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Redebeitrag der Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş 13.10.2019 Berlin

#Kein Fußbreit – Antisemitismus tötet. Rassismus tötet! – rechter Terror bedroht unsere Gesellschaft!

Wir grüßen euch alle, die heute zusammengekommen sind, um der Opfer der rassistischen und rechten Gewalt in Halle zu Gedenken. Unsere Gedanken sind heute bei den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen von Halle.

Burak Bektaş wurde am 05.04.2012 auf offener Straße in Berlin-Neukölln von einem weißen Mann kaltblütig ermordet. Der Täter kam, schoss auf die Gruppe Jugendlicher und verschwand. Burak starb, er war 22 Jahre alt. Seine Freunde Jamal und Alex überlebten den Anschlag mit lebensgefährlichen Verletzungen. Die Tat ereignete sich kurz nach dem Auffliegen des NSU und erinnert an Konzepte des “lonesome wolf”, wie sie Nazis anwenden.

Die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş gründete sich kurz nach der Tat als Konsequenz aus der Untätigkeit der Ermittlungsbehörden und der Ignoranz im Zusammenhang der Morde des NSU. Es zeigt sich immer wieder ein Komplex strukturellen und institutionalisierten Versagens. Wir wollen Betroffene nicht allein lassen und uns solidarisch an ihre Seite stellen. Als Initiative fordern wir nun seit 7 Jahren zusammen mit der Familie Bektaş und Freund*innen aktiv die Aufklärung dieses Mordanschlags. Denn noch immer ist kein Täter ermittelt.

Es gibt eine Kontinuität von faschistischem und rassistischem Terror in Deutschland. Die Erfahrungen zeigen leider, wie Ermittlungsbehörden Angriffe und Anschläge vertuschen oder decken. Oftmals entsteht der Eindruck, als arbeiteten Verfassungsschutz, Polizei und Nazis Hand in Hand. Die Opfer und ihre Angehörigen werden nicht nur allein gelassen, sie werden sogar in den Mittelpunkt der Ermittlungen als mögliche Täter*innen gestellt. Rechte Täter*innen sind der Polizei und dem Verfassungsschutz nicht selten schon frühzeitig bekannt oder von letzterem sogar strukturell gefördert oder zum Beispiel als sogenannte V-Leute finanziert. Sicherheitsbehörden scheinen sich mehr mit dem Aufbau rechtsextremer Strukturen als mit deren Bekämpfung zu beschäftigen.
Immer wieder wird Rechter Terror zu Einzeltaten verharmlost und die Täter zu Einzeltätern umdefiniert. Die Opfer und ihre Angehörigen werden schnell wieder vergessen. Eine solidarische Unterstützung durch die Gesellschaft findet in der Regel nicht statt bzw. viel zu wenig.

Es sind der Taten zu viele. Von Staat und Politik kommt kein Signal ernstzunehmenden Schutzes und Willen zur Aufklärung. Es braucht den Druck seitens der Zivilgesellschaft damit Nazi-Gewalt endlich gestoppt wird. Halle ist kein Einzelfall.
Wir möchten heute an die Opfer der letzten 19 Jahre allein in Berlin und Brandenburg erinnern, die von rechten und/oder aus rassistischen oder sozialchauvinistischen Gründen ermordet wurden:

Jugosloven Ignjatovic wurde von unbekannten Tätern am 17. März 2000 in seinem Zeitungskiosk in Berlin-Wedding mit Kopfschüssen getötet. Laut ZEIT ONLINE und Tagesspiegel gehört der Fall des Jugosloven Ignjatovic „zu einer Reihe von Gewalttaten, bei denen eine rechte Tatmotivation zwar naheliegt, aber doch Zweifel blieben“. Diese Fälle mit insgesamt 61 Toten sind dokumentiert in der folgenden Liste und zu finden unter Zeit-online

Dieter Eich wurde von Neonazis am 25. Mai 2000 in seiner Wohnung in Berlin-Pankow zusammengeschlagen und erstochen.
Falko Lüdtke wurde von einem Rechtsextremen am 31. Mai 2000 auf offener Straße in Eberswalde ermordet. Er wurde vor ein vorbeifahrendes Taxi gestoßen.
Dieter Manzke wurde von 5 rechten Männern am 9. August 2001 in Dahlewitz zu Tode gequält.
Klaus-Dieter Harms wurde am 9. August 2001 von zwei rechtsextremen Männern in seiner Wohnung in Wittenberge zu Tode geprügelt
Ingo Binsch wurde am 5. November 2001 von drei Rechtsextremen in Berlin-Marzahn massiv verprügelt und gewürgt. Der Herzkranke erleidet am Folgetag einen Herzinfarkt und stirbt.
Kajrat Batesov wurde bei einer Techno-Party in Wittstock wegen seiner Herkunft verprügelt und stirbt am 23. Mai 2002 an den Folgen.
Ronald Masch wurde am 1. Juni 2002 auf einem Feld bei Neu Mahlisch zur Verdeckung eines Raubes von einer Gruppe Neonazis getötet.
Marinus Schöberl wurde am 12. Juli 2002 in Potzlow wegen seiner HipHop-Kleidung von drei jungen Rechtsextremisten zu Tode gequält.
Enrico Schreiber wurde am 29.März 2003 in Frankfurt/Oder von drei rechtsextremen jungen Männern gefoltert und misshandelt – er stirbt an den Folgen.
Attila Murat Aydın (bekannt auch als Graffiti-Künstler unter dem Namen Maxim) wurde am 13. Juni 2003 von einem 75. jährigen Nachbarn in Berlin-Köpenick erstochen.
Holger Urbaniak wurde am 7. Oktober 2007 in Frankfurt (Oder) von zwei rechten Jugendlichen verprügelt, ausgeraubt und ertränkt.
Bernd Köhler wurde in der Nacht zum 22. Juli 2008 in Templin von zwei Rechtsextremisten zu Tode geprügelt.
Nguyen Tan Dung wurde am 6. August 2008 vor der Kaufhalle in Berlin-Marzahn von einem Rassisten erstochen.
Burak Bektaş wurde auf offener Straße in Berlin-Neukölln in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 von einem weißen Täter erschossen – die Tatumstände sind bis heute nicht aufgeklärt

Luke Holland wurde am September 2015 vor einer Bar in Berlin-Neukölln von einem 62-jährigen Hitler- und Waffenfan mit einer Schrotflinte aus nächster Nähe getötet.
Jim Reeves wurde am 1. Februar 2016 in einem Hostel in Berlin-Charlottenburg von zwei homophoben Tätern zu Tode gefoltert.
Eugeniu Botnari wurde am 17. September 2016 in einer Edeka-Filiale in Berlin-Lichtenberg vom Geschäftsführer verprügelt – der Täter schickte Fotos des Verprügelten mit rassistischen Kommentaren über Soziale Medien. Eugeniu Botnari verstarb an den Folgen.

Luke Gedenktransparent

Im September hing ein Gedenktransparent in Berlin-Kreuzberg direkt an der Admiralbrücke. Wir danken den Maler*innen…

Luke Holland wurde am 20.09.2015 in der Neuköllner Ringbahnstraße aus nächster Nähe brutal mit einer Schrotflinte ermordet.
Luke Holland war Brite, 31 Jahre alt, Jurist und wohnte erst seit kurzer Zeit in Berlin.
Der Mörder Rolf Zielezinski wurde im Juli 2016 wegen des Mordes an Luke Holland zu knapp 12 Jahren Haft verurteilt. Seine Wohnung war voller Nazi-Devotionalien, diversen schussfähigen Waffen und Munition und einem Kilo Schwarzpulver (Sprengstoff). Er äußerte sich häufiger verächtlich über „die Ausländer“ im Kiez…
Ein rassistisches/rechtes Motiv wollten Richter und Staatsanwälte trotzdem nicht erkennen. Aus dem Mörder wurde verharmlosend ein „Waffennarr“, ein „Alkoholiker mit Sammelleidenschaft“ und natürlich ein „Einzeltäter“ vor dem Landgericht Berlin-Moabit.
Einem möglichen Zusammenhang zum Mord an Burak Bektaş wurde nicht nachgegangen.

Kein Mensch ist vergessen – in Gedenken an Luke Holland.

Einladung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh zu einer internationalen Analyse- und Strategiekonferenz


(Einladung pdf-de) (Invitation-engl.) (Invitation-fran.)

Selbstorganisation gegen rassistische Polizeigewalt und Staatsräson in der BRD und Europa

vom 26. – 28. Oktober 2019 in Berlin

Ausgehend vom Fall Oury Jalloh haben wir in den vergangenen 14 Jahren gegen den massiven Widerstand staatlicher Strukturen in Polizei, Justiz und Politik angekämpft, um die Aufklärung des Mordes an Oury Jalloh voranzutreiben. Letztlich haben wir erkennen müssen, dass wir die von uns lange Zeit geforderte Aufklärung selbst in die Hand nehmen müssen, weil dies kein Staatsanwalt oder Richter tun wird. Trotz der juristischen Niederlagen haben wir uns nicht unterkriegen oder unseren Aufklärungswillen durch die jahrelange massive Repression brechen lassen. Je näher wir der Wahrheit kommen, um so dreister werden die Lügen, die sie versuchen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, um diese Verbrechen zu vertuschen. Im vergangenen Jahr haben wir nun endlich eine Unabhängige Internationale Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Fall von Oury Jalloh gegründet und damit unsere Kompetenzen weiter verstärkt.

Gleichzeitig erkennen wir, dass das rassistische Morden in den Gefängniszellen und auf der Straße weitergeht und dass auch die Mörder von Oury Jalloh noch immer frei herumlaufen, da die sogenannten Strafverfolgungsbehörden die Täter nicht verfolgen, sondern diese mit aller Kraft beschützen. Verfolgt werden stattdessen wir als Aktivist*innen – nicht weil wir tatsächlich Straftaten begangen hätten, sondern einzig deshalb, weil wir eben solche aufklären und öffentlich bekannt machen. Oury Jalloh ist kein Einzelfall und die Mörder sind auch keine Einzeltäter. Hinter den Morden und der Vertuschung steckt ein System, welches wir verstehen müssen, um effektiv handeln zu können.

In Gedenken an die jüngsten Todesopfer rassistischer (Polizei-) Gewalt:

Hussam Fadl (27. September 2016, Geflüchtetenunterkunft Berlin) von Polizisten erschossen

Matiullah Jabarkhil (13. April 2018, Bäckerei in Fulda) – getötet durch 4 Schüsse eines Polizisten

Amad Ahmad (29. September 2018, JVA Kleve) – stirbt an den Folgen eines Feuers in der Zelle

Rooble Muse Warsame (26. Februar 2019, Polizeirevier Schweinfurt) – unterstellter “Suizid” in einer Polizeizelle

William Tonou-Mbobda (26. April 2019, UKE Hamburg) – zu Tode fixiert durch Security

Adel B. (18.Juni 2019, Essen) durch geschlossene Tür von der Polizei aus “Notwehr” erschossen. ..

Wir laden alle Angehörige und Freunde von Todesopfern rassistischer Gewalt und die Aktivist*innen aus den entsprechenden Initiativen dazu ein, sich gemeinsam mit uns darüber auszutauschen, wie wir diesem staatlich organisierten Töten und/oder Vertuschen dieser Verbrechen wirkungsvoll entgegentreten können.

Wir halten es nicht nur für wichtig, sondern für dringend notwendig, dass wir als Aktivist*innen, die wir in den gleichen Themenfeldern und mit den gleichen Zielen arbeiten, zusammenkommen, um uns intensiv über den Stand der Dinge und unsere Strategien auszutauschen. Mit der Organisation dieser Konferenz Ende Oktober 2019 wollen wir einen trans- bzw. internationalen Rahmen dafür anbieten.

Im Mittelpunkt der internationalen Konferenz (26./27.10.2019) stehen:

– Erfahrungsaustausch und Analysen in den Bereichen Aufklärung und Repression

(gegen Angehörige und Aktivist*innen)

– Diskussion über gute und schlechte Strategien im Umgang mit der

Vertuschung rassistisch motivierter Morde

– eine bessere Organisation unserer Strukturen sowie der Aufbau einer

nachhaltigen (internationalen) Vernetzung

Während am 26. und 27. Oktober 2019 die gemeinsame Arbeit im Fordergrund der Konferenz steht (nicht öffentlicher Teil), organisieren wir für den dritten Tag eine gemeinsame Pressekonferenz, in welcher die Teilnehmer*innen (BRD, Frankreich, Großbritannien, Italien) ein gemeinsames Statement an die Öffentlichkeit abgeben werden.

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Internationale Pressekonferenz:

Montag, 28.10.2019 – Beginn 10:00 Uhr

Münzenberg – Saal

Franz-Mehring-Platz

10243 Berlin

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Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

mit Unterstützung der

Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektas

Remembering Luke Holland – heute vor 4 Jahren wurde Luke Holland ermordet

Luke Holland wurde am 20.09.2015 in der Neuköllner Ringbahnstraße aus nächster Nähe brutal mit einer Schrotflinte ermordet, er hatte keine Chance.
Luke Holland war Brite, 31 Jahre alt, Jurist und wohnte erst seit kurzer Zeit in Berlin. Er kam gerade aus der Kiezkneipe „Del Rex“ – einer Bar, in der vor allem ein internationales, junges Publikum zusammenkam.

Der Mörder Rolf Zielezinski wurde im Juli 2016 wegen des Mordes an Luke Holland zu knapp 12 Jahren Haft verurteilt. Seine Wohnung war voller Nazi-Devotionalien, einer Fahne der verbotenen Neonaziband Landser, diversen schussfähigen Waffen und Munition und einem Kilo Schwarzpulver (Sprengstoff). Er äußerte sich häufiger verächtlich über “die Ausländer” im Kiez…

Ein rassistisches/rechtes Motiv wollten Richter und Staatsanwälte trotzdem nicht erkennen. Sie haben den Mordprozess entpolitisiert – es wurde zu einem „Mord ohne Motiv“. Aus dem Mörder wurde verharmlosend ein “Waffennarr”, ein “Alkoholiker mit Sammelleidenschaft” und natürlich ein “Einzeltäter” vor dem Landgericht Berlin-Moabit. Auch einem möglichen Zusammenhang zum Mord an Burak Bektaş wurde nicht nachgegangen.

Unsere Solidarität gilt Rita und Phil, den Eltern von Luke Holland und seinen Freundinnen und Freunden.

Rechten Terror jetzt aufklären! Das Berliner Abgeordnetenhaus muss handeln

Gemeinsame Presseerklärung von VDJ, RAV, ILMR, 18. September 2019

In Berlin-Neukölln kam es in den letzten Jahren zu ungewöhnlich vielen rechten Gewalttaten. Die rechten Brandanschläge gegen diverse Bezirkspolitiker, einen Buchhändler und der Mord an Burak Bektaş sowie Morddrohungen gegen weitere Personen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, konnten jedoch bis heute nicht aufgeklärt werden. Während bisherige Ermittlungen ins Leere liefen, kam es zu rechten Umtrieben im Berliner Landeskriminalamt (LKA).

So verfassten Polizeibeamte Drohbriefe gegen Linke, und von der Polizei erstellte Namenslisten fanden sich plötzlich auf rechtsradikalen Blogs. Obwohl der Berliner Verfassungsschutz konkrete Kenntnisse über die Gefahr eines Brandanschlages auf den Bezirkspolitiker Ferat Kocak hatte, wurde er vom Verfassungsschutz nicht gewarnt. Schließlich kam es zum lebensgefährlichen Anschlag auf ihn und seine Familie.

Rechte Motive des Mordes an Burak Bektaş wurden nicht weiterverfolgt, und aus den Akten lassen sich zahlreiche Ermittlungsfehler entnehmen. “Fehler”, die auf dem sog. ›Confirmation Bias‹ basieren, d.h. vorurteilsbelastete Ermittlungen, die von einer bestimmten Hypothese ausgehen und daher nur so ermitteln, dass diese Erwartungen erfüllt werden, springen hier ins Auge.

Das Magazin Kontraste recherchierte derweil, dass ein LKA-Beamter privaten Kontakt in die Neonazi-Szene hielt. Diese Vorgänge erinnern stark an die Vertuschungen, unterdrückten Ermittlungen und engen Kontakte zwischen Sicherheitsbehörden und Neonazis, die bezüglich der NSU-Morde bekannt wurden. Deshalb forderten die Opfer der Brandanschläge im Mai 2019, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufnehmen soll, was dieser ablehnte.

Die Vertuschungen und oberflächlichen Ermittlungen zu den NSU-Morden dürfen sich nicht wiederholen!

Wir fordern deshalb, dass den Hinweisen auf rechte Strukturen im Berliner LKA nachgegangen wird und in allen Berliner Sicherheitsbehörden die notwendigen personellen und strukturellen Konsequenzen gezogen werden!

Wir fordern, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus von Berlin zur Aufklärung der rechtsradikalen Neuköllner Anschlagsserien und dem Mord an Burak Bektaş eingerichtet wird!

Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e. V. (VDJ)
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV)
Internationale Liga für Menschenrechte e. V. (ILMR)

Dieses Wochenende: Festival gegen Rassismus & Tag der Mahnung

Stark durch Widerstand – We are not alone!
Beim Festival gegen Rassismus vom 6. bis 7. September beteiligen wir uns am Samstag, den 7. September mit einem Stand als Burak-Initiative, wir freuen uns, euch dort zu treffen.
link

Antifaschistischer Fahrrad-Korso entlang an Orten von Verfolgung und Widerstand 1933-1945 | Im Andenken an Heinz Kapelle, hingerichtet am 1. Juli 1941 in Plötzensee, weil er im September 1939 Flugblätter gegen den Krieg verbreitete.
Der antifaschistische Fahrradkorso am Sonntag, den 8. September startet mit einer Kundgebung an der Hufeisensiedlung umd stoppt an der Todesstelle von Luke Holland. Luke wurde am 20. September 2015 Ringbahnstraße Ecke Walterstraße ermordet.
link

+++ außerdem findet noch am Samstag, den 7. September ab 14 Uhr, das Weisestraßenfest statt

Skandalöser Umgang mit zentralem Dokument verschleppt die Ermittlungen im Mordfall Burak Bektaş

Pressemitteilung vom 14.08.2019

Ein für die Ermittlungen richtungsweisender polizeilicher Auswertungsbericht existiert bereits seit Juni 2012 – also wenige Monate nach dem Mord an Burak Bektaş und dem versuchten Mord an zwei seiner Freunde. Jedoch erst drei Jahre später wurden Empfehlungen und Anregungen daraus umgesetzt. Heute sind die Ermittlungen im Mordfall Burak Bektaş quasi zum Erliegen gekommen. Nur eine Person ist bei der Polizei noch mit dem Fall befasst. Aktuell wird einem Hinweis aus der Bevölkerung nachgegangen.

Dies sind die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus einer aktuellen Antwort des Berliner Innensenats auf eine Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm und Niklas Schrader. Sie hatten Auskünfte über Ungereimtheiten während des Ermittlungsverfahrens im Mordfall Burak Bektaş und über den heutigen Stand verlangt. Seit 15. Juli 2019 liegen die Antworten des Senats als öffentliche Drucksache 18062 / 20062 vor.

Schon Anfang 2016 hatten Anwälte von Familie Bektaş skandalisiert, dass bereits im Juni 2012 das Ergebnis einer internen Überprüfung und Auswertung der Ermittlungen durch die Abteilung Auswertungseinheit/Operative Fallanalyse (AE/OFA ) vorlag. Darin wurden Nachermittlungen angeregt, die jedoch nicht unmittelbar umgesetzt wurden. Im Gegenteil: Der Bericht wurde erst 2015 der Akte beigefügt und ins Verfahren eingeführt und blieb somit den meisten Verfahrensbeteiligten wie den Angehörigen und ihren Anwält*innen lange Zeit vorenthalten. Als sie dies öffentlich kritisierten, wurde ihnen eine „Kampagne“ gegen die Staatsanwaltschaft vorgeworfen. Die Behörden behaupteten auch in der Folgezeit – so etwa in der Antwort des Innensenats auf eine Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram vom Februar 2016 – der Bericht sei erst im April 2015 erstellt worden, dem Zeitpunkt also, als er in die Akte aufgenommen worden war.

Kein „Büroversehen“, sondern ein Skandal!

Diese offensichtliche Falschaussage wird nun in der aktuellen Antwort auf die Schriftliche Anfrage von Helm/Schrader eingestanden. Es wird bestätigt, dass der Bericht im Juni 2012 erstellt wurde, aber erst 2015 Einzug in die Akte erhielt und auch erst dann die Ermittlungsempfehlungen wie etwa Zeug*innenvernehmungen umgesetzt wurden. Die bisherige Verwirrung mit den Datierungen wird dabei als „internes Büroversehen“ bezeichnet.

„Dass ein derart fahrlässiger Umgang mit einem solch zentralen Dokument so lapidar abgetan wird, ist ein Skandal“ sagt Ulrike Schmidt von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. „Es ist offensichtlich, welchen Einfluss der Bericht auf die Ermittlungen hätte haben müssen, wenn er unmittelbar die entsprechend notwendige Berücksichtigung erfahren hätte. Es ist nicht auszudenken, wie viele Spuren und Erinnerungen in der Zwischenzeit verloren gegangen sind.“

Zudem wurde mit der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage bestätigt, dass eine Arbeitsgruppe unter Führung des polizeilichen Staatsschutzes den Auswertungsbericht von 2012 bereits 2014 erhalten haben soll, obwohl dieser zu der Zeit noch nicht Inhalt der Fallakte war und auch die darin angeregten Nachermittlungen offensichtlich noch nicht umgesetzt worden waren. In diesem Zuge sei zudem eine „ergänzende Fallbetrachtung“ durch die Dienststelle LKA 1 AE/OFA entstanden sein. Es stellt sich die dringende Frage: Was ist deren Ergebnis?

Festhalten an Falschinformationen

Hinsichtlich der Ermittlungen im Mordfall Burak Bektaş in Richtung Rolf Zielezinski enthält die aktuelle Antwort des Innensenats Falschinformationen. Rolf Zielezinski war bereits im Dezember 2013 von einem Zeugen als möglicher Tatverdächtiger genannt worden. Dennoch wurde er weder vernommen, noch gab es eine Wohnungsdurchsuchung – obwohl er wegen Waffendelikten aktenkundig war. Im September 2015 erschoss er Luke Holland und wurde für diesen Mord verurteilt. Bis heute behauptet der Innensenat, ein Bezug von Rolf Zielezinski in die Tatort-Nähe im Mordfall Burak Bektaş sei erst durch eine Zeugenaussage vom 21. März 2016 möglich gewesen. Das entspricht nicht den Tatsachen. Faktisch war dieser örtliche Bezug durch die rbb-Podcastserie „Wer hat Burak erschossen?“ (https://webdoku.rbb-online.de/burak) bereits seit Ende 2015 sogar einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Eine einfache journalistische Recherche hatte diesen hergestellt. Ein wichtiger Hinweis, den die Polizei Ende 2013 angeblich nicht in der Lage war zu ermitteln. Bis heute ist eine der Hauptthesen der Eltern des ermordeten Luke Holland, dass sie der Überzeugung sind, ihr Sohn könnte noch am Leben sein, hätte die Polizei ihre Arbeit gemacht.

Forderung nach Neuaufrollen der Ermittlungen

Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş fordert die Offenlegung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe des polizeilichen Staatsschutz von 2014 sowie die Übergabe sämtlicher Ermittlungsergebnisse an die Anwält*innen der Nebenklage. Angesichts der neusten Erkenntnisse bekräftigen wir erneut die Forderung, den Mordfall Burak Bektaş neu aufzurollen, andere Ermittler*innen mit diesem zu beauftragen und prioritär zu behandeln. Denn offensichtlich sind die Tätigkeiten der Mordkommission praktisch zum Erliegen gekommen. Laut der Antwort des Innensenats ist nur noch eine Person vollumfänglich mit dem Fall betraut, aktuell wird nur noch einem offenen Hinweis nachgegangen.

Vertreter*innen der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş sehen dadurch ihre lang gehegten Befürchtungen bestätigt:

„Wir haben schon lange vermutet, dass es keine ernsthaften Ermittlungen der Berliner Polizei zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş gab und gibt“, konstatiert Ulrike Schmidt. „Für uns stellt sich die Frage, wer jahrelang ernsthafte Ermittlungen im Mordfall Burak Bektaş verhindert hat? Wer hat die Kontrolle über das Verfahren, wenn den Anwält*innen der Familie und möglicherweise auch anderen Verfahrensbeteiligten Ergebnisse vorenthalten werden? Welche Ermittlungen gab es, die heute noch in der Akte des Falles fehlen? Besteht ein Zusammenhang mit den Verstrickungen des Berliner Staatsschutzes in rechte Netzwerke? Wir fordern endlich ernsthafte Aufklärung!“