Zeugen:
- Alexander Hübner, der bis 2019 die Mordermittlungen zu Burak Bektaş leitete. Als Kommissariatsleiter beim Staatsschutz PMK Rechts ließ er danach 387 Fälle von politisch rechts motivierte Straftaten unbearbeitet.
- Dieter Horstmann, leitender Staatsanwalt der Mordermittlungen zu Burak Bektaş, später Berater im Abschlussbericht zum Tod von Oury Jalloh, dann leitender Oberstaatsanwalt der Ermittlungen zu den „Silvesterrandalen“.
- Lukas Theune, Anwalt der Familie Bektaş.
Melek Bektaş, die Mutter des ermordeten Burak Bektaş, ist zur Beobachtung des PUA anwesend.
In seiner Eingangserklärung bringt Kommissar Hübner seine vermeintliche Empathie für die Familie von Burak Bektaş zum Ausdruck, ohne jedoch irgendeine Kritik der Familie an den Ermittlungen aufzugreifen.
Hübner erklärt, die Mordermittler hätten alles ihnen Mögliche getan und intensivst ermittelt. Bei Nachfragen, ob und wenn ja wann die Tat als politisch rechts und rassistisch motiviert eingeordnet worden sei, und daraus folgenden Konsequenzen für die Ermittlungen macht er widersprüchliche Aussagen. Er berichtet in diesem Zusammenhang von einem Anruf von LKA-Leiter Steiof am Morgen direkt nach der Tat. Dieser habe auf die rechte Szene in Neukölln hingewiesen, dass der Fall Aufsehen erregen werde und von Austausch mit der Abteilung PMK rechts des LKAs gesprochen.
Dann sagt Hübner andererseits, für die Ermittlungen sei es egal, wer das Opfer ist, bez. Herkunft usw.. Die Ermittlungen verliefen unabhängig von solchen Kriterien. Und er betont vollmundig: „keiner der Ermittler der Mordkommission hat eine rassistische Einstellung.“
Es fällt immer wieder auf, dass Hübner die Fragen der Abgeordneten mittels sich wiederholender Formulierungen nicht beantwortet: So hat er sich angeblich nicht vorbereitet, kann sich nicht erinnern, verweist dann einfach darauf, das stehe doch in den Akten. Die Akteninhalte können aber nicht in der öffentlichen Sitzung behandelt werden, da sie der Innensenat als „NFD (nur für den Dienstgebrauch)“ und damit nicht für die Öffentlichkeit eingestuft hat. Wie praktisch! Das scheint beabsichtigt und die – offensichtlich sehr genau vorbereitete – Strategie geht auf, weil die Abgeordneten nicht konsequenter intervenieren, ihn nicht sofort mit seiner Ausweichtaktik konfrontieren und nicht inhaltlich vertiefend nachfragen.
Auch Horstmann behauptet, in keinem anderen ihm bekannten Fall sei so viel ermittelt worden.
Ein Beispiel, dass beide, Hübner und Horstmann, erwähnen, ist das Abgleichen des Mordfalls mit der bundesweiten Datenbank VICLAS. Als Hübner nach den dabei eingegebenen Suchbegriffen gefragt wird, sagt er, er wisse sie nicht.
Der Anwalt der Familie Bektaş, Lukas Theune, erklärt in seiner Aussage später, um welche Suchbegriffe es sich hier handelte: „Taten ohne Motiv oder Rache, religiöse, kulturelle Motive (…). Aber ein naheliegendes rechtextremistisches oder rassistisches Motiv wurde nicht eingegeben!“
Staatsanwalt Horstmann ist in der Offensive, stellt absurde und nicht den Tatsachen entsprechendeBehauptungen auf, verharmlost, redet von „perfektem Verbrechen”, ohne dass dem z.B. durch weitere konkrete Nachfragen etwas entgegengesetzt wird.
Er behauptet dreist, als leitender Staatsanwalt sei es nicht seine Aufgabe gewesen, das Verfahren zu leiten, konkrete Ermittlungstätigkeiten anzuordnen etc. Das ist eine Lüge. Seine Aufgabe ist genau dieses Steuern der Ermittlungen, insbesondere wenn die Aufklärung stockt. Und er fügt noch hinzu, er habe nicht in die Ermittlungen eingreifen müssen, denn die Mordkommssion habe ihre Arbeit sehr gut gemacht und perfekt in alle Richtungen ermittelt. Auf Frage nach Fehlern bei Ermittlungen antwortet er aalglatt: „Ich wüsste von keinen, nur, dass kein Ergebnis (vorliegt). Aber jeder 10. Mord wird nicht aufgeklärt.“
Rechtsanwalt Theune sagt dazu, es sei viel zu wenig in Richtung extrem rechte und rassistische Tatmotive ermittelt worden. Er erwähnt in diesem Zusammenhang auch, wie eine vom LKA Abteilung 5 zur Verfügung gestellte Liste mit rechten Straftätern auf absurd wenige, nämlich nur zwei zu überprüfende Personen, verengt wurde. Und „es habe kurz nach dem Bekanntwerden vom NSU keine Begründung dafür gegegeben, dass der Täter auf den Hintergrund Neukölln reduziert wurde. Der Täter hätte nicht wohnortbezogen vordefiniert werden dürfen.”
Zum NSU sagt Staatsanwalt Horstmann eiskalt: „NSU konnte man ausschließen, die waren ja alle tot oder in Haft.“ … ! Auch zu einer solchen falschen Behauptung wurden keine weiteren Fragen gestellt.
Theune beschreibt, wie die Arbeit der Anwälte von den Ermittler:innen lange Zeit als hinderlich und die Familie als nervend behandelt wurde. In diesem Zusammenhang erwähnt er die Thematik der „Auswerteberichte” und der “Auswerteeinheit operative Fallanalyse” (AE OFA), in denen die Ermittlungen mehrmals evaluiert und Empfehlungen für weitere Ermittlungshandlungen formuliert wurden. Auf parlamentarische Anfragen zu deren Erstellung und Umsetzung gab es immer wieder keine klärenden Antworten. Er schildert, wie auch der Familie nicht die Wahrheit gesagt wurde. Stattdessen wurden sie irregeführt, so dass der Eindruck entstand, es habe keine solchen Berichte gegeben. Und entgegen der Behauptung der Ermittlungsbehörden, sie hätten sich um die Familie gekümmert, betont er, dass die Familie sehr allein gelassen worden ist. Mit der neuen Ermittlerin, Frau Emmert, änderten sich die Dinge jetzt. Immer wieder tauchen bei ihrer Recherche Dinge auf, die von ihren Vorgänger:innen nicht zu den Akten genommen wurden.
Generell fiel im Laufe der Sitzung auf, dass Vieles thematisiert aber nicht geklärt wurde. Die Abgeordneten sprachen in ihren Befragungen zu den Ermittlungen wichtige Themen an, wie Tatmotiv Rassismus, Konsequenzen aus dem NSU-Komplex, Ermittlungen gegen Berliner und bundesweite Naziszene als potentielle Täter etc.. Wenn die Zeugen Hübner und Horstmann jedoch bei diesen Fragen immer wieder konsequent auswichen, sich mit taktisch eingesetzten Vorwänden weigerten zu antworten, wenn ihre Antworten gezielt irreführend waren und auf falschen Tatsachen beruhten, blieb das dann so stehen. Die Zeugen der Ermittlungsbehörden kamen wieder damit durch, viel zu ungebrochen ihre Version darzustellen und nichts Wesentliches offenzulegen. Wenn dies von der Presse auch noch reproduziert wird, so werten wir das als extrem problematisch.
Angesichts der vielen fragwürdigen Aussagen von Hübner und Horstmann, die in dieser Sitzung nicht eingehender betrachtet wurden, müssten unbedingt das Vorgehen und die tatsächliche Rolle der beiden und aller anderen in diesem Kontext Verantwortlichen geklärt werden, wenn der PUA seine Aufgabe ernsthaft erfüllen möchte.
Die nächste Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Neukölln-Komplex“ findet am Freitag dem 26. April statt.
Ab 8:30 Uhr findet eine Kundgebung statt und ab 9 Uhr begleiten wir die Befragung von Helga Seyb, Opferberaterin, dem Polizeibeamten Christian Schulz, der die VICLAS-Anfragen und Teile der OFA’s (operative Fallanalysen) machte und Martin Knispel, der Horstmann als leitender Staatsanwalt ablöste.