18.07.2018 PM: Der NSU ist frei!

(übernommen von nsu-tribunal.de)

Der NSU ist frei

  • Nach André Eminger kommt auch NSU-Gründer Ralf Wohlleben frei
  • Aktivist*innen warnen vor Erstarken der extremen Rechten
  • NSU-Tribunal: „Urteil im NSU-Prozess ist eine Aufforderung an die Nazis weiter zu machen“

Köln, 18.07.2018 –Eine Woche nach dem Urteil im NSU-Prozess wurde heute der verurteilte Unterstützer des rechten Terrornetzwerks Ralf Wohlleben aus der JVA Stadelheim entlassen. Nachdem bereits André Eminger in der letzten Woche das Gericht als freier Mann verlassen durfte, feiert die Neonazi-Szene ihre durch das Oberlandesgericht geschaffenen Märtyrer. Das bundesweite Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ kritisiert das Urteil und die Haftentlassungen als eine Aufforderung an die Neonazis weiter zu machen.

Von Anfang an ist die Bundesanwaltschaft faktenresistent von einem isolierten NSU-Trio ausgegangen. Das milde Urteil gegen die bis heute glühenden Nationalsozialisten Eminger und Wohlleben folgte dieser grundfalschen Auffassung, blieb aber sogar noch hinter den Forderungen der Bundesanwaltschaft zurück.
„Eminger, Wohlleben und Dutzende weitere hätten als Mitglieder statt als Unterstützer des NSU vor Gericht stehen müssen“, erklärt Pressesprecher Tim Klodzko. Das Bündnis hatte daher im letzten Jahr auf einem zivilgesellschaftlichen Tribunal 90 weitere Menschen angeklagt und eine eigene Anklageschrift veröffentlicht.

„Das Urteil und die Aufhebung der Haftbefehle haben eine verheerende Signalwirkung an die Nazis: wer mithilft zehn Menschen, neun davon Migrant*innen, zu ermorden, kann mit einer milden Strafe rechnen. Die Kollaboration der deutschen Geheimdienste mit den Neonazis wird vertuscht. Es kann wieder von vorne beginnen“, so Klodzko. Was muss dies für die Überlebenden der Bombenanschläge, die Angehörigen der Mordopfer bedeuten? Soll das Leben in Angst von vorne beginnen? Die rassistische Mord- und Anschlagsserie des NSU war ein Anschlag auf eine postmigrantische Realität, auf die Gesellschaft der Vielen. Der NSU hat mit seinen Helfershelfern aus den Verfassungsschutzämtern und strukturell rassistisch ermittelnden Strafverfolgungsbehörden die plurale und demokratische Verfasstheit der Gesellschaft angegriffen. Daher ist der NSU ein Angriff auf uns alle. „Das Terrornetzwerk des NSU wurde durch das Gericht nicht aufgedeckt: der NSU läuft frei herum. Das muss uns alle zum entschiedenen Protest bewegen. Die Aufklärung darf nicht weiter aufgeschoben und kein Schlussstrich gezogen werden. Stattdessen muss jetzt das gesamte extrem rechte Netzwerk beleuchtet und vor Gericht gestellt werden. Der die Neonaziszene alimentierende Verfassungsschutz muss umgehend aufgelöst werden“, so Klodzko.

Der Verharmlosung des rechten Terrors setzen unzählige Initiativen, Verbände, Nebenklagevertreter*innen und Personen der Zivilgesellschaft die Solidarität mit den Angehörigen der Mordopfer entgegen.
„Das Tribunal ‚NSU-Komplex auflösen‘ steht auch nach dem Urteil an der Seite der Betroffenen und unterstützt ihre Bemühungen um Aufklärung, Entschädigung und Gerechtigkeit, z.B. die Klage der Familie Yozgat gegen den Verfassungsschutz“, erklärt Klodzko. „Eine Politik der Einschüchterung und Bedrohung migrantischer Lebenswelten, wird es nicht noch einmal so wie in den 2000er Jahren geben“ so der Pressesprecher weiter. „Die Zivilgesellschaft wird die Aktivitäten der Nazis akribisch verfolgen, die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz aufdecken, die Ermittlungen der Behörden kritisch begleiten und der Berichterstattung auf die Finger schauen.“