Am 14. Februar 2021 wäre Burak 31 Jahre alt geworden. Wir waren mit fast 100 Menschen am Gedenkort Burak Bektaş.
Erinnern heißt kämpfen. Kämpfen heißt erinnern.
Niemand wird vergessen.
Hier die Redebeiträge und wenige Fotos:
Grußbotschaft von AktivistInnen von Trotz alledem!
Liebe Familie Bektaş, Verwandte und FreundInnen von Burak
Liebe anwesende AntirassistInnen und AntifaschistInnen
Die Zeit heilt keinen Schmerz. Die Wunde in den Herzen der Familie und FreundInnen von Burak wird sich nie schließen. Sie schmerzt aber um so mehr als der Mörder von Burak auch nach 9 Jahren immer noch nicht gefasst ist. Der Mörder, wie so viele andere hunderte faschistische Mörder vom NSU-Komplex, von Oury Jalloh, um nur zwei Beispiele zu nennen, sie sind im wahrsten Sinne des Wortes unter uns. Auch heute, auch morgen werden sie weiter mordend durch dieses Land ziehen. Wenn wir heute an das kurze Leben von Burak, an seine Geburt, an die Freude seiner Familie erinnern, versuchen wir ihnen beizustehen in diesem unendlichen Kummer über den Verlust. Aber auch mit der festen Entschlossenheit, darum zu kämpfen seinen Mörder dingfest zu machen, uns gegen den Rassismus in Staat, Politik und Gesellschaft zu erheben, der diese Mordtat hervorgebracht, geduldet und nicht aufgeklärt hat. Burak wird in allen Herzen aber vor allem in euren Herzen, und in dem Kampf um die Gerechtigkeit, im gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Faschismus, weiterleben.
Wir werden nicht ruhen, bis die Morde lückenlos aufgeklärt sind .
Redebeitrag der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş
Liebe Familie Bektas, liebe Angehörige, liebe Melek, lieber Ahmet, liebe Melike, lieber Fatih, liebe Freunde und Freundinnen,
heute wäre Burak 31 Jahre alt geworden. Aber er wurde am 5. April 2012 wenige Schritte von hier erschossen. Zwei seiner Freunde wurden schwer verletzt. Wir treffen uns immer an Buraks Geburtstag an dieser Stelle oder am Ort seines Todes, um zu erinnern und um anzuklagen: Findet seinen Mörder!
Seit neun Jahren stehen Menschen an diesem Ort oder direkt am Tatort und erinnern an ein Verbrechen, das noch immer nicht aufgeklärt wurde. An ein Verbrechen, von dem wir fragen: War Rassismus das Motiv?
Der Mörder wurde nie gefasst. Vielleicht läuft er hier immer noch herum oder vielleicht war es aber doch, wie viele vermuten Rolf Zielezinski. Er hat 2015 den Briten Luke Holland in der Ringbahnstraße erschossen. Er kannte Luke Holland nicht, ist ihm nie begegnet. Die Polizei behauptet, dass es keinen Zusammenhang gäbe zwischen den beiden Morden. Wir fragen: Wie kann sie das behaupten? Buraks Mutter hat schon oft gefragt, wie diese Einschätzung zustande kommt.Die Ermittler behaupten, es gäbe keinerlei Indizien dafür, dass Zielezinski auf Burak und seine Freunde geschossen haben könnte. Wir wissen, dass das nicht wahr ist. Warum also tun sie das?
Wir stehen hier, weil wir Aufklärung fordern. Die Familie und wir alle haben das Recht zu wissen, wer Burak ermordet hat.
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Viele Menschen in Neukölln werden immer wieder in Angst und Schrecken versetzt. Es gibt eine große Zahl von Brandstiftungen, Bedrohungen, rassistischen, rechten, antisemitischen Angriffen. Neukölln gehört zu den Bezirken mit den meisten Angriffen in Berlin. Keine der Taten wird aufgeklärt. Und das beobachten wir seit vielen Jahren.
Die Forderung der Betroffenen nach einem Untersuchungsausschuss wurde bisher nicht erfüllt. Stattdessen wurde eine „Besondere Aufbaugruppe“ der Polizei beauftragt, alle Fälle einschließlich den Morden an Burak und Luke zu untersuchen. Die letzten Sommer bekannt gewordenen Ergebnisse dieser BAO Fokus sind enttäuschend. Es gibt keine neuen Beweise und keine Aufklärung. Nun überprüft eine Sonderkommission die Ermittlungsarbeit der Polizei.
Der Neukölln-Komplex ist nicht nur ein Polizei-, sondern auch ein Justizskandal. Im August 2020 zog die Berliner Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren im Neukölln-Komplex an sich. Der Grund: Bei zwei der ermittelnden Staatsanwälte besteht der Verdacht auf Befangenheit. Ein Leiter der Staatsschutzabteilung vermittelte einem Verdächtigem, er brauche sich nicht zu sorgen, er sei selbst AFD-Wähler.
Vor Weihnachten dann wurden zwei bekannte Nazis als Hauptverdächtige in der Anschlagsserie festgenommen. Einen Monat später sind beide wieder auf freiem Fuß.
Zur gleichen Zeit begeht ein Unbekannter einen Anschlag auf den Gedenkort: Das Denkmal wird mit weißer Farbe übergossen. Wir können den Schaden beseitigen. Ob der Täter gefasst wird? Wir glauben kaum daran.
Melek Bektaş sagt angesichts des neuen Farbanschlags: „Sie werden nicht aufhören“. Sie, die Nazis und Rassisten in Neukölln und anderswo werden nicht aufhören. Auch Ferat Koçak erhält weiterhin Drohungen. Warum sollten sie auch aufhören. Sie haben nichts zu befürchten: Nicht von Besonderen Aufbau Organisationen, nicht von SonderermittlerInnen und schon überhaupt gar nicht von der Justiz.
Auch die Morde des NSU wurden nicht aufgeklärt!
Ohne die Selbstenttarnung des NSU wüssten wir bis heute nichts von diesen Tätern. Diese Erkenntnis ist bitter und umso bitterer ist es festzustellen, dass sich auch durch viele Untersuchungsausschüsse und mit dem NSU-Prozess in München nichts geändert hat.
In die Kontinuität rechten und rassistischen Terrors reiht sich der rassistische Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 ein. Neun junge Menschen wurden ermordet. Auch hier gibt es viele offene Fragen an die Polizei und fehlende Unterstützung für die Familien der Betroffenen vonseiten der Behörden. Am 19. Februar findet eine Gedenkkundgebung vor dem Rathaus Neukölln statt, auf der auch wir sprechen und uns mit der Familie 19. Februar solidarisieren.
Wir wissen seit vielen Jahren, dass es eine große Sorgfalt und ein großes Aufgebot an Ermittlungstätigkeiten gibt, wenn es sich um (auch nur geplante) Taten handelt, die nicht aus einem rechten politischen Zusammenhang kommen können. Der Einsatz von Ressourcen für die eine oder die andere Arbeit ist eine politische Entscheidung. Im Zweifel für die Straflosigkeit von Nazis.
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Aber Neukölln ist auch ein Bezirk, in dem sich viele Menschen gegen rassistische, rechte, antisemitische Gewalt und Gewalt gegen gleichgeschlechtliche Lebensweisen engagieren.
Was Buraks Mörder und die anderen Täter bewirkt haben, ist die wachsende Solidarität zwischen den vielen unterschiedlichen Betroffenen und der vielen Unterstützer:innen.
Der Gedenkort und jede unserer Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen sind sichtbare Zeichen dafür, dass die Rechnung der Täter und die der Ermittlungsbehörden nicht aufgehen wird. Nichts wird vergessen und kein Gras wird über ihre Taten wachsen. Der Gedenkort ist gelebte Solidarität. Er wird ein ewiges Ärgernis für die Täter:innen sein. Er ist ein würdiger Ort des Erinnerns, des Trauerns und dennoch ein Zeichen der Freude und des gemeinsamen Kampfes der Angehörigen, der Freunde und allen, die zusammen für eine Gesellschaft ohne Rassismus, für eine andere, bessere Welt kämpfen.
Wir arbeiten weiter daran, diesen Ort schöner zu machen und zu einem Ort des lebendigen Gedenkens und der Begegnung werden zu lassen. Unser Ziel für dieses Jahr ist es, die Grünfläche mit Wegen und Bänken zu gestalten. Wir haben bereits eine Firma dafür gefunden und hoffen, dass wir diese letzte Bauphase trotz Pandemie bald abschließen können.
Wir werden nicht nachlassen mit unseren Forderungen nach Aufklärung
Wir werden am Todestag am 5.4. eine Kundgebung organisieren und weiter an unsere Forderung nach Aufklärung erinnern. Dazu laden wir euch jetzt schon ein.
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