Rede zu Buraks Geburtstag am 14. Februar 2025

Guten Tag liebe Familie Bektaş, liebe Freund*innen und Freunde,

heute ist Buraks Geburtstag.

Ein Geburtstag ist ein schöner Anlass, sich zu treffen. Zusammen einen Menschen zu feiern, sich zu freuen, dass er da ist und dass wir ihn kennen. Und sich an zurückliegende Ereignisse zu erinnern, die wir gemeinsam erlebt haben. Geschenke zu überreichen, zusammen zu essen und zu trinken und zu lachen. 22 Jahre war das für Burak so.
Seit 2013 ist das anders an Buraks Geburtstag. Am 5.4. beendete ein Mörder das Leben von Burak und versuchte das auch bei vier seiner Freunde.
Melek Bektaş fragt: „Wer hat das Recht uns sowas anzutun? Die jungen Leute müssen ihren Freund zu Grabe tragen statt mit ihm zu sein. Niemand hat das verdient. Warum ist Burak nicht bei uns?“
Egal ob am Geburtstag oder an jedem anderen Tag denkt Melek darüber nach, warum das geschehen ist. „Viele Menschen wurden durch diese Tat verletzt, nicht nur unsere Familie. Warum gehen wir zu einem Grab? Das Leben ist nun ohne Sinn und leer. Es gibt nichts Positives mehr.“

Viele von Euch kannten Burak. Viele, die hier stehen, kannten ihn nicht. Wir treffen uns, um zu gedenken, daran zu erinnern, dass es Burak nicht mehr gibt, dass wir, dass vor allem seine Familie und seine Freund*innen nie mehr mit ihm feiern und lachen können. Wir treffen uns zu einem Geburtstag ohne Geburtstagskind. Wir gedenken an einen Mord an einem 22-Jährigen ohne Anlass. Einem Mord, der seit 13 Jahren nicht aufgeklärt wird und wir versprechen uns gegenseitig, dass wir gemeinsam alles versuchen werden, um den Mörder zu finden. Melike, Buraks Schwester hat das auf einem bundesweiten Tribunal auf die kürzeste Formel gebracht: Findet den Mörder!

Burak war 22 Jahre alt als er abends noch einmal mit Freunden raus ging. Seiner Mutter sagte er, dass er nicht lange bleiben werde, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Er kam nicht zurück. Warum er ermordet wurde, weiß niemand. Hat jemand gesehen was geschah, wer der Mörder sein könnte? Vielleicht. Es gab Zeugen, die mit einem Auto in Richtung des Fluchtweges des Mörders gefahren sind. Sie haben damals nichts ausgesagt. Sie wurden aber auch nicht auf die Wichtigkeit ihrer Beobachtungen hingewiesen. Vielleicht erinnern sich diese Zeugen noch, vielleicht erfahren sie vom Gedenken an Burak und vielleicht werden sie eines Tages doch noch aussagen. Wir wissen nicht, wer sie waren aber sie wissen, dass sie angesprochen wurden von der Polizei.
So viele Morde passieren nicht in Berlin. So oft werden Zeug*innen einer solchen grauenhaften Tat nicht gesucht, die vor fast 13 Jahren verübt wurde. Wir suchen weiter, deshalb meldet Euch bei uns.

Viele Menschen in dieser Stadt und darüber hinaus sind jedes Jahr wieder entsetzt und fassungslos, dass der Mörder von Burak nicht gefunden wurde.

Die Staatsanwaltschaft behauptet sogar, dass der Mord an Burak „der perfekte Mord“ sei. Ein perfektes Verbrechen ist eines, dass nicht aufgeklärt werden kann. Vielleicht liegt das aber auch nur an der ganz und gar nicht perfekten Arbeitsweise der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

Vor kurzer Zeit haben uns Aktivisten aus dem Saarland berichtet von einem Kampf, der 30 Jahre gedauert hat. Es gab 1991 eine Brandstiftung in Saarluis, bei dem Samuel Kofi Yeboah ermordet wurde.
Viele Jahre später ging eine Frau zur Polizei und berichtete, dass ihr ein Mann auf einer Party erzählt hatte, dass er der Brandstifter ist und dass die Polizei ihn nicht gefunden hat. Schließlich werden solche Taten begangen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Die suchte er scheinbar bei der Frau auf der Party. Die Frau hatte ein schlechtes Gewissen und konnte es wohl nicht mehr aushalten. Sie ging zur Polizei. Die Polizei ermittelte nach ihrer Aussage und ein Mann wird verurteilt. Das Urteil wurde im letzten Monat rechtskräftig. Der Täter muss ins Gefängnis. Wie im NSU Prozess, wie im Prozess zum Neukölln Komplex weigern sich die Strafverfolgungsbehörden Netzwerke und Mittäter*innen zu ermitteln oder auch nur danach zu fragen. Aber die Aktivist*innen aus dem Saarland gehen davon aus, dass ihre Gedenk- und Erinnerungsveranstaltungen dazu beigetragen haben, dass die Zeugin zur Polizei gegangen ist.

Wir haben eine Nachricht an den Mörder von Burak: Wir werden hier stehen und erinnern, dass es einen Mörder gibt und dass wir ihn finden werden. Wir wissen, dass wir nicht allein auf die Arbeit der Ermittlungsbehörden vertrauen können. Der Mörder weißt nicht, wer irgendwann reden wird. Jemand hält das Schweigen nicht mehr aus oder möchte einfach doch die Belohnung kassieren?

Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Taten in Neukölln wurde auch eine zuständige Kommissarin befragt. Sie berichtete, dass die Ermittlungen zum Mord an Burak schlecht geführt wurden, vieles angefangen aber nicht zu Ende gebracht wurde. Alles musste noch einmal angeguckt werden. Die Kommissarin ordnete die Akten von Burak, führte sie endlich zusammen und fand dabei wesentliche Ermittlungslücken, die so nicht hätten passieren dürfen. Was die Mordkommission zuvor also in jahrelanger Arbeit nicht erreichte hatte wurde nun innerhalb von zwei Jahren geschafft. Und diese fehlerhafte Ermittlung kann nicht an fehlendem Personal gelegen haben, denn daraufhin werden die Zeug*innen der Ermittlungsbehörden im Untersuchungsausschuss regelmäßig befragt und sie verneinen die Frage ebenso regelmäßig.
Ebenso absurd ist aus dieser schlecht Ermittlung und der Nachermittlung die daraus geschlossene These: Wir haben nichts falsch gemacht. So konnten Staatsanwaltschaft und Polizei dann am 1. April 2022 behaupten, dass alle Ermittlungslücken geschlossen worden seien. Es war nachermittelt worden. Allerdings ohne Konsequenz und 10 Jahre zu spät. Zum 10. Todestag von Burak. Vielen Dank für dieses nutzlose Geschenk.

Wir wissen jetzt, was sie uns sagen wollten mit den Worten, dass es keinen Mord gibt in Berlin, für dessen Aufklärung soviel gearbeitet wurde. Wir wissen auch warum. Weil die Ermittlungsbehörden jahrelang nicht sorgfältig gearbeitet haben, weil sie angefangene Untersuchungen nicht zuende gebracht haben, Spuren nicht weiter nachgegangen sind. Weil sie Empfehlungen der eigenen Kolleg*innen nicht ernst genommen haben und einfach nichts gemacht haben. Weil sie Hinweisen aus der Bevölkerung nicht nachgegangen sind, sondern beschlossen haben, dass die nicht wichtig sind. Ohne Prüfung.

Es spielt keine Rolle, wenn ein einzelner Ermittler Nichts tut, wenn alles andere gut läuft. Wenn es eine Kontrolle gibt, wenn Fehler in den Ermittlungen zugegeben und korrigiert werden können. Wenn jemand sich für die Ermittlungen interessiert und nachfragt. Das hätte die Staatsanwaltschaft machen können und hat es nicht getan. Im Gegenteil hat der zuständige Staatsanwalt im Untersuchungsausschuss sogar zugegeben, dass er seine Aufgabe der Kontrolle nicht übernommen hat, weil eine Mordkommission ermittelt. Er hat sich eiskalt für nicht zuständig erklärt. Und er wird dafür nicht bestraft werden.

Und ja, wir haben den ermittelnden Behörden und den politisch Verantwortlichen auch viel Arbeit gemacht. Wir haben alle Fragen stellen lassen, die Allen von uns eingefallen sind. Alle Widersprüchlichkeiten dargestellt. Sie mussten und müssen immer noch in einem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Und wir merken: Es könnte stimmen, was Melek sagt:
„Es ist ihnen egal, ob es einen Ausländer mehr oder weniger gibt.“
„Nie hätte ich mir vorstellen können, dass Buraks Mörder nicht gefunden wird. Natürlich ist das eine große Enttäuschung.“

Auch der Anschlag auf Burak und sein Freunde sollte ein Zeichen setzen. Welches wissen wir noch nicht. Was wir aber wissen ist, dass der Tathergang an eine NSU-Nachahmetat erinnert, an rechte Morde nach Konzept des Lonesome Wolve. Ein rassistisches Mordmotiv ist naheliegend. Alle anderen möglichen Mordmotive konnten seitens der Ermittlungsbehörden ausgeschlossen werden. In Richtung rassistisches Mordmotiv ist nicht ernsthaft ermittelt worden. Vielmehr weisen die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden auf strukturelles Versagen hin, wie es bei Morden bei Menschen mit Migrationsgeschichte vielfach rauskam. Hierzu zählen die NSU-Morde, die Morde rechten Terrors in München, Halle oder Hanau. Mit eurer solidarischen Unterstützung und mit eurer Geduld werden wir es erfahren auch wenn es 30 Jahre dauert. Aber sicher wissen wir, dass die Erwartungen des Mörders enttäuscht wurden. Er hätte nicht erwartet, dass an der Stelle seiner Tat eine Skulptur für Burak und andere Opfer rassistischer, rechter und antisemitischer Morde entsteht. Er hätte nicht erwartet, dass sich jedes Jahr mehrmals hier Leute treffen und an Burak erinnern und fordern, dass der Mord aufgeklärt wird.

Familie Bektaş sagt Danke für die jahrelange Unterstützung und danke dafür, dass Burak nie vergessen wird. Wir werden zusammen kämpfen bis der Mörder gefunden wird.
Wir laden euch ein, mit uns zum Anton-Schmaus-Haus zu gehen und dort bei Kaffee, Tee und Kuchen Buraks Geburtstag zu gedenken.

Das Anton Schmaus-Haus ist selbst wiederholt Ziel von rechten, rassistischen Anschlägen und Bedrohungen geworden. Dabei haben die Täter*innen bei mindestens einem der Brandanschläge den Tod von Kindern, die zu diesem Zeitpunkt im Haus waren, in Kauf genommen. Danke auch dem Schmaus-Haus, dass sie nicht aufgeben und dass wir seit vielen Jahren immer willkommen sind.