Gehalten am 8. April 2018 bei der Demonstration “Burak unvergessen – Aufklären und Gedenken” und der anschließenden Einweihung der Skulptur “Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle”
Redebeitrag der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş:
Was können wir zum Thema Aufklärung, zum Thema Ermittlungen sagen, sechs Jahre nach dem Mord an Burak Bektas? Von sich aus wenden Polizei und Staatsanwaltschaft sich nicht an die Öffentlichkeit. Immer wieder haben wir uns in den letzten Jahren gefragt: Wurden die Ermittlungen de facto eingestellt? Auch in der aktuellen Kleinen Anfrage der Linkspartei im Berliner Senat war das die Ausgangsfrage – die Antworten stehen noch aus.
Es gibt bis heute keine Ermittlungsergebnisse und die Polizei und Staatsanwaltschaft scheinen den Fall zu ignorieren. Sie wollen nicht daran erinnert werden und nicht darüber sprechen. Im Zusammenhang mit der aktuellen Nazi-Anschlagsserie in Neukölln kann sich die Leiterin der Rechtsextremismus-Abteilung des LKA Berlin nicht mal an einen rechten Mord in Neukölln erinnern. Sie sagen, sie haben aus den NSU-Morden gelernt. Wir sagen nein, das stimmt nicht!
Es gibt mehrere Konstanten in der Ermittlungsarbeit und der Öffentlichkeitsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft in den letzten 6 Jahren.
Tatsächlich gab es in der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei im Fall Burak einen Unterschied zum Umgang der Ermittlungsbehörden mit den NSU-Morden in den Jahren davor. Die Familie und Buraks Umfeld wurde in der öffentlichen Darstellung von Anfang an nicht als Verdächtige dargestellt. Die Opfer wurden nicht zum Täter gemacht, es gab keine rassistische Hetzkampagne mit Lügen und Spekulationen gegen die Angehörigen.
Der Unterschied in den tatsächlichen Ermittlungen ist dann schon geringer. Der Mord an Burak wurde als ganz normaler Mordfall behandelt und eine Mordkommission eingesetzt. Weder wurden Staatsschutzbeamte in die Mordkommission aufgenommen, noch waren bei der Staatsanwaltschaft für politische Verfahren zuständige Beamte eingesetzt. Von den Anwälten der Familie Bektas aufgefordert, erklärte sich auch die Generalbundesanwaltschaft für nicht zuständig. Nach der Zwiebelmethode (Mehmet Daimagüler) begannen die Ermittlungen im persönlichen und familiären Umfeld von Burak und arbeiteten sich langsam Schicht für Schicht nach außen vor. So vergingen die wichtigen ersten Wochen und Monate, ohne dass nach rechts ermittelt wurde.
Über die 6 Jahre Ermittlungen ist eine Konstante der völlige Mangel an Transparenz. Die Ermittler haben wenig gegen Rechts unternommen und nichts davon öffentlich kommuniziert. Das was die Ermittler in Bezug auf einen möglichen rechten Täter unternommen haben, spiegelt sich nicht in den Ermittlungsakten wider.
Weil wir sie mit Kleinen Anfragen gezwungen haben etwas zu sagen, wissen wir zwar jetzt – Jahre später – , dass – direkt in den Tagen nach der Tat im April 2012 vier mal im Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechts (GAR) in Treptow über den Mord an Burak gesprochen wurde, also zwischen den Polizeien und Geheimdiensten aller Bundesländer und des Bundes.
– Im Jahr 2014 eine Kommission des Staatsschutz die Ermittlungen im Fall Burak über mehrere Monate grundsätzlich überprüft hat.
Doch von den jeweiligen Ergebnissen wissen wir nichts. Dabei ist sicherlich kein Zufall, dass diese Beratungen außerhalb der ermittelnden Mordkommission stattfanden. Sie sind nicht Teil der Ermittlungsakte und damit der Kontrolle durch die Anwälte der Familie Bektas entzogen.
Eine weitere Konstante der 6 Jahre: Es gab immer wieder konkrete Hinweise auf Personen, auf Zusammenhänge, oder auf mögliche Ermittlungskontexte – von der Familie, aus der Nachbarschaft oder der kritischen Öffentlichkeit:
Die jeweils nötigen Ermittlungen wurden daraufhin allerdings nicht geführt, statt dessen wurden die Hinweise abgewehrt. Vom „Wissen“ der Betroffenen halten die Ermittler offensichtlich nichts. Zeugen, Hinweisgeber etc. gewinnen jeweils den Eindruck, dass ihr Wissen, ihre Hinweise nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit bearbeitet werden oder gar unerwünscht sind. Sie werden direkt abgewiesen oder die Hinweise werden bürokratisch abgearbeitet. Sie stoßen nicht auf Ermittler, die eifrig, offen und kreativ sich auf die Suche nach einem möglichen Täter machen. Im eklatanten Widerspruch dazu heißt es immer von den Behörden, die Ermittlungen seien so schwierig, weil es keine Ansätze gäbe.
Wir haben als Initiative auf den 20. Todestag des Nazi-Aktivisten Gerhard Kaindl hingewiesen, oder auf die Reichsbürgerdrohbriefe, die im Frühjahr 2012 auch in Neukölln verbreitet wurden und den aufkommenden „Rassenkrieg“ ankündigten,
Wir haben auf das Baumblütenfest Britz hingewiesen, dass am Abend der Tatnacht begann und in den Jahren davor immer wieder Ort und Ausgangspunkt rassistischer Übergriffe war.
Die Ermittlungen gegen Rolf Zielezinski, den Mörder des Briten Luke Holland im September 2015, sind in letzter Zeit ausführlich in der Presse erörtert worden. Sie stellen ein eklatantes Beispiel für diese Abwehr von Ermittlungen dar. Der Hinweis aus der Bevölkerung auf Rolf Z vom Dezember 2013 wurde vor dem Mord an Luke Holland einfach beiseite gewischt. Als die Freunde von Burak sich nach dem Mord an Luke Holland bei der Polizei für eine Gegenüberstellung meldeten, wurden sie abgewiesen.
Es entsteht das Gefühl, dass in Richtung eines rechten oder rassistischen Mordes nicht ermittelt werden soll. Das Gefühl, dass dem Mord keine Bedeutung beigemessen wird. Die Ermittler verbreiten Lähmung/Stillstand/Leere. Sie machen den Eindruck, dass sie alle Erwartungen aufgegeben haben, einen Mörder zu fassen. Das Recht auf Leben und Schutz der migrantischen Bevölkerung scheint nichts zu gelten.
Seit dem NSU kennen wir viele der schlechten Gründe warum es in Deutschland für MigrantInnen, für Schwarze, für POC, Menschen mit Behinderung, Linke, GewerkschafterInnen, bis hin zu politischen RepräsentantInnen keinen wirksamen Schutz vor Nazis gibt.
Diese sind: Institutioneller Rassismus der Ermittlungsbehörden, Deutschland vor dem Ausland nicht schlecht dastehen zu lassen, keine Beunruhigung in die Communities zu tragen und auch der Quellenschutz von V-Leuten.
Es sind hier heute auch politische RepräsentantInnen, BezirkspolitikerInnen etc. anwesend. Wir wollen es klar sagen, wir erwarten von euch und ihnen, dass ein politischer Wille, wo nötig, gegen rechts zu ermitteln in die Institutionen getragen wird. Wir erwarten von euch, dass ihr euch stark macht für Konsequenzen aus dem Versagen der Ermittlungsbehörden im Fall Burak Bektas.
Als Basisinitiative erwarten wir nichts (mehr) von der Polizei, nichts von der Staatsanwaltschaft. Aber wir sind nicht ohne Hoffnung. Ein Mord lässt sich dauerhaft schwer vertuschen, wenn es eine kritische lokale Öffentlichkeit gibt, die hinschaut und die nicht vergisst.
Es braucht investigative JournalistInnen, ZeugInnen, die sich doch noch melden, Täter oder Mitwisser, die sich offenbaren, die Tatwaffe oder ihre Munition kann auftauchen usw..
Hier aufmerksam zu sein, sich zu vernetzen und das öffentliche Interesse an einer Aufklärung sichtbar zu machen, dies alles steht in unserer eigenen Verantwortung. Wir müssen es selber tun. Wir können und wollen keine kriminalistischen Ermittlungen selbst führen, aber wir werden ZeugInnen unterstützen, die sich äußern wollen, Hinweisen nachgehen, die uns mitgeteilt werden und all dies immer wieder öffentlich machen.
Im Fall von Oury Jalloh hat die Initiative selbst die Brandversuche machen lassen, Obduktionen und Gutachter beauftragt und damit „Wahrheit“ über den Fall öffentlich gemacht.
Wir wissen nicht genau, was im Fall des Mordes an Burak die möglichen und nötigen Schritte sind: Doch wir werden gemeinsam kreativ sein und werden die entsprechenden Schritte gehen.
Unser Kampf um konsequente Aufklärung geht weiter und dafür brauchen wir euch alle.
Helft mit dass der Mord an Burak aufgeklärt wird!