Grußbotschaft zum 30. Jahrestag des Gedenkens an die rassistischen Brandanschläge von Mölln

Wir sind von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş und möchten zum 30. Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln einige Worte sagen:

Liebe Familie Arslan, liebe Familie Yılmaz, liebe Freund*innen der Familien, liebe solidarische Menschen,

gerne sind wir Eurer Einladung gefolgt, gemeinsam mit Euch Bahide, Yeliz und Ayşe zu gedenken.
Wir sind immer wieder berührt, dass ihr eure Trauer mit uns teilt, dass ihr sie öffentlich macht. Ihr lasst uns teilhaben an Eurem Schmerz, Eurer Wut.
Und Eure Erinnerungen an Bahide, Yeliz und Ayşe können so auch Teil unserer Erinnerungen werden. Eure Liebsten, Eure Geschichten, Euer Wissen bleiben erinnert und unvergessen.

Wir möchten Euch, den Überlebenden und Betroffenen der Brandanschläge, unser tiefes Mitgefühl und unsere Solidarität ausdrücken.
Vor 30 Jahren gab es noch keine unterstützenden, solidarischen Strukturen, die so wichtig gewesen wären.
Ihr wart zu oft alleine im Kampf mit den Behörden, im Kampf um grundlegende Unterstützung für Eure physische und psychische Existenz, im Kampf um ein würdiges Gedenken. Und im Kampf gegen rechte und rassistische Hetze und ihre geistigen Brandstifter.

Euer Erfolg ist hier und heute sichtbar, an der großen Solidarität untereinander.

Ein selbstbestimmtes Gedenken, um das Ihr jahrelang gekämpft habt, ist noch lange nicht zur selbstverständlichen politischen Praxis in Deutschland geworden.
Aber Euer Vorbild macht immer mehr Opfern, Überlebenden und Angehörigen von rassistischen und rechten Gewalttaten Mut, es euch gleich zu tun.
Betroffene und ihnen solidarisch gesinnte Menschen vernetzen sich, schaffen Gedenkorte und Orte des Miteinanders.
Die Namen der Opfer stehen immer öfter im Zentrum, ebenso wie ihre Familien und Freund*innen. Ihre Geschichten, Ihr Wissen können geteilt werden.

Und immer wieder wird mit euren Erzählungen die Kontinuität der Anschläge aufgezeigt.
Die Brandanschläge hier in Mölln vom 23. November 1992 reihen sich ein in den rechten, rassistischen und antisemitischen Terror in Deutschland nach 1945, nach dem Holocaust, der Shoah, nach dem vermeintlichen Ende des Faschismus.
Es sind unzählige Opfer zu betrauern, deren Geschichten häufig noch nicht erzählt sind.

Burak Bektaş wurde in Berlin-Neukölln vor 10 Jahren ermordet, ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU.
Burak stand gemeinsam mit 4 Freunden auf offener Straße, als sie aus dem Nichts von einem unbekannten weißen Mann mit einer Waffe angegriffen werden; Burak wird dabei tödlich getroffen, 2 seiner Freunde werden lebensgefährlich verletzt.
Die Tat erinnert an die Taten des NSU. Bis heute ist sie nicht aufgeklärt und der Täter läuft frei herum.

Die ermittelnden Behörden haben zu keiner Zeit konsequent oder systematisch gearbeitet. Es wurde nicht dokumentiert, warum welche Ermittlungsansätze verfolgt wurden. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Polizei ein rechtes Motiv in Betracht gezogen hätte – entgegen ihrer Behauptungen. Bei der Überprüfung eines rechten Tatmotivs war eine Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz des Landeskriminalamtes Berlin notwendig, der sich bekanntermaßen nicht von der rechten Szene Berlins abgrenzen lässt.

Zur Zeit gibt es den ersten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum sogenannten Neukölln-Komplex.
In Neukölln finden seit über 10 Jahren Bedrohungen, Anschläge und Morde statt. Angegriffen werden migrantische, linke und antifaschistische Menschen. Aufgeklärt werden konnte davon bisher nur der Mord an Luke Holland im Jahr 2015 – ein rechtes Tatmotiv wurde trotz klarer Beweislage nicht festgestellt, die Hasskriminalität, das politische Motiv wurden damit geleugnet.
Durch einen langjährigen und mühsamen zivilgesellschaftlichen Protest konnte nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss durchgesetzt werden.

Melek Bektaş, die Mutter von Burak, fragte sich auch noch nach 10 Jahren wie es sein kann, dass der Mord an ihrem Sohn nicht aufgeklärt ist:
Auf der Gedenkveranstaltung zum 10. Jahrestag der Ermordung von Burak sagte sie, dass sie sich nie habe vorstellen können, einen solchen Schmerz aushalten zu können; dass sie aber Menschen getroffen habe, die den Schmerz noch viel länger als sie aushalten. Und sie sagte, dass nie wieder eine andere Mutter, eine andere Familie so eine schreckliche Erfahrung machen solle.

Wir sind heute auch hier, um Euch, den Familien Arslan und Yılmaz zu danken für eure jahrelange Unterstützung unserer Initiative und die Unterstützung der Familie Bektaş.

Wir stehen Seite an Seite mit euch, im Gedenken an und in der Trauer um Bahide, Yeliz und Ayşe – und auch im Kampf gegen die Verharmlosung und Vertuschung rechter Verbrechen und gegen den Rassismus in unserer Gesellschaft. Wir erheben unsere Stimmen gegen den Rassismus gegen Schwarze, den Rassismus gegen People of Color, den Antimuslimischen Rassismus und Rassismus gegen Sintizze und Romnja, gegen Antisemitismus, gegen jegliche Ungerechtigkeit.
Wir sind hier für eine bessere Zukunft, für eine Zukunft, die wir gemeinsam gestalten werden und das schon Heute.