in Berlin der Antifaschist Silvio Meier von Nazis erstochen.
Seit 25 Jahren kämpft die Familie Arslan um ein würdiges Erinnern. Gegen das Schweigen und Vergessen in der Stadt Mölln. Und gegen die Ignoranz gegenüber ihrer Trauer und ihren Forderungen.
Aus Ignoranz wurde dann auch die Möllner Rede nach vier Jahren aus der offiziellen Gedenkveranstaltung gestrichen.
Seit 2013 findet die Möllner Rede deshalb im Exil statt. Dank Menschen wie euch und für Menschen wie euch. Die die Stimmen der Betroffenen, der Überlebenden, hören wollen. Seitdem ist viel passiert. Viele Menschen haben ihre Solidarität gezeigt und sich an die Seite der Familie gestellt. Aber vor allem haben immer mehr Betroffene sich zusammen getan und Kraft gefunden, ihr Stimmen zu erheben und ihre Geschichten zu erzählen. Dafür sind wir dankbar, denn wir brauchen eure Stimmen. Und deshalb sind wir heute auch zu Gast bei der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.
Redebeitrag der „Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş”:
Der Mord an Burak Bektaş geschah am 5.April 2012, es waren nur wenige Monate vergangen nach dem Auffliegen des NSU. Ein weißer Mann kam aus dem Dunkeln und schoss auf eine Gruppe von fünf Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die sich an einer Bushaltestelle unterhielten, und ging ruhig weg.
Burak Bektaş starb an seinen Verletzungen, 2 seiner Freunde überlebten schwer verletzt.
Verunsicherung ging um sich innerhalb der migrantischen Communities.
Es war an der Zeit Konsequenzen zu ziehen aus den Morden des NSU und dem Komplex des Schweigens und Vertuschens aus Verfassungsschutz, Polizei und Justiz, aus Politik und Medien und auch der schweigenden Mehrheit der Gesellschaft.
Wir wurden wachsamer. Wenn ein Mord an einem Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund geschieht, muss von einem rassisstischen Mordmotiv ausgegangen werden, solange bis die Ermittelnden Behörden uns das Gegenteil beweisen. Eine INITIATIVE gründete sich, die “Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.”
Wir wollten eine Vernetzung mit anderen Angehörigen und Betroffenen rassistischer-faschistischer Gewalt, Freundinnen und Freunden und Initiativen. Beim Birlikte Fest, anlässlich des 10. Jahrestages des Anschlags auf die Keupstraße in Köln kamen viele Initiativen und Aktivist_innen bundesweit zusammen.
Dort lernten wir auch Ibrahim Arslan kennen. Schnell wurde eine bundesweite solidarische Vernetzung hergestellt. Das Kennenlernen der Familie Arslan, Ibrahim Arslan, dem überlebenenden Jungen des Möllner Brandanschlags und Melek Bektaş der Mutter des Ermordeten Burak Bektaş war sehr wichtig für unsere Arbeit mit Familie Bektaş.
Viele von uns haben die rassistischen Anschläge und Morde der 80´er und der 90´er Jahre in Deutschland miterlebt. Wir haben angeklagt in Hamburg nach dem Mord an Ramazan Avcı 1984. Wir waren in Hoyerswerda, in Rostock, in Berlin und in Mölln und in Lübeck und haben erinnert und angeklagt.
Als die Morde an 9 Migranten und Anschläge folgten seitens des NSU waren es die Angehörigen und Betroffenen, die sich schwer kämpfend Gehör verschaffen mussten. „Wir wollen kein 10.Opfer!“, riefen die Familien Şimşek, Kubaşık und Yozgat….
In Dessau wurde vor 12 Jahren Oury Jalloh in einem Polizeirevier ermordet. Nach fast 12 Jahren unermüdlichem Kampf, nach der Forderung einer unabhängigen Untersuchungskommission, wird jetzt seitens der Ermittlungsbehörden zugegeben: Oury Jalloh das war Mord.
Heute sind wir alle gemeinsam hier, um mit Familie Arslan und Familie Yılmaz Bahide und Yeliz und Ayşe zu gedenken.
Vorstellung der Rednerin der Möllner Rede im Exil 2017 Esther Bejarano vom „Freundeskreises in Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992“:
Unsere heutige Rednerin hat sie alle erlebt. Die Nazis der 40er Jahre, die ihre Eltern und ihre Schwester ermordeten und die später von nichts gewusst haben wollten. Und die neuen Nazis, die den alten Hass säten und wieder zum Mord aufriefen. Die Möllner Rede im Exil sollte heute Esther Bejarano halten:
Die 92jährige Musikerin überlebte als Jugendliche Auschwitz und hat selbst viele liebe Menschen verloren.
Sie ist zugleich Zeitzeugin nicht nur ihres eigenen jahrzehntelangen Kampfes gegen (Neo-) Nazismus und Rassismus. Sie setzt sich politisch und mit Musik gegen Rassismus ein. Esther Bejarano ist schon lange aktiv im Auschwitz Komitee.
Seit einigen Jahren singt und rappt Esther Bejarano gemeinsam mit der Microphone Mafia, gibt Konzerte, geht in Schulen, erzählt ihre Geschichte.
Wir waren SEHR glücklich, als SIE uns zugesagt hat, die Möllner Rede zum 25. Jahrestag in Gedenken an Bahide, Ayşe und Yeliz zu halten.
Zum Redner der Möllner Rede im Exil 2017 Joram Bejarano, dem Sohn von Esther Bejarano (von der Burak-Initiative):
Leider haben wir gestern erfahren, dass Esther krank ist und sehr traurig ist, dass sie heute nicht hier bei uns sein kann.
Wir wünschen ihr von hier die allerbeste Genesung von uns allen und senden die herzlichsten Grüße.
Statt ihrer wird jetzt Joram, ihr Sohn, ihre wundervolle Rede lesen. Es ist wirklich traurig, dass Esther nicht hier sein kann. Es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass die nächsten Generationen das Erinnern weitertragen.
Wir freuen uns und danken dir, lieber Joram, dass du heute anstelle deiner Mutter sprichst und überlassen dir die Worte.
Kommt zur Gedenkfeier vor dem Bahide-Arslan-Haus in Mölln am
Donnerstag, den 23.11.2017 von 15.00-19.00 Uhr