Heute kommen wir mit euch zusammen, um an den antisemitischen, rassistischen und misogynen Anschlag vom 9. Oktober 2019 in Halle und Wiedersdorf zu erinnern. Jana L. und Kevin S., haben bei dem Anschlag heute vor 5 Jahren ihr Leben verloren. — Wir möchten an dieser Stelle gemeinsam ihrer gedenken. Wir möchten den Angehörigen und all denen unser tiefes Mitgefühl ausdrücken, die den beiden nahestanden, sie tagtäglich vermissen.
Wir senden euch unsere Solidarität, hier vom O-Platz in Berlin!
Und unsere Gedanken sind auch bei allen Überlebenden und Betroffenen des Anschlags. Auch euch senden wir unsere Solidarität. Wir sind an eurer Seite.
5 Jahre sind nun vergangen. Wie Ismet Tekin, Überlebender des Anschlags auf den Kiezdöner sagte, „es gab ein Leben vor dem Anschlag und es gibt nun ein anderes Leben“.
Überlebende des Anschlags, Betroffene von Antisemitismus und Rassismus, haben sich gemeinsam in der Soligruppe 9. Oktober organisiert. Ihr macht immer wieder darauf Aufmerksam, dass neben Antisemitismus auch Rassismus und Misogynie Tatmotive waren. Zusammen mit vielen weiteren Betroffenen von rechtem Terror in Deutschland und uns von der Burak-Ini engagiert ihr euch im Solidaritätsnetzwerk für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Ihr zeigt uns, was gelebte Solidarität meint: Betroffene rechten Terrors schließen sich zusammen.
Solche solidarischen Verbindungen sind sehr wertvoll.
Seit dem terroristischen Anschlag der Hamas vom 7. Oktober letzten Jahres gilt das umso mehr.
In Deutschland werden Juden*Jüdinnen häufig für den Krieg des israelischen Staates verantwortlich gemacht und Angriffe und Bedrohungen auf sie haben stark zugenommen.
Muslim*innen werden oft pauschal als Hamas-Unterstützer*innen gesehen, als solche dargestellt und mit Terrorismus in Verbindung gebracht, was mit entsprechenden Anfeindungen und Bedrohungen einhergeht.
Antisemitismus wird oft ausschließlich auf Muslim*innen projiziert und als „importiertes Problem“ dargestellt. Die Kontinuität des Antisemitismus in Deutschland wird somit negiert. Das Leid der Palästinenser*innen und der Jüdinnen*Juden hat keinen Raum. Tatsächlich aber erleben wir hier in Deutschland einen krassen Rechtsruck. Statt soziale Lösungen für soziale Probleme zu suchen, verschieben alle politischen Parteien die Aufmerksamkeit auf migrantisierte Menschen.
Jüdinnen*Juden und Muslim*innen werden auf diese Weise gegeneinander ausgespielt.
In dieser polarisierten und aufgeheizten gesellschaftlichen Situation wird schwieriger, was doch eigentlich so simpel, aber auch so essentiell ist: einander zuhören. Wir müssen einander zuhören, um Empathie füreinander zu entwickeln. Zuhören ist ein politischer Akt. Wir müssen Räume kreieren und Räume offen halten, in denen dies weiterhin möglich ist.
Angesichts der aktuellen politischen Situation und dem gestiegenen Antisemitismus, haben jüdische Überlebende formuliert, dass sie das Gefühl haben, langsam zu verstummen.
Zachor – erinnere dich! Diesen Imperativ als eines der zentralen Prinzipien im Judentum hat uns die Soligruppe 9. Oktober an Buraks Todestag in diesem Jahr übermittelt. Ihr habt gesagt – Zitat: „Dafür ist es wichtig, den Stimmen der Angehörigen von Ermordeten und den Überlebenden zuzuhören, immer wieder und wieder. Melek Bektaş, wir hören dich. Und wir werden dir weiterhin zuhören. Solange unsere Herzen schlagen, werden wir zuhören und für Aufklärung kämpfen. Und solange wir uns erinnern, werden wir gedenken.“
Diese Worte von euch haben uns sehr bewegt. Auch wir hören euch. Und wir wollen und werden euch weiter zuhören.
Gemeinsam werden wir Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus, Misogynie und andere Formen der Menschenfeindlichkeit bekämpfen.
Wir hören die Rufe nach Frieden und Gerechtigkeit von allen Seiten.
Erinnern wir gemeinsam.
Erinnern heisst kämpfen. Kämpfen wir für eine bessere Welt – gemeinsam!