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Redebeitrag – Nazis klatschen, ja die Nazis haben viel zu klatschen auch in Berlin.

Redebeitrag bei der Kundgebung Nazis klatschen im Görlitzer Park am 17. August 2024:

Nazis klatschen, ja die Nazis haben viel zu klatschen auch in Berlin.

In Berlin gibt es seit dem 16. Juni 2022 einen Untersuchungsausschuss zum sog. „Neukölln-Komplex“, also dazu, dass – in unseren Worten – in Neukölln seit über einem Jahrzehnt Bedrohungen, Anschläge und Morde statt finden. Angegriffen werden migrantische, linke und antifaschistische Menschen, nur der Mord an Luke Holland am 20.9.2015 wurde (teilweise) aufgeklärt. Zumeist konnten die Täter straflos handeln. Durch zivilgesellschaftlichen Protest konnte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss durchgesetzt werden.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll über 120 Nazistraftaten zwischen 2009 und 2021 untersuchen. Wir beschränken uns im Folgenden auf den unaufgeklärten Mord an Burak Bektaş am 5.4.2012 und den Mordversuch an 4 seiner Freunde vor dem Krankenhaus Neukölln und den teilweise aufgeklärten Mord an Luke Holland am 20.9.2015 Ringbahnstraße Ecke Walterstraße direkt an der S-Bahn Neukölln.

Burak und seine Freunde waren abends am 4. April 2012 in Südneukölln und unterhielten sich und tranken etwas zusammen. Als um kurz nach ein Uhr sie sich eigentlich von einander verabschieden wollten, trat ein unbekannter Mann wortlos zu ihnen und erschoss Burak und verletzte 2 seiner Freunde lebensgefährlich. Sie konnten nur durch Notoperationen gerettet werden.

Luke Holland war das erste Mal in der Nacht vom 19. auf den 20. September 2015 in einer Kneipe Ringbahnstraße Ecke Walterstraße. Um 6 Uhr früh stand er vor der Kneipe und telefonierte mit einem Freund, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Als er das Telefonat beendete, wurde er vom Nazi Rolf Zielezinski mit einer abgesägten Schrotflinte aus nächster Nähe erschossen.

Das war öffentlich bekannt vor dem Untersuchungsausschuss.

Jetzt wissen wir zum Mord an Burak Bektaş:
Der Ermittler Kriminalkommissar Alexander Hübner führte die Ermittlungsakten so, dass die Ermittlerin, die den Mord an Burak Bektaş 2020 übernahm – also 8 Jahre nach dem Mord – 2 Jahre Akten zusammenführen und Nachermitteln mußte. Anfang 2022 ermittelte nochmals eine ganze Kommission mehrere Monate. Wobei die Kriminalkommissarin vor dem Untersuchungsausschuss sagte, es sind 3 Tatortzeugen nicht bekannt. Also die Tatortermittlungen waren so schlecht, dass die Polizei weiß, dass 3 Menschen während des Mordes an Burak Bektaş am Tatort waren, die sie nie befragt haben, obwohl diese höchstwahrscheinlich noch da waren, als die Polizei am Tatort eintraf.

Der ermittelnde Mordkommissar Thomas Rakel berichtete vor dem Untersuchungsausschuss:
Die Polizei durchsuchte 3 Stunden nach dem Mord an Luke Holland am 20. September 2015 die Wohnung von Rolf Zielezinski. Direkt an der Wohnungstür wurden sie von einem großformatigen Bild von Hitler und anderen führenden Nazis begrüßt. In der Wohnung waren viele weitere Nazidevotionalien, Waffen und 1 Kilo Schwarzpulver. Sie informierten den Staatsschutz und fragten, ob der bei der Wohnungsdurchsuchung dabei sein wolle. Der Staatsschutz verneinte, sie sollen aber Fotos machen. Die Polizei fanden u.a. einen Revolver, der als Mordwaffe bei der Ermordung von Burak Bektaş in Frage kam. Dies war den anwesenden Polizisten auch bewusst. Aber da der Lauf zugeschweißt war, gingen sie in den folgenden Ermittlungen davon aus, das mit dieser Waffe nicht Burak Bektaş ermordet wurde. Obwohl der Lauf eines Revolvers ausgewechselt werden kann.
Die Polizei fand auch Telefonbücher und weitere Informationen über die Bekanntschaften von Rolf Zielezinski. Diese nahmen sie aber nicht mit, sondern ließen sie in der Wohnung liegen. Der Staatsschutz war ja nicht interessiert und sie nur für die Sicherung der Waffen etc. als „normale Polizei“ zuständig. Später befragte die Mordkommission die Ex-Lebensgefährtin zu Rolf Zielezinskis Umfeld, ihre Vorschläge waren dann das „Umfeld“, das vor dem Landgericht Moabit befragt wurde, im Prozess gegen den Nazi Rolf Zielezinski, der Luke Holland ermordete.
Die Polizei sichtete weder die Bücher, noch die Adressen oder die Nazidevotionalien. Sie behaupteten, Rolf Zielezinski sei ein Einzeltäter, ohne Kontakt in Nazistrukturen. Außerdem sei seine nationalsozialistische Gesinnung nicht eindeutig genug, Luke passe auch nicht in das Bild eines „Ausländerfeindes“ wegen seinem „mitteleuropäischen Aussehen“, deshalb sei der Mord an Luke Holland ein Mord ohne Motiv. Dabei blieben der damalige Ermittler Thomas Rakel und damals verantwortliche Staatsanwalt Michael von Hagen auch vor dem Untersuchungsausschuss. Beide sind inzwischen aufgestiegen.

Der ehemalige Leiter der Mordkommission Burak Bektaş Alexander Hübner stieg 2020 als leitender Ermittler beim Staatsschutz für politisch motivierte Kriminalität – Rechts auf. Im September 2023 wurde bekannt das er 387 rechte/rassistische Straftaten nicht verfolgte. Die Polizeipräsidentin von Berlin Babara Slowik sagte, es gäbe kein politisches Motiv, bei der Nicht-Ermittlung in 387 rechten/rassistischen Straftaten. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Zeugin behauptete sie gar, für die Verweigerung der Arbeit des Polizeibeamten nicht verantwortlich zu sein.

Ab 6. September geht der parlamentarische Untersuchungsausschuss weiter. Beamte vom Staatsschutz und VS werden als Zeugen geladen, anschließend dann Staatsanwälte…
Der Untersuchungsausschuss „Neukölln-Komplex“ zeigt, dass diese Institutionen mehr zivilgesellschaftliche Kontrolle und weniger Geld, Befugnisse und Personal brauchen oder anders gesagt: Eine Polizei außerhalb jeglicher Kontrolle muß aufgelöst werden!

Wir sehen uns bei den kommenden Protesten gegen den Zaunbau im Görli und/oder vor und in dem Abgeordnetenhaus beim Untersuchungsausschuss „Neukölln-Komplex“.

Redebeitrag zum OEZ-Anschlag-Gedenken am 22.07.2024 – 17 Uhr in München (& in Berlin am Oplatz) – “We will shine for these Nine”

Am 22.7.2024 jährte sich der rechtsterroristische Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München zum achten Mal. Wir erinnern an: Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabine, Selçuk und Sevda.
Mehr Informationen unter: muenchen-erinnern

Bei der Kundgebung in Berlin auf dem Oranienplatz konnten wir einen Redebeitrag halten:

Wir sind von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş aus Berlin und freuen uns, das nicht nur in München den Opfern des OEZ-Anschlags gedacht wird und wir euch so von hier aus solidarische Grüße senden können und sagen:

Liebe Eltern, liebe Angehörige, liebe Überlebende und liebe Unterstützer*innen der Initiative München erinnern,

gemeinsam wollen wir heute mit euch euren Liebsten, den Ermordeten des rechten Terroranschlags vom 22. Juli 2016 gedenken. Sie wurden vor 8 Jahren gewaltsam aus ihrem Leben, aus eurem Leben gerissen. Wir trauern um Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabine S., Selçuk Kılıç und Sevda Dağ.

Das Motiv des Täters war antimuslimischer Rassismus und Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja. Dass der Anschlag nun auch als ein rechter Terroranschlag anerkannt und bekannt ist, ist euch, Angehörige, Überlebende und solidarischen Menschen zu verdanken.

Euer Kampf um Aufklärung, euer Aufstehen für eure Liebsten kostet Kraft, sehr viel Kraft. Und er ist nicht nur wichtig für euch, sondern für uns alle. Zurecht sagt ihr, es ist nicht nur eure Geschichte. Rechter Terror, Rassismus, antimuslimischer Rassismus, Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja und Antisemitismus trifft uns alle, ob in München, Bayern, bundesweit oder weltweit.

Der Anschlag von vor 8 Jahren ist vielen Menschen in München präsent, sie erinnern sich, was sie gemacht haben, wo sie waren, um wen sie Angst hatten. Die überwiegende Mehrheit der Menschen war erleichtert, dass niemand aus ihrem nahen Umfeld betroffen war und es blieb für sie eine Erinnerung ohne Konsequenzen. Ihr aber, Angehörige, Betroffene und Überlebende des Terroranschlags wurdet in eurer Trauer alleine gelassen und ebenso im Kampf um Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit und Konsequenzen. Euer Wunsch und eure Forderung ist es, dass sich eure Mitmenschen in München und bundesweit solidarisieren.

Auch die Familie von Burak Bektaş aus Berlin-Neukölln fordert Solidarität. Gemeinsam mit der Familie von Burak und anderen solidarischen Menschen versuchen wir von der Burak-Initiative zu verhindern, dass der Mord an Burak Bektaş vergessen wird und fordern Aufklärung und Solidarität. Burak wurde am 5. April 2012 im Alter von 22 Jahren ermordet. Der Mord an ihm und der Mordversuch an 4 seiner Freunde vor nun über 12 Jahren ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Selbstenttarnung des NSU lag zum Zeitpunkt des Mordes nur wenige Monate zurück. Der Tathergang entsprach dem des NSU. Die Berliner Ermittlungsbehörden haben sich jedoch geweigert, ein rassistisches Mordmotiv zu verfolgen. Auch müssen wir aktuell den parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer wieder dazu auffordern, die rechten, rassistischen Strukturen in den Berliner Ermittlungsbehörden zu sehen und zu untersuchen. Ansonsten können die über 100 unaufgeklärten rechten, rassistischen und antisemitischen Verbrechen und die beiden Morde an Burak und Luke Holland in Berlin-Neukölln nicht aufgeklärt werden.

Die Stimmen der migrantischen Communities haben sich seit Jahrzehnten klar zu rechter, rassistischer Hetze und Gewalt geäußert. Staatliche Vertreter*innen, Medien und weite Teile der Mehrheitsgesellschaft dagegen versuchen diese Stimmen zum Schweigen zu bringen. Nach der Selbstenttarnung des NSU initiierten Angehörige und Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt 2014 eine bundesweite Vernetzung. Hieraus sind auch Veranstaltungen wie die NSU-Tribunale entstanden. Die NSU-Tribunale gehen Forderungen der Angehörigen nach, Forderungen, die weder Staat noch Gerichte als Aufgabe für sich auch nur ansatzweise begreifen.

Melek Bektaş, Buraks Mutter sagte in ihrer Rede auf dem NSU-Tribunal 2017 in Köln:

„Ich habe hier gesehen, wie viele Opfer es gibt. Wie viele gibt es noch von ihnen, von denen wir noch nichts wissen? Wenn wir schweigen, wird das immer wieder passieren. Jetzt ist die Zeit unseres Schweigens vorbei, wir werden nicht mehr schweigen. … Dieses System des Rassismus soll nicht so weitergehen. Ich habe hier gesehen, wenn wir Hand in Hand gehen, dann werden wir stärker.“

Ihr, die Initiative München erinnern, seid bundesweit vernetzt. Ihr erhebt laut eure Stimmen und kämpft mit anderen solidarisch an ihrer Seite. Euer Scheinen ist keine Zukunft, sondern Gegenwart. Und eurer Liebsten wird heute bundesweit an vielen Orten erinnert, ihre Namen genannt. So auch hier am Oplatz zeitgleich mit der Gedenkveranstaltung in München und an anderen Orten – und wir sagen:

We shine for Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabina, Selçuk und Sevda.

Für eine gegenseitige Anteilnahme und gegen das Vergessen!

Für eine Gesellschaft, in der sich alle solidarisieren wenn es zu rechter Meinungsmache, rassistischer Hetze, rechter und faschistischer Gewalt kommt. Euer Kampf sollte unser aller Kampf sein!

Alle gemeinsam gegen den Faschismus!

Letzte Sitzung vor der Sommerpause am 28. Juni — Bericht zur Sitzung des PUA zum Neukölln-Komplex am 31.5.2024:

Der Mord an Luke Holland wird wieder von Polizei und Staatsanwaltschaft versucht, zu einem Mord ohne Motiv!, zu erklären.

Der Untersuchungsausschuss erklärt Rechtsmittel gegen das Land Berlin einzulegen. Denn dem Ausschuss werden Akten, die zur vollständigen Aufklärung notwendig sind, verwehrt.

Philip Holland, der Vater des am 20. September 2015 Ermordeten Luke Holland, muss sich im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wiederholt anhören, wie ein rechtes, ein politisches Mordmotiv seitens der Ermittlungsbehörden weggewischt wird. Philip Holland reiste hierfür extra aus Manchester an.

Der Zeuge Rechtsanwalt Özata (RA der Familien Holland und Bektaş) vor dem Untersuchungsausschuss zu den Ermittlungen der Behörden:
Es gehe nicht darum jemanden vorzuwerfen, dass er nicht erfolgreich ermittelt. Aber: „Man muss einen Mordfall auch als einen Mordfall behandeln.“ Es sei nicht ernsthaft ermittelt worden.
Es habe Parallelen im Mordfall Burak Bektaş und dem Mordfall Luke Holland gegeben. Die Ermittlungen seien eher unmotiviert durchgeführt worden. Es sei „wenig Energie und Engagement reingesteckt“ worden. Anfragen der Nebenklage wären erst nach Monaten beantwortet worden oder gar nicht und wenn sie beantwortet wurden, waren die Antworten von der Staatsanwaltschaft „schmallippig oder falsch“. Es entstand der Eindruck, dass der Staat nicht ausreichend ermittelt. Für Angehörige sei das unerträglich, so Ozata
Der Zusammenhang im Mordfall Burak Bektaş zu dem Täter Rolf Zielezinski sei nicht ausermittelt worden, stattdessen seien die Nebenklageanwälte diskreditiert worden. Die Nebenklage ist eher wie ein Störfaktor oder Netzbeschmutzer behandelt worden. Dieses wurde erst besser als Frau Emmert 2020 die Ermittlungen übernahm.

Nach der Befragung von RA Özata hielt der parlamentarische Untersuchungsausschuss um 12:30 eine Pressekonferenz ab.
Auf der Pressekonferenz erklärt der Unterschuchungsausschuss, er werde gegen die Entscheidung des Landgericht Berlin Rechtsmittel einlegen, da dem Ausschuss nicht vollumfänglich alle Akten vorliegen, insbesondere was die Ermittlungsarbeit der BAO Fokus betrifft.
Außerdem empörten sich die Abgeordneten des Untersuchungsausschuss über die mangelnde Zusammenarbeit des Bundesinnenministeriums, das auf die Anfrage nach Akten des PUA noch nicht mal antwortete.

Nach der PK ging es mit der Befragung des Ermittlters Thomas Rakel weiter:
Die Wohnung von Rolf Zielezinski war voller Militaria und NS-Devotionalien. Sie informierten den Staatsschutz wegen möglichen politischen Hintergründen, dieser sagte ihnen sie wollen bei der Durchsuchung nicht mit dabei sein, aber wären an Fotos von der Wohnung interessiert.
Von Anbeginn war bei der Wohnungsdurchsuchung bei Rolf Zielesinski am Tattag der Bezug zum Mord an Burak Bektaş Thema. Einer der durchsuchenden Polizisten war Ermittler im Mordfall Burak Bektaş. Dem fiel der Revolver sofort auf. Deshalb hätten sie die Waffe gesichert, abgeglichen und kamen zu dem Ergebnis, als Tatwaffe kommt sie nicht in Frage, da nicht funktionsfähig. Der Lauf war dicht gemacht worden. Das der Lauf eines Revolvers ausgewechselt werden kann, irritierte die Polizisten nicht. Selbst passende Munition wurde bei der Durchsuchung gesichert!
Sie hätten Bücher und Schriftstücke nur oberflächlich gesichtet, nicht genauer angeschaut. Rakel so: „Spielte nicht entscheidende Rolle. War nicht zu übersehen. Wir haben nicht geschaut, ob es eine Verbindung ins rechte Netzwerk gab. Wir haben den Anlass nicht gesehen. Er war ein Einzeltäter.“
Zurecht fragte Niklas Schrader: „Das wussten Sie zu dem Zeitpunkt schon, das er ein Einzeltäter war?“ Seine Antwort: „Ist nie in Erscheinung getreten in ihrer Statistik politisch Rechts (Anm. d. Verfasser*innen: des Staatsschutz). War Daueralkoholiker.“
Auf die Frage, ob sie den Sprengstoff und das Waffenzubehör überprüft haben, woher das kam, sagte Rakel: „Nein wir haben nichts gemacht.“ Und auf die Frage, ob sie Sprengstoff und Waffen daraufhin überprüft haben, ob es bei anderen Taten verwendet wurde, antwortete er: „Weiß ich nicht. Man kann es machen, wenn man eine Idee hat.“ Bezüglich Schwarzpulver sagte er tatsächlich: „Schwarzpulver wird in der Regel für Feuerwerk benutzt.“
Das im Rahmen der Sprengstoffanschläge des Neukölln-Komplex gar TNT zur Sprengung des Briefkastens benutzt wurde, scheint sie nicht zu Interessieren. Der Nagelbombenanschlag in der Probsteigasse und der Keupstrasse durch den NSU, die mit Schwarzpulver ausgeführt wurden, scheinen ihnen egal zu sein.
An Ressourcen habe es jedenfalls nicht gelegen, sondern an der „Ermittlungsökonomie“. „Hatten anderes zu tun.“ Im Beisein des Vaters von Luke Holland sagte er, es habe einen Mord an einem Polizisten in Spandau im November 2015 gegeben, da hatten sie sinngemäß dann Wichtigeres zu tun. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie natürlich weiter an dem Mord an Luke ermitteln können, dann hätten sie keine neuen Fälle bekommen.
„Wir beschränkten uns auf Täterüberführung. Das Motiv blieb im Dunkeln.“ Eigene Ermittlungen zum Umfeld von Rolf Zielezinski gab es nicht, in Telefonbücher o.ä. haben sie zwar geschaut aber mehr nicht, der Staatsschutz war ja nicht interessiert, deshalb ließen sie diese in der Wohnung einfach liegen. Lediglich die Aussage von Frau Karpmann, der Lebensgefährtin von Rolf Zielesinski und Mutter seiner 3 Söhne, war Grundlage ihrer Ermittlungen und Befragungen.
Im Endeffekt hat die (ex-)Lebensgefährtin des Mörders von Luke Holland, der Polizei vorgeschlagen, was das Umfeld des Mörders sei. Und die Polizei hielt sich daran, das nennt sich dann „Ermittlungsökonomie“. Das Frau Karpmann dabei der Polizei keine aktiven, organisierten Nazis wie Jan Sturm (geboren 1965), ebenfalls wohnhaft in der Nähe der S/U-Bahn Neukölln, als soziales Umfeld ihres (ex-)Lebensgefährten vorschlug, kann nicht überraschen.
Die Aufspaltung der Polizeiermittlungen zwischen “normale” Polizei, die sich angeblich nur für die Tatwaffen etc. und “politische” Polizei also Staatsschutz scheint eine weitere Ausrede zu sein, weshalb nicht ermittelt wurde. Da der Staatsschutz nicht interessiert war, wurden dann eben die Adressbücher von dem Mörder von Luke Holland nicht beachtet. Die “politische” Polizei kommt nur dann zum Einsatz, wenn es ein Interesse von oben oder wem(?) gibt.
Nach diesem erschreckend ignoranten Ermittler wurde nach einer kurzen Pause der leitende Staatsanwalt Michael von Hagen befragt.
Von Hagen präsentierte sich breitarmig auf die Tische gestützt und den Oberkörper nach vorne gebeugt mit leicht gesenkten Kopf im Zeugenstand. Scheinbar sollte so gleich klar gemacht werden, wer hier Herr im Hause ist.
Während von Hagen bestätigte, dass er als leitender Staatsanwalt „Herr des Verfahrens“ bei den Ermittlungen zum Mord an Luke Holland war, bestritt Horstmann in seiner Aussage vor dem PUA am 12.4.2024 als leitender Staatsanwalt bei den Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş verantwortlich gewesen zu sein.
Von Hagen regte sich über die Presseberichte auf, in denen Vieles Falsche berichtet worden sei.
Danach begann er alles und nichts klein zu Reden:
Bei der Durchsuchung 2006 bei Rolf Zielezinki sei zwar Munition gefunden worden, so 40-60 Stück, teilweise auch funktionsfähig, aber keine Waffe. Das diese nicht im Registriersystem vorhanden war, lag an den Löschfristen und der Zeuge dazu war ja auch in der Hauptverhandlung. Es ging „lediglich um Munition“.
Dass Rolf Zielezinki sich „Ausländerfeindlich“ äußerte wurde ja in den Aussagen im Prozess teilweise abgeschwächt und das die Wohnung von Rolf Zielezinski voller Nazidevotionalien war, werden in der Aussage des ermittelnden Staatsanwalts zu „einzelnen Anhaltspunkten, die an so ein Motiv denken lassen“.
Auf die Frage ob z.B. „Mein Kampf“ von Adolf Hitler unter den Büchern in den Regalen in Rolf Zielezinskis „Sammlerzimmer“ gewesen sein, sagte von Hagen, wisse er nicht, es privat zu Hause zu haben, sei nicht verboten. Eine Hakenkreuzfahne in der eigenen Wohnung zu haben sei auch nur verboten, wenn sie ins Fenster gehängt werde und von außen gut zu sehen sei. (Der Partonenhalter in Hakenkreuz-Form neben der Hitlerbüste im „Sammlerzimmer“ waren natürlich nicht von außen gut zu sehen.)
Rolf Zielezinski sei nicht politisch, da er die letzten 5 Jahre keine Einträge beim Staatsschutz hätte.
Es habe „keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein politisches Mordmotiv vorgelegen“, so der damalige Staatsanwalt und heutige Zeuge von Hagen. Es sei nicht legitim(!) eine Anklage wegen politischer Motivation zu erheben. Es wäre gewagt eine Anklage mit einem politischen Motiv bei Rolf Zielezinki zu erheben, könne man aber machen.
Von Hagen verstieg sich gar noch zu der Aussage: Der Vorwurf, dass es Versäumnisse bei den Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş gegeben hätte, sei „absurd“. All dies ließen die Abgeordneten den in die Verwaltung aufgestiegenen ex-Staatsanwalt unwidersprochen sagen.
In der Sitzung zuvor hörten wir von der Ermittlerin Emmert, dass die Ermittlerkommission mehrere Monate die Akten sichten und ordnen mußten, als sie diese Ermittlungen zum Mord an Burak Bektaş vom vorherigen Ermittler Hübner übernahm. Da Akten nicht zusammengeführt, fehlend, in Ablagen und sonst wie verstreut waren. Sie hätte das alleine nicht in einem absehbaren Zeitraum geschafft zu ordnen. Genau so sehen „Versäumnisse“ aus!
Die CDU fragte, wann es überhaupt ein politisches Motiv gäbe. Daraufhin berichtet von Hagen, das er in seiner Laufbahn nur ein einziges Mal erlebt habe, dass der Staatsschutz einen Fall an sich gezogen habe. Dabei ging es um einen Türken und Ermittlungen zur PKK. Er sei seit 1994 Staatsanwalt gewesen.
Anschließend war er ab 2016 beim Staatsschutz. Eigentlich gibt es Fallkonferenzen. Sie sahen keine Veranlassung bei den Morden an Burak und Luke eine Fallkonferenz zwischen den beiden Dezernaten, die zum Mord an Luke Holland und Burak Bektaş ermittelten, zu machen.
Desweiteren konnten wir erfahren, dass es galt eine überlange Ermittlungsdauer zu verhindern und dass er in der Anklage das Schwarzpulver nicht einbezogen hat, da es dafür ja nur eine Bewährungsstrafe gebe. Er sprach von 400 Gramm Schwarzpulver, im Prozess wurde von einem Kilo Schwarzpulver gesprochen. Die Nagelbombe, die in der Keupstraße am 9. Juni 2004 explodierte, bestand aus knapp über 5 Kilo Schwarzpulver und verwüstete die ganze Straße und verletzte viele Menschen lebensgefährlich, die noch heute an den Folgen leiden.
Die Waffen und der Mord reichten schon für eine Verurteilung…und es ging darum den Prozess zu verschlanken.
Sie haben keine Fehler gemacht, dass sehe er auch heute noch so.

Weder Polizei noch von Staatsanwaltschaft übernehmen irgendeine Verantwortung für jahrzehntelange Straflosigkeit für Nazis in Neukölln. Es stellt sich die Frage ob diese Staatsanwaltschaft und Polizei in Berlin überhaupt einen Sinn machen, gegen Nazis und Rassist:innen offensichtlich nicht. Das durch die fortgesetzte Straflosigkeit für Naziverbrecher logischer Weise die Naziszene auch in Berlin wächst, ist mindestens unproblematisch für Staatsanwaltschaft und Polizei.

Am Freitag, den 28. Juni 2024 ist die nächste Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Neukölln-Komplex. Es werden zwei Personen des Staatsschutzes als Zeugen gehört. Es ist zu fürchten, dass wieder die Sitzung größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten wird. Um so wichtiger ist es, zur Kundgebung um 8:30 vor dem Abgeordnetenhaus (Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin-Mitte) zu kommen und für die Auflösung des Staatsschutz und VS zu demonstrieren.
Die nächsten Sitzungen des PUA „Neukölln-Komplex“ finden am 6. und 20. September statt.

Statement von Philip Holland beim PUA Neukölln-Komplex am 31. Mai 2024

Philip Holland, der Vater von Luke Holland, reiste von Manchester nach Berlin um den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss “Neukölln-Komplex” zu beobachten, bei dem am 31. Mai 2024, die Mordermittlungen an seinem Sohn behandelt wurden. Er brachtet dieses Statement mit:

Firstly, with regards to the murder of Burak Bektas. That a radio presenter could establish more about the suspect, than the police, including that he did have connections to the area of the shooting, through his brother, I find this laughable.
I feel the lack of investigation into this murder gave the suspect confidence to allowing him to kill my son.
With regards to my sons murder. How the prosecutor could initially charge the suspect with manslaughter I find ridiculous. I feel the police, with a charge of manslaughter wanted the case to be quickly conclude, however with the pressure from the media and our lawyers, the charge was correctly altered to murder.
With the evidence found in the suspects home and background statements from witnesses, I cannot understand how the judge could not conclude that this was a Neo Nazi, racist hate crime.
I feel that the sentence was too lenient and cannot understand how the judge could deduct years from the 15 year sentence, based on his feelings, that the suspect may have been under the influence of alcohol, that my son did not suffer and that this was not a Neo Nazi hate murder.
Finally, at the end of the trial, my wife confronted the defendant, with a photograph of our son, and asked “why did you kill my son”.
His one word answer was “English”.
That proves his feelings about Foreigners.
—-
Erstens in Bezug auf den Mord an Burak Bektas: Dass ein Radiomoderator mehr über den Verdächtigen als die Polizei ermitteln konnte, einschließlich der Tatsache, dass er durch seinen Bruder Verbindungen zum Ort der Schießerei hatte, finde ich irrwitzig.
Ich habe das Gefühl, dass der fehlende Ermittlungsdruck nach diesem Mord dem Verdächtigen das Selbstvertrauen gegeben hat, meinen Sohn umzubringen.
In Bezug auf den Mord an meinem Sohn: Wie der Staatsanwalt den Verdächtigen zunächst wegen Totschlags anklagen konnte, finde ich irrwitzig. Ich habe das Gefühl, dass die Polizei mit einer Anklage wegen Totschlags wollte, dass der Fall schnell abgeschlossen wird, aber durch den Druck der Medien und unserer Anwälte wurde die Anklage korrekt in Mord geändert.
Mit den Beweisen, die im Haus der Verdächtigen gefunden wurden und den Hintergrundaussagen Zeugen, kann ich nicht verstehen, wie der Richter nicht zu dem Schluss kommen konnte, dass dies ein Neo-Nazistisches / rassistisches Hassverbrechen war.
Ich habe das Gefühl, dass das Urteil zu mild war und kann nicht verstehen, wie der Richter Jahre von dem 15-jährigen Strafmaß abziehen konnte, basierend auf seiner Annahme, dass der Verdächtige möglicherweise unter Einfluss von Alkohol stand, dass mein Sohn nicht gelitten habe und dass dies kein Neo-Nazi-Hassmord wäre.
Schließlich konfrontierte meine Frau am Ende des Prozesses den Angeklagten mit einem Foto unseres Sohnes und fragte: “Warum hast du meinen Sohn getötet?”
Seine Ein-Wort-Antwort war “Englisch”
Das beweist seine Abneigung gegen Ausländer.

Philip Holland besucht PUA-Sitzung am 31. Mai 2024

Wir freuen uns sehr, dass wir Morgen gemeinsam mit Philip Holland, dem Vater von Luke Holland, die Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschus / PUA – Neukölln-Komplex besuchen können. Er ist aus Manchester angereist, um die Sitzung zum Mord an seinem Sohn zu verfolgen.

Was er von dem PUA erwartet, hat uns Philip Holland zu Lukes Geburtstag am 4. April 2024 geschrieben: link

Stellungnahme zur Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss/PUA-Neukölln-Komplex am 17. Mai.

Einladung zur nächsten PUA-Sitzung am 31. Mai 2024 und zur Veranstaltung „Die Aufarbeitung des Neukölln-Komplexes – eine Zwischenbilanz“ am 4. Juni 2024 im HAU 2.

Am 31. Mai 2024 wird sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss mit dem Mord an Luke Holland beschäftigen. Befragt werden der Staatsanwalt von Hagen, der Anwalt von Lukes Eltern Onur Özata und der Polizist Rakel.

Luke Holland wurde am 20. September 2015 in Neukölln ermordet. Da es viele Ähnlichkeiten zwischen dem Mord an Luke und dem Mord an Burak Bektaş gab, sagte Luke Hollands Mutter Rita Holland: „Wäre beim Mord an Burak ordentlich ermittelt worden, hätte der Mord an Luke Holland möglicherweise verhindert werden können und Luke wäre noch am Leben.“
Brisant ist, dass der Name des Mörders von Luke Holland, Rolf Zielezinski, auch schon 2013 in der Akte zum Mord an Burak Bektaş auftaucht. Der Nazi Rolf Zielezinski war einem Hinweisgeber als Waffenbesitzer mit einem engen Bezug zum Tatort des Mordes an Burak Bektaş bekannt. Doch diesem Hinweis wurde nicht sorgfältig nachgegangen. Das hat der damalige Kommissar Hübner zugegeben, weil es ihm nachgewiesen wurde. „Das war nicht ausreichend ausermittelt“, bestätigte die Polizistin Marianne Emmert, die die Ermittlungen von Hübner 2020 übernommen hat, während ihrer Befragung in der letzten Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Die Familien Holland und Bektaş gehen davon aus, dass ihre Söhne von demselben Täter Rolf Zielezinski ermordet wurden. Wir fordern, dass im Rahmen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses alles unternommen wird, um diese These auszuschließen oder zu belegen.

Rolf Zielezinski wurde für den Mord an Luke Holland verurteilt, allerdings ohne dass der Richter ein Motiv feststellte. Im Prozess kamen jedoch zahlreiche Belege für das rechte und rassistische Weltbild Zielezinskis zur Sprache. Der Mord wurde im Prozess entpolitisiert. War der Richter nicht fähig oder nicht willens ein rechtes Motiv zu erkennen?

Nun wollen wir einen Blick zurück auf die letzte Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses werfen. In der letzten Sitzung wurde die Polizistin Marianne Emmert befragt. An ihrer Seite hatte sie eine Anwältin, die sie mehrmals unterbrach und auf für bestimmte Themengebiete nicht vorliegende Aussagegenehmigungen hinwies.
Frau Emmert war zum Zeitpunkt des Mordes an Burak 2. Tatortbeamtin und Sachbearbeiterin im LKA 116 in der 6. Mordkommission. Am Morgen nach dem Mord hat sie zwei Zeugenvernehmungen und eine Hausermittlung durchgeführt und wurde in den Folgejahren punktuell zu den Ermittlungen hinzugezogen. 2020 wechselte der bis dahin die Mordermittlungen leitende Kommissar Hübner zum Staatsschutz. Mittlerweile ist er aus der Presse bekannt, weil er fast 400 Fälle rechtsextremer Straftaten unbearbeitet hat liegen lassen. Aktuell läuft deswegen ein Strafverfahren gegen ihn wegen Strafvereitelung.
Marianne Emmert wurde beauftragt, die Ermittlungen im Fall Burak zu übernehmen. Bis 2022 wurde Emmert ganz für diese Aufgabe freigestellt. Anfang 2022 ermittelte dann nochmal die gesamte Mordkommission zum Mordfall Burak.
Frau Emmert hat sich sehr zurückhaltend über ihren Vorgänger geäußert, aber was wir verstanden haben ist: Hübner hat schlechte Arbeit geleistet. Er hat unvollständig ermittelt, ist wichtigen Spuren nicht ausreichend nachgegangen, hat die Akte schlecht geführt und offenbar einen Wust an Dokumenten hinterlassen, in dem der Fortgang der Ermittlungen schwer nachzuvollziehen war und in dem nicht alle Beweismittel auffindbar waren.

Sinngemäß hat Kommissarin Emmert konkret Folgendes gesagt:
Nachdem sie die Ermittlungen übernommen hat, war es ihr wichtig, den Ermittlungsstand zu erfassen. Neben der Akte, die auch die Anwält*innen von Familie Bektaş einsehen konnten, gab es viele weitere Ablageorte, sowohl digital als auch physisch, was in diesem Ausmaß nicht üblich ist. So waren bspw. manche Berichte, die immer in die Akte gehören, im Original in einer internen Ablage abgelegt. Manche Beweismittel waren nicht mehr im Original auffindbar. Das betrifft etwa eine Videosequenz, die von einer Zeug*in aufgenommen worden war. In den Akten ist belegt, dass es diese Aufnahme gab, aber die Aufnahme ist nicht mehr auffindbar. Laut Emmerts eigener Aussage ist es Standard, dass alles, was zum Fall gehört, in die Akte kommt. Für die Arbeit der Anwält*innen der Familie Bektaş ist diese Akte die wichtigste Informationsquelle. Ist die Akte nicht vollständig, wird ihre Arbeit sozusagen torpediert.
Gefehlt habe in der Akte auch ein Bericht, der 2014 beim Staatschutz von der „AG Fiat“ verfasst worden war. Diese AG sollte Ermittlungsansätze mit Bezug auf „politisch motivierte Kriminalität rechts“ prüfen. Kommissarin Emmert habe dafür gesorgt, dass dieser Bericht Bestandteil der Akte ist als „Sonderbände Ermittlungskomplex IV“ und nicht mehr als geheim eingestuft ist. Wie hierbei durch Zufall herauskam, liegt dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss dieser Aktenteil jedoch überhaupt nicht vor. Wir fordern, dass dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sofort alle fehlenden Aktenteile zur Verfügung gestellt werden. Wir akzeptieren keine weiteren Versuche der Vertuschung.
Jedenfalls hat die Einarbeitung in den Fall unter diesen Voraussetzungen viel Zeit beansprucht. Mit der Aktenführung Hübners war Emmert Zitat „nicht so zufrieden“, denn es habe sich nicht alles erschlossen und nicht alles sei nachvollziehbar gewesen. Ihr sei klar geworden, dass da noch viel aufgearbeitet werden müsse, dass da „Erfordernisse bestehen“ und, dass da noch mehr zu tun sei als bei Übergabe gedacht.
Erklärungsbedürftig blieb der Sachverhalt, dass zwischen Hübner und Emmert keine Übergabe stattgefunden hat. Sie habe nur einmal Kontakt aufgenommen wegen einer einzelnen Frage. Normalerweise sei aber eine intensive Übergabe die Regel. Dass Hübner in der Zwischenzeit in einer anderen Dienststelle tätig war, scheint hier als Begründung nicht ausreichend überzeugend, denn es könnte ja auch über Dienststellen hinweg eine Einarbeitung organisiert werden. Doch auch Emmert habe nicht versucht auf eine solche Einarbeitung durch Hübner hinzuwirken. War allen Beteiligten klar, dass Hübner schlecht arbeitet und keine Hilfe sein würde?
Was war der Hintergrund für diese ungewöhnliche Übergabe? Hübner hatte auch zuvor schon die Kommission gewechselt und den Fall Burak mitgenommen. Weshalb war es diesmal anders?
Jedenfalls hat sich Frau Emmert wohl weitgehend alleine ein Bild der Lage gemacht und nach Durchsicht aller Unterlagen einen neuen Ermittlungsplan erstellt.
Denn in den bisherigen Ermittlungen hatte sie Lücken festgestellt, die sie sich auf Grundlage der Akte nicht erklären konnte. Sie betont, dass sie nicht beurteilen könne, ob Ermittlungen tatsächlich nicht durchgeführt oder lediglich nicht dokumentiert wurden.
Dies betrifft zum Beispiel die Befragung der Anwohnenden in Tatortnähe. Hier waren 20 Personen nicht angetroffen und offenbar nicht befragt worden, sodass sie bspw. in diesen 20 Fällen Nachermittlungen anordnete.
Nachermittelt wurde auch zu einer Infoveranstaltung über Nazistrukturen in Süd-Neukölln am Bat Yam Platz in Gropiusstadt am 4.4.2012, am Abend vor dem Mord an Burak, bei der Nazis versuchten zu stören. Diese wurden auf eine mögliche Tatbeteiligung überprüft.
Weiterhin gab es in den Ermittlungen 2 Listen mit zu überprüfenden Personen aus dem rechtsextremen Spektrum mit Tatortbezug. Diese waren in der Akte zusammengeführt und um neun Personen gekürzt worden. Diese fehlenden neun Personen hat Emmert überprüfen lassen.
Auch im Fall Rolf Zielezinski, dem Mörder von Luke Holland, ließ sie nachermitteln. Sie sagt deutlich: „Das war nicht ausreichend ausermittelt“. Entsprechende Hinweise lagen vor. Sie haben deswegen Personen im Umfeld von Zielezinski befragt, um sich soweit noch möglich ein Bild von Zielezinskis Lebensumständen im Jahr der Tat 2012 zu machen. Das Umfeld Zielezinskis war für die Polizei zugänglich. Wie wären diese Ermittlungen verlaufen, wenn sie 10 Jahre früher durchgeführt worden wären? Frau Emmert sagt auf die Frage, ob sie Zielezinski aufgrund der Nachermittlungen als Täter ausschließen konnte, sie könne „nichts ausschließen“. Aber sie könne keinen Anfangsverdacht begründen. Auch aus allen weiteren Nachermittlungen hätten sich keine neuen Ermittlungsansätze ergeben.
In Bezug auf die Nachermittlungen bestätigt sie auch, dass man nach 10 Jahren nicht mehr damit rechnen kann, detaillierte Aussagen zu erhalten und Ermittlungsergebnisse zu erzielen. Einiges ist in diesem zeitlichen Abstand nicht mehr erfolgversprechend, z.B. die Frage, wo sich jemand zur Tatzeit befand. Nach so einem langen Zeitraum sei jede Überprüfung „schwierig“.

Fehlende Ermittlungen sah sie in zwei Fällen: Es gab drei Zeugen, die am Tatort waren, die bis heute unbekannt sind. Und es gab eine Aussage zu einem möglichen Doppelgänger. Ausführlicher äußerte sie sich im Rahmen des öffentlichen Teils der Sitzung hierzu jedoch nicht.
So viel zur Kritik an den Ermittlungen unter Hübner, die aus der Aussage Emmerts deutlich wurde.

Doch auch unter Emmert wurde an problematischen Grundannahmen festgehalten:

  • Die Grundannahme eines engen Tatortbezugs des Täters. Wir wissen u.a. durch den NSU-Komplex, dass Neonazi-Netzwerke mitnichten lokal begrenzt sind. Wenn kein Täter mit engem Tatortbezug zu ermitteln ist, wieso wird dann an dieser Grundannahme festgehalten?
  • Zwei Monate vor der Tat wurden rassistische Drohbriefe von Reichsbürgern versendet. Darin wurde angedroht u.a. Migrant*innen, so sie Deutschland nicht freiwillig verlassen, zu erschießen. Das Reichsbürgerspektrum wurde aber weder von Hübner noch von Emmert überprüft.
  • Aus dem NSU wurde nichts gelernt. Danach gefragt, ob in der Polizeiarbeit bestimmte Verfahrensweisen oder Standards eingehalten werden müssten, wenn ein Tathergang dem des NSU ähnele, antwortet Emmert, sie hätte keine festgelegten Standards zur Anwendung gebracht, ihr fielen da keine ein. Scheinbar benötigt die Polizei ein rechtsextremes Bekennerschreiben oder wenigstens ein hingesprühtes Hakenkreuz, um die Überprüfung eines rechten oder rassistischen Motivs als angeraten zu betrachten.

Wer so denkt, kommt dann auch zu anderen Schlussfolgerungen als wir bei der Frage warum nicht aufgeklärt wurde. Und die hören sich dann etwa so an: „Es gab kaum einzelne identifizierbare Merkmale, keine Äußerung, die eine Motivlage nahelegt, nur eine oberflächliche Beschreibung des Täters und so gut wie keine objektiven Spuren“. Es scheine „schier unmöglich einen Anfangsverdacht zu begründen“.

Wir fragen weiter: War das Motiv Rassismus?

Wir laden Euch ein zur nächsten Sitzung am 31. Mai um 9 Uhr, vorher findet ab 8:30 eine Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin statt.

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Außerdem möchten wir zur Veranstaltung am Dienstag den 4. Juni 2024 im HAU 2 (Hallesches Ufer 34, 10963 Berlin) um 19 Uhr einladen:

„Die Aufarbeitung des Neukölln-Komplexes – eine Zwischenbilanz“
mit Helga Seyb, Ferat Koçak, Christiane Schott, Claudia von Gélieu und Karin Wüst.

Im Rahmen der Aktionswoche „Europa den Vielen“ von Die Vielen e.V. vom 3. bis 9. Juni

NSU-Watch-Protokoll zur PUA Neukölln-Komplex vom 12. April 2024

„Für die Familie ist es schwer erträglich, dass der der Fall nicht aufgeklärt wird.“ – 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (12. April 2024) – nsu-watch.info/

Am 24. April veröffentlichte NSU-Watch eine Einschätzung zu dem Aussageverhalten von Polizeibeamten:
„Also wir waren alle toll“ – Die Aussagen von Polizeibeamt*innen im Neukölln-Untersuchungsausschuss – nsu-watch.info/

Statement zur 2. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zum unaufgeklärten Mord an Burak Bektaş – im Rahmen des PUA “Neukölln-Komplex”, am 26.4.2024

Zeugen

  • Helga Seyb: Opferberaterin bei ReachOut
  • Christian Schulz: Polizeibeamter, der die VICLAS-Anfragen und Teile der OFA’s (operative Fallanalysen) machte
  • Martin Knispel: Staatsanwalt, von Beginn an Stellvertreter von Dieter Horstmann, dem leitenden Staatsanwalt der Mordermittlung zu Burak Bektaş und löste diesen 2020 ab

Helga Seyb berichtete in ihrem Einleitungsstatement über 20 Jahre Erfahrung mit der Berliner Polizei als Beraterin für Opfer rechter/rassistischer Gewalt und deren Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt: Sie beschreibt die Weigerung der Polizei, Anzeigen aufzunehmen und rechte/rassistische Gewalt ernst zu nehmen und die immer wieder deutliche Haltung, diese als verständlich anzusehen und aus dem NSU nichts lernen zu wollen. Sie schildert, wie diese Einstellung der Polizei ursächlich dazu führt, dass rechte und rassistische Gewalt nicht aufgeklärt wird und, dass die im Vergleich zu anderen Städten große Anzahl von 27.000 Polizist:innen in Berlin dafür offensichtlich nicht hilfreich ist, sondern eher kontraproduktiv. So wird diese beispielsweise im Fall des Mordes an Burak Bektaş dafür genutzt, zu behaupten, es sei nicht möglich, herauszufinden, welcher Polizist dafür verantwortlich sein könnte, dass der Berliner Kurier Ende 2019 behauptete, die üble Nachrede über Burak stamme aus Polizeikreisen. Diese üble Nachrede verursachte neben dem nicht aufgeklärten Mord an Burak zusätzlichen Schmerz bei der Familie Bektaş. Ibrahim Arslan bezeichnete die polizeilichen Ermittlungen nach dem Brandanschlag in Mölln 1992, bei dem drei seiner Familienangehörigen starben, als Anschlag nach dem Anschlag. So dürfte es auch der Familie Bektaş gehen.
Für die Familie ist es unverständlich, warum sie so viel Kraft aufwenden müssen für Aufklärung, warum „eine Mauer gegen sie aufgebaut wird“. Die Familie hat ihren Sohn verloren und muss mit der Straflosigkeit und einem nicht ermittelten Täter leben. „Das ist keine Gerechtigkeit“, sagt Melek Bektaş.
(Das Statement von Helga Seyb: link / PDF-Dokument.)

Als zweiter Zeuge wurde der „Fallanalytiker“ Christian Schulz, tätig in der „Ermittlungseinheit Operative Fallanalyse“ (AE OFA), gehört. Absurder Weise konnte dabei im öffentlichen Teil der Zeugenanhörung nicht über konkrete Details bezüglich der Operativen Fallanalyse (OFA) zum Mord an Burak Bektaş gesprochen werden, für die Schulz verantwortlich war. Der Innensenat und der Justizsenat von Berlin haben sämtliche Akten zum Mord an Burak Bektaş und Luke Holland als NFD/Nur für den Dienstgebrauch eingestuft. Die Behörde, die für die Nicht-Aufklärung des Neukölln-Komplexes verantwortlich ist, entscheidet, was öffentlich und was nichtöffentlich verhandelt wird und der parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) folgt dem. Wir fordern die Mitglieder des PUA auf, sich konsequent dafür einzusetzen, dass die Einstufung als NFD zurückgenommen und die Inhalte des Ausschusses öffentlich verhandelt werden. Genauso müssen die Protokolle der Sitzungen veröffentlicht werden.

Schulz führte ca. 1,5 Jahre nach dem Mord an Burak eine ergänzende Fallanalyse zu den Mordermittlungen durch. Er behauptet, er habe als Fallanalytiker den Anspruch, im Team und frei von Druck die objektiven Daten herauszufiltern, um letztendlich eine Alternative zu bisherigen Ermittlungsansätzen bieten zu können. „Objektivität“ stellt er als zentral für den Ansatz bei der Arbeit einer AE OFA dar. Aber die Tatsache, dass ein weißer Mann auf fünf junge Männer mit Migrationsgeschichte schießt, stellt für ihn keine solche „objektive Sachlage“ dar. Das begründet er damit, dass im Umkehrschluss – so hätten das auch alle im Auswertungsteam gesehen – es ja nicht gesichert sei, dass der Täter nicht geschossen hätte, wenn die Opfer keine Migrationsgeschichte gehabt hätten. Ob sich hier die Fallanalytiker völlig in Spekulationen verrannt haben, wurde nicht gefragt.
Für Schulz stellt das Täterverhalten den unsichersten Faktor bei der Fallanalyse dar. Es sei immer bedürfnisgesteuert. Auf ein klares Motiv komme er in diesem Fall nicht, denn es gebe kein Täterverhalten außer „kommt – schießt – geht“. Gerade mit dieser von ihm mehrmals wiederholten Phrase belegt er unbeabsichtigt die Nähe des Mordes an Burak zu den Untaten des NSU. Aber eine Verbindung zu ähnlichen Taten – wie dem NSU – zu suchen, sei nicht seine Aufgabe gewesen. Dieses erstaunliche Vorgehen versucht er damit zu erklären, dass das Umfeld eines Verbrechens, hier die aktive Naziszene in Süd-Neukölln, gestohlene Stolpersteine, Reichsbürgerdrohbriefe etc., kurz der gesellschaftliche Kontext, in dem eine Tat stattfindet, die Analyse der Tat erschwere. Müssten der Mord an Burak und der Mordversuch an seinen Freunden nicht gerade in Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Umfeld und politischen Klima analysiert werden? Aber Schulz führt unbeirrt weiter aus: „Kontext ist subjektiv“! Das bedeutet: Das – objektiv – naheliegenste Motiv Rassismus spielt für diese OFA keine Rolle. Im Gegenteil versucht Schulz mittels seiner Darstellung des methodischen Vorgehens einer OFA ein solches Motiv zu negieren. Auch auf die Frage nach der bundesweiten Datenbank VICLAS behauptet er, rassistische und generell politische Delikte könnten dort nicht eingegeben werden. Das „Berliner Fallverarbeitungssystem“ habe ähnliche „Schwierigkeiten“, denn sie hätten sich ja nicht auf ein Motiv einigen können. Das alles klingt verworren! Was genau haben sie da gemacht und beabsichtigt?

Während Lukas Theune, der Anwalt der Familie Bektaş, bei der letzten Sitzung des PUA am 12. April 2024 darlegte, dass die Polizei viel zu wenig in Richtung Rassismus ermittelte, behauptet Schulz, die Mordkomission hätte nur zu einem rassistischen Motiv ermittelt. Desweiteren behauptet er, der Täter habe ja nur 2 von 5 Personen schwer und Burak tödlich verletzt. Wenn der Täter Burak und seine 4 Freunde hätte töten wollen, hätte er weiter geschossen. Wie haarsträubend diese Äußerungen eines Fallanalytikers sind, dürfte sich daran zeigen, dass der Mord an Burak mit einem Colt ausgeführt wurde. Dieser Revolver enthält 6 Patronen und die hat der Täter verschossen, wie hätte er da weiter schießen können?

Erschüttert stellen wir fest, dass Schulz mit der Darstellung seiner sogenannten Fallanalyse versucht, erst das Mordmotiv Rassismus, dann die Opfer – Burak und seine Freunde – und schließlich den Mord an Burak verschwinden zu lassen. War das der Weg, auf dem die Ermittlungen eingestellt werden sollten? War das der Zweck dieser Fallanalyse?

Als dritter Zeuge trat Staatsanwalt Martin Knispel auf.
Knispel hat Horstmann, den leitenden Staatsanwalt der Mordermittlung zu Burak Bektaş, wenn es notwendig war, vertreten. Für eine kurze Zeit sei er auch „federführend“ gewesen. Generell bestätigt Knispel mit seiner Darstellung Horstmanns Aussagen aus der letzten Sitzung. So behauptet auch er, und das ist wieder gelogen, er sei nicht „Herr des Verfahrens“ gewesen. Er ist dazu aber in seiner Funktion verpflichtet. Wir gehen mal davon aus, dass es sich hier um eine Schutzbehauptung handelt.
Als es um die Falschbeschuldigungen von Burak Bektaş durch den Berliner Kurier geht, erklärt er, er habe eigenmächtig entschieden, die Berliner Polizei von dem Vorwurf, falsche Informationen an den Berliner Kurier gegeben zu haben, frei zu sprechen. Denn die Presse behaupte ja gerne mal fälschlicherweise, sie hätten etwas „aus Polizeikreisen“. Und er begründet damit seine Weigerung, die von der Familie eingeforderte Ermittlung einzuleiten. Plötzlich ist er doch „Herr des Verfahrens“ und die Opferberaterin Helga Seyb (siehe oben) wird belogen. Die Kriminalisierung von Burak, das durch die Falschbeschuldigung negierte rassistische Mordmotiv und das zusätzliche Leid für die Familie wischt er mit der lapidaren Aussage weg, dass das ja nun nicht mehr revidiert werden könne. Damit hat er zum Teil leider recht. Das mit der Verleumdung geschürte rassistische Narrativ wird durch die Veröffentlichung im Berliner Kurier verbreitet und ist in der Welt und in den Köpfen.

Wenn es um die Anliegen der Angehörigen von Burak geht, scheinen beide zuständigen Staatsanwälte, Horstmann und Knispel, Aufklärung zu verhindern und damit ihre eigentliche Arbeit zu verweigern. Hierfür muß auch diesmal die Familie allein die Konsequenzen tragen. Die Täter, der Mörder und der Verleumder bleiben straffrei.

Die Schilderungen der Opferberaterin Helga Seyb – auch im Namen der Familie Bektaş und generell den Betroffenen – stehen in krassem Widerspruch zu den Aussagen der Zeugen der Ermittlungsbehörden, die wieder damit durchkamen, ihre Version viel zu ungestört darzulegen. Es bleiben jetzt, zumindet wie bisher anberaumt, nur noch zwei PUA Sitzungen zu den Morden an Burak Bektaş und Luke Holland. Angesichts so vieler ungeklärter Vorgänge stellt sich erneut ganz grundsätzlich die Sinnfrage: Inwiefern wird der Parlamentarische Untersuchungsausschuß zum Neukölln-Komplex seinem Auftrag, das Vorgehen der Ermittlungsbehörden zu untersuchen und aufzuklären, gerecht?

Wir laden euch ein zur nächsten Sitzung am 17. Mai um 9 Uhr, vorher findet ab 8:30 eine Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin statt.
Zeugin wird die aktuell zuständige Hauptkommissarin Emmert sein, die von Anfang an in die Mordermittlungen zum Mord an Burak Bektaş involviert gewesen ist.

P.S. NSU-Watch hat u.a. einen Bericht zu der Sitzung des parlamentarischen Untersuchung in ihrem Newsletter veröffentlicht, den könnt ihr unter diesem link lesen.

Pressemitteilung zur 1. Sitzung des PUA (Parlamentarischen Untersuchungsausschusses) “Neukölln-Komplex” am 12.4.2024 zum unaufgeklärten Mord an Burak Bektaş am 5.4.2012

Zeugen:

  • Alexander Hübner, der bis 2019 die Mordermittlungen zu Burak Bektaş leitete. Als Kommissariatsleiter beim Staatsschutz PMK Rechts ließ er danach 387 Fälle von politisch rechts motivierte Straftaten unbearbeitet.
  • Dieter Horstmann, leitender Staatsanwalt der Mordermittlungen zu Burak Bektaş, später Berater im Abschlussbericht zum Tod von Oury Jalloh, dann leitender Oberstaatsanwalt der Ermittlungen zu den „Silvesterrandalen“.
  • Lukas Theune, Anwalt der Familie Bektaş.

Melek Bektaş, die Mutter des ermordeten Burak Bektaş, ist zur Beobachtung des PUA anwesend.

In seiner Eingangserklärung bringt Kommissar Hübner seine vermeintliche Empathie für die Familie von Burak Bektaş zum Ausdruck, ohne jedoch irgendeine Kritik der Familie an den Ermittlungen aufzugreifen.
Hübner erklärt, die Mordermittler hätten alles ihnen Mögliche getan und intensivst ermittelt. Bei Nachfragen, ob und wenn ja wann die Tat als politisch rechts und rassistisch motiviert eingeordnet worden sei, und daraus folgenden Konsequenzen für die Ermittlungen macht er widersprüchliche Aussagen. Er berichtet in diesem Zusammenhang von einem Anruf von LKA-Leiter Steiof am Morgen direkt nach der Tat. Dieser habe auf die rechte Szene in Neukölln hingewiesen, dass der Fall Aufsehen erregen werde und von Austausch mit der Abteilung PMK rechts des LKAs gesprochen.
Dann sagt Hübner andererseits, für die Ermittlungen sei es egal, wer das Opfer ist, bez. Herkunft usw.. Die Ermittlungen verliefen unabhängig von solchen Kriterien. Und er betont vollmundig: „keiner der Ermittler der Mordkommission hat eine rassistische Einstellung.“

Es fällt immer wieder auf, dass Hübner die Fragen der Abgeordneten mittels sich wiederholender Formulierungen nicht beantwortet: So hat er sich angeblich nicht vorbereitet, kann sich nicht erinnern, verweist dann einfach darauf, das stehe doch in den Akten. Die Akteninhalte können aber nicht in der öffentlichen Sitzung behandelt werden, da sie der Innensenat als „NFD (nur für den Dienstgebrauch)“ und damit nicht für die Öffentlichkeit eingestuft hat. Wie praktisch! Das scheint beabsichtigt und die – offensichtlich sehr genau vorbereitete – Strategie geht auf, weil die Abgeordneten nicht konsequenter intervenieren, ihn nicht sofort mit seiner Ausweichtaktik konfrontieren und nicht inhaltlich vertiefend nachfragen.

Auch Horstmann behauptet, in keinem anderen ihm bekannten Fall sei so viel ermittelt worden.
Ein Beispiel, dass beide, Hübner und Horstmann, erwähnen, ist das Abgleichen des Mordfalls mit der bundesweiten Datenbank VICLAS. Als Hübner nach den dabei eingegebenen Suchbegriffen gefragt wird, sagt er, er wisse sie nicht.
Der Anwalt der Familie Bektaş, Lukas Theune, erklärt in seiner Aussage später, um welche Suchbegriffe es sich hier handelte: „Taten ohne Motiv oder Rache, religiöse, kulturelle Motive (…). Aber ein naheliegendes rechtextremistisches oder rassistisches Motiv wurde nicht eingegeben!“

Staatsanwalt Horstmann ist in der Offensive, stellt absurde und nicht den Tatsachen entsprechendeBehauptungen auf, verharmlost, redet von „perfektem Verbrechen”, ohne dass dem z.B. durch weitere konkrete Nachfragen etwas entgegengesetzt wird.
Er behauptet dreist, als leitender Staatsanwalt sei es nicht seine Aufgabe gewesen, das Verfahren zu leiten, konkrete Ermittlungstätigkeiten anzuordnen etc. Das ist eine Lüge. Seine Aufgabe ist genau dieses Steuern der Ermittlungen, insbesondere wenn die Aufklärung stockt. Und er fügt noch hinzu, er habe nicht in die Ermittlungen eingreifen müssen, denn die Mordkommssion habe ihre Arbeit sehr gut gemacht und perfekt in alle Richtungen ermittelt. Auf Frage nach Fehlern bei Ermittlungen antwortet er aalglatt: „Ich wüsste von keinen, nur, dass kein Ergebnis (vorliegt). Aber jeder 10. Mord wird nicht aufgeklärt.“

Rechtsanwalt Theune sagt dazu, es sei viel zu wenig in Richtung extrem rechte und rassistische Tatmotive ermittelt worden. Er erwähnt in diesem Zusammenhang auch, wie eine vom LKA Abteilung 5 zur Verfügung gestellte Liste mit rechten Straftätern auf absurd wenige, nämlich nur zwei zu überprüfende Personen, verengt wurde. Und „es habe kurz nach dem Bekanntwerden vom NSU keine Begründung dafür gegegeben, dass der Täter auf den Hintergrund Neukölln reduziert wurde. Der Täter hätte nicht wohnortbezogen vordefiniert werden dürfen.”
Zum NSU sagt Staatsanwalt Horstmann eiskalt: „NSU konnte man ausschließen, die waren ja alle tot oder in Haft.“ … ! Auch zu einer solchen falschen Behauptung wurden keine weiteren Fragen gestellt.

Theune beschreibt, wie die Arbeit der Anwälte von den Ermittler:innen lange Zeit als hinderlich und die Familie als nervend behandelt wurde. In diesem Zusammenhang erwähnt er die Thematik der „Auswerteberichte” und der “Auswerteeinheit operative Fallanalyse” (AE OFA), in denen die Ermittlungen mehrmals evaluiert und Empfehlungen für weitere Ermittlungshandlungen formuliert wurden. Auf parlamentarische Anfragen zu deren Erstellung und Umsetzung gab es immer wieder keine klärenden Antworten. Er schildert, wie auch der Familie nicht die Wahrheit gesagt wurde. Stattdessen wurden sie irregeführt, so dass der Eindruck entstand, es habe keine solchen Berichte gegeben. Und entgegen der Behauptung der Ermittlungsbehörden, sie hätten sich um die Familie gekümmert, betont er, dass die Familie sehr allein gelassen worden ist. Mit der neuen Ermittlerin, Frau Emmert, änderten sich die Dinge jetzt. Immer wieder tauchen bei ihrer Recherche Dinge auf, die von ihren Vorgänger:innen nicht zu den Akten genommen wurden.

Generell fiel im Laufe der Sitzung auf, dass Vieles thematisiert aber nicht geklärt wurde. Die Abgeordneten sprachen in ihren Befragungen zu den Ermittlungen wichtige Themen an, wie Tatmotiv Rassismus, Konsequenzen aus dem NSU-Komplex, Ermittlungen gegen Berliner und bundesweite Naziszene als potentielle Täter etc.. Wenn die Zeugen Hübner und Horstmann jedoch bei diesen Fragen immer wieder konsequent auswichen, sich mit taktisch eingesetzten Vorwänden weigerten zu antworten, wenn ihre Antworten gezielt irreführend waren und auf falschen Tatsachen beruhten, blieb das dann so stehen. Die Zeugen der Ermittlungsbehörden kamen wieder damit durch, viel zu ungebrochen ihre Version darzustellen und nichts Wesentliches offenzulegen. Wenn dies von der Presse auch noch reproduziert wird, so werten wir das als extrem problematisch.

Angesichts der vielen fragwürdigen Aussagen von Hübner und Horstmann, die in dieser Sitzung nicht eingehender betrachtet wurden, müssten unbedingt das Vorgehen und die tatsächliche Rolle der beiden und aller anderen in diesem Kontext Verantwortlichen geklärt werden, wenn der PUA seine Aufgabe ernsthaft erfüllen möchte.

Die nächste Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Neukölln-Komplex“ findet am Freitag dem 26. April statt.
Ab 8:30 Uhr findet eine Kundgebung statt und ab 9 Uhr begleiten wir die Befragung von Helga Seyb, Opferberaterin, dem Polizeibeamten Christian Schulz, der die VICLAS-Anfragen und Teile der OFA’s (operative Fallanalysen) machte und Martin Knispel, der Horstmann als leitender Staatsanwalt ablöste.