Redebeitrag von Melek Bektaş

Liebe Freundinnen und Freunde,
mein Name ist Melek Bektaş.
Ich bin die Mutter von Burak.
Nach 10 Jahren will ich hier ein paar Worte mehr zu euch sprechen.
Ich danke euch, dass ihr all die Jahre hierher gekommen seid, dass ihr immer an unserer Seite gestanden habt.
Auch wenn wir manches Mal dachten, dass zu unserer Demo niemand mehr kommen wird, seid ihr gekommen. Wir haben nicht damit gerechnet, dass ihr das so lange aushaltet. Dafür danken wir Euch. Ohne euch alle, würde es diesen Ort nicht geben. Wäre das Erinnern vielleicht nur noch eine Familienangelegenheit.

Ich halte etwas aus, von dem ich mir kurz nach Buraks Tod nicht vorstellen konnte, dass es möglich ist, das auszuhalten.
Aber ich habe inzwischen andere Menschen getroffen, die noch länger aushalten.
Die nicht mehr sprechen oder 20 Jahre nicht gesprochen haben. Das macht das Leiden nicht leichter aber ich sehe, dass Menschen das überlebt haben.
Wir werden oft gefragt: Was wünscht ihr euch? Und jetzt nach 10 Jahren, was soll ich mir wünschen? Ich will meinen Sohn zurück? Ich weiß, das geht nicht.

Was ich mir seit 10 Jahren wünsche ist: Der Mord soll aufgeklärt werden. Wie kann das sein, dass es nicht gelingt? Wie können alle noch helfen, dass es passiert? Die Polizei wird es nicht tun. Wer dann? Wir würden Alle unterstützen, die noch Ideen haben.
Ich wünsche mir, dass ich verstehe, was passiert ist. Ich wünsche mir, dass mein Sohn nicht einfach ermordet werden kann und niemand findet den Mörder.
Der Mörder wird hier noch sein. Aber er wird nicht sprechen. Zwingen können wir ihn nicht. Hoffentlich bricht er doch irgendwann zusammen.
Er sieht ja, dass es nicht unbemerkt geblieben ist und dass wir alle hier ihn dafür anklagen.
Ja, und wir klagen die Behörden an.
Es ist nicht unsere Art, hohe Gäste ständig zu empfangen. Aber natürlich haben wir ein offenes Haus für Alle, die helfen wollen. Viele waren da und haben vieles versprochen: Politiker und Polizeibeamte.
Wenig davon ist passiert.

Ich möchte, dass nie wieder eine andere Mutter, eine andere Familie so eine schreckliche Erfahrung machen muss.
Ein deutsches Sprichwort sagt: Die Zeit heilt alle Wunden. Das ist eine Lüge, die Zeit heilt nichts. Sie vergeht aber es bleibt der Schmerz. Dieser Schmerz ist vielleicht für jede Person anders und jede Person kann andere Wege finden, damit zu leben. Es ist ein Damit-leben. Keine Heilung.

Es gab Künstler und Künstlerinnen, die gearbeitet haben, um die Opfer der vielen Morde sichtbar zu machen – Opfern und den Familien ein Gesicht und eine Stimme zu geben.
Das hilft auch ohne große Reden. Und es hilft, dass der Mord an Burak nicht vergessen wird.

Wir haben uns als Familie gewünscht, dass es einen Ort zum Gedenkens gibt für Burak, meinen Sohn, der uns soviel Freude in seinem kurzen Leben geschenkt hat.
Daraus ist nun dieser Ort geworden, an dem sich Menschen erinnern. An Burak aber nicht nur an Burak, sondern auch an ähnliche Fälle. So ist der Name des Kunstwerkes, den die Künstlerin Zeynep Delibalta der Statue gegeben hat.

Wir freuen uns, wenn er genutzt wird. Wir freuen uns, wenn er als Gedenkort respektiert wird. Er zeigt, wie viele Menschen uns unterstützt haben. Die Initiative für die Aufklärung des Mordes hat uns gefragt, schon vor vielen Jahren: Was wünscht ihr Euch? Und Ihr alle habt geholfen, unseren Wunsch zu erfüllen.

Dafür danken wir Euch.