Liebe Familie Bektaş, liebe Angehörige liebe Freunde und Freundinnen,
unsere Kundgebung heute findet anlässlich des Geburtstages von Burak statt.
Sie ist überschattet von dem Erdbeben und den tausenden von Toten in der Türkei und in Syrien. Viele unserer Freund*innen haben Verwandte und Freunde verloren. Es ist schwer erträglich, nicht mehr machen zu können, als zu spenden und zu trösten. Wir wollen eine Minute für beide Anlässe schweigen.
(nach 1 Minute) Danke
Wir wollten trotzdem unsere seit 2013 bestehende Tradition beibehalten und den Geburtstag von Burak in einen angemessenen Rahmen begehen.
Heute wäre Burak 33 Jahre alt geworden. Aber er wurde am 5. April 2012, wenige Schritte von hier, erschossen. Sie waren fünf junge Männer, die zufällig an dieser Stelle standen, als unvermittelt auf sie geschossen wurde und Burak tödlich verletzt wurde. Zwei der Freunde wurden lebensgefährlich verletzt. Diese Tat ist so unfassbar niederträchtig und hinterhältig und wird ihre Wirkung auf die Familie und alle Freunde und Freundinnen niemals verlieren.
Wir von der Initiative für die Aufklärung des Mordes haben Burak nicht kennengelernt. Burak wird beschrieben als ein fröhlicher, lustiger Mensch, der seine Familie sehr liebte und das auch täglich zeigte. Seine Zukunft wurde ausgelöscht und die seiner Freunde und seiner Familie durch dieses schreckliche Erlebnis für immer geprägt.
Kein Tag vergeht, an dem wir nicht darüber nachdenken, warum diese Tat den jungen Männern geschehen ist. Es gibt keine Erklärungen. Und kein Tag vergeht, an dem wir nicht überlegen, wie diese Tat noch aufgeklärt werden könnte.
Wir treffen uns immer an Buraks Geburtstag an dieser Stelle, um mit euch zusammen zu erinnern und um anzuklagen: Findet seinen Mörder!
Der Tathergang erinnert an die Morde des NSU. Ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 ist die Idee einer Nachahmungstat naheliegend.
Solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, gehen wir davon aus, dass Rassismus das Motiv ist.
Dieses Jahr jährt sich der Todestag von Burak zum 11. Mal. – Seit 11 Jahren stehen Menschen an diesem Ort und erinnern an ein Verbrechen, das noch immer nicht aufgeklärt wurde. 11 Jahre Kampf der Familie und Freund*innen für Aufklärung und gegen das Vergessen.
11 Jahre keine Aufklärung, keine Gewissheit, keine Sicherheit.
Vielleicht läuft der Mörder hier im Bezirk immer noch herum. Vielleicht steht er im Supermarkt mit uns an der Kasse. Vielleicht verdreckt und beschädigt er regelmäßig unseren Gedenkort.
Vielleicht war es aber auch – wie viele vermuten – Rolf Zielezinski und sitzt noch eine Weile im Knast. Er hat 2015 den Briten Luke Holland in der Ringbahnstraße erschossen und wurde dafür zu 11 Jahren und 7 Monaten Haft verurteilt. Er handelte ähnlich wie der Mörder von Burak. Er ist dem Alter, wie der Mörder von Burak beschrieben wird.
Die Polizei sah lange Zeit keinen Zusammenhang zwischen den beiden Morden. Als sie die Gelegenheit hatte, Zielezinski zu befragen, kann sie auch nur zur Kenntnis nehmen, dass er sagt, er wars nicht. Beweise gibt es nicht. Nicht für Zielezinski als Mörder von Burak, nicht dagegen.
Nach vielen Fragen an den Senat, Gesprächen mit Ermittlern und der Generalstaatsanwältin sah sich die Mordkommission schließlich doch noch motiviert lange Liegengelassenes und Eingefordertes abzuarbeiten. Das haben sie nun gemacht ohne Ergebnisse. Der Mörder ist nicht ermittelt. Mit jedem Tag der vergeht, wird die Chance geringer, den Täter zu finden.
Die Familie und wir alle haben das Recht zu wissen, wer Burak ermordet hat. Wer läuft durch Neukölln und schießt auf junge Menschen? Welches andere Motiv sollte denkbar sein als Rassismus und Nationalismus.
Seit vielen Jahren sind wir auch Zeug*innen einer rechten Anschlagsserien mit Bedrohungen, Brandanschlägen und Angriffen in diesem Bezirk. Neukölln gehört den Bezirken mit einer hohen Zahl an rechten und rassistischen und Angriffen wegen der sexuellen Orientierung oder des Geschlechts. Die meisten dieser Taten werden ebenfalls nicht aufgeklärt. Vom Neukölln-Komplex sprechen wir im Zusammenhang mit den vielen Angriffen auf Aktivistinnen, die sich gegen Rechtspopulismus, Nazismus und Rassismus ausgesprochen haben, Veranstaltungen organisiert haben und dem rechten Mob ein anderes Neukölln entgegenstellen. Das ist inzwischen ein Teil es Alltags.
Antifaschistische Recherchen weisen immer wieder auf das gleiche Täterspektrum hin, das mit diesen Anschlägen, diesem Terror zu tun hat. Aufgeklärt wird die Anschlagsserie trotzdem nicht. Warum? LKA, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft sind selbst in den Neukölln-Komplex verstrickt. Es fehlt der Wille zur Aufklärung. Ein Prozess gegen Hauptverdächtige ging in diesen Fällen mit Freispruch zuende. Wie sollte auch verurteilt werden, wenn niemals korrekt ermittelt wird. Immerhin fühlt sich das Gericht inzwischen genötigt eine erklärende Pressemitteilung zu veröffentlichen.
Diesen Unwillen zur Aufklärung der ganzen Wahrheit kennen wir auch von anderen rechten Anschlägen wie in München, Halle oder Hanau.
Die jahrelange Forderung nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschuss wurde im letzten Jahr erfüllt. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll „die rechtsextreme Anschlagserie in Neukölln, ihre Hintergründe und mögliche Fehler bei den Ermittlungen aufarbeiten“.
Der Mord an Burak und an Luke Holland sind Teil des Auftrages des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geworden. Wir stellen unsere Fragen und das werden das erneute Ausbleiben von Antworten anprangern. Der PUA wurde in offenen Briefen kritisiert und scheint mindestens in Teilen die Kritik aufgenommen zu haben. Die betroffenen ZeugInnen wurden befragt. Der Auftrag ist klar. Wir sind gespannt, wie es jetzt weitergehen wird.
Die Skulptur trägt den Titel „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“ und erinnert damit an den Mord an Burak und alle die anderen nicht aufgeklärten rechten Taten. Der Gedenkort soll an die Geschichte des Mordes und des Kampfes für die Aufklärung von Burak Bektaş erinnern und sie im Gedächtnis der Stadt verankern. Er soll darüber hinaus auf die weiteren unaufgeklärten Morde an Menschen mit Migrationsgeschichte, auf den strukturellen Rassismus verweisen, den Menschen mit Migrationsgeschichte und People of Color in unserer Gesellschaft erleben. Wir müssen es nun noch schaffen, diesen Platz zu einem Ort des lebendigen Gedenkens werden zu lassen.
Der Gedenkort und jede unserer Versammlungen, Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen sind Zeichen dafür, dass die Rechnung der Täter*innen und die der Ermittlungsbehörden nicht aufgehen wird. Wir werden nicht nachlassen mit unseren Forderungen nach Aufklärung. Die Teilnahme an den bundesweiten Vernetzungstreffen hat uns stärker gemacht. Wir wissen viele Betroffeneninitiativen an unserer Seite, wir tauschen uns aus und entwickeln gemeinsame Forderungen.
Nichts wird vergessen und kein Gras wird über die Taten der Rassisten, der Nazis wachsen.
Am 5.4. jährt sich der Tag der Ermordung von Burak zum 11. Mal. Wir rufen dazu auf, dass an diesem Tag bundesweit Menschen Burak auf ihre Weise gedenken und Bilder davon mit uns teilen. Achtet auf unsere Ankündigungen.
Wir danken Euch, dass ihr immer wieder an diesem Ort mit uns zusammenkommt und die Erinnerung an den Mord und die vielen anderen Taten aufrechterhaltet.