2020-11-07 Redebeitrag zur Demo rechte & rassistische Strukturen in Staat und Gesellschaft bekämpfen!

Heute nahmen über 1000 Menschen ab Platz der Luftbrücke in Berlin-Kreuzberg an der Demonstration rechte & rassistische Strukturen in Staat und Gesellschaft bekämpfen! teil.
Die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş hielt einen Redebeitrag:

Link zum Audio der Rede.

Einge Antifaschist*innen haben unseren Redebeitrag ins Englische übersetzt und veröffentlicht: English Version of our speech (thanx a lot for translation)

Redebeitrag als Text:

Ich spreche für die Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.
Der Mord an Burak muss als Teil des Neukölln-Komplexes gesehen werden. Der Mord an Burak muss aufgeklärt werden.

Was geschah

Am 4.11.2011 wird die grausame Mord- und Verbrechensserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) der Öffentlichkeit bekannt. Kein Ermittlungserfolg irgendeiner Polizei war der Ausgangspunkt der Aufdeckung des rassistischen Mordens, sondern die Selbstenttarnung durch die Mörder und ihre Unterstützer*innen selbst.

Genau fünf Monate später, in der Nacht auf den 5.4.2012 wird in Berlin Neukölln auf junge Männer geschossen. Sie stehen an der Straße und unterhalten sich, wollen eigentlich nach Hause und werden von einem weißen, älteren Mann mit einer Handfeuerwaffe beschossen. Es gibt keinerlei Wortwechsel – der Täter kommt wortlos, eröffnet das Feuer und geht wortlos. Burak stirbt, zwei der Freunde werden schwer verletzt. Der Mord und die versuchten Morde wurden nie aufgeklärt. Doch es drängen sich Fragen auf: War Rassismus wieder das Motiv? Handelt es sich um eine NSU-Nachahmetat?

Drei Jahre später schießt ein etwa genauso alter, weißer Mann auf Luke Holland, ebenfalls in Neukölln. Luke wird mit einem Schrotgewehr aus nächster Nähe erschossen und stirbt. Er starb, weil er englisch sprach. Der Täter Rolf Zielezinski wird festgenommen und verurteilt. Ein Motiv für diesen Mord können Richter und Staatsanwaltschaft angeblich nicht erkennen. Seine Wohnung sieht aus, wie die eines Nazis mit Hitlerbüste und Bildern, die seine Gesinnung nicht verschleiern. Sein soziales Umfeld und Besucher*innen der Kneipe, in der Opfer und Täter zuvor zu Gast waren, bezeugt rassistische Äußerungen. Warum spielt das keine Rolle?

Viele gehen davon aus, dass Zielezinski auch der Mörder von Burak sein könnte. Hinweise auf ihn als möglichen Tatverdächtigen finden sich schon in den Ermittlungsakten zum Mord an Burak. Doch ihnen wird augenfällig nicht sorgfältig nachgegangen.

Wir können sagen: Die offenkundig von Rassismus geleiteten Ermittlungen im NSU-Verfahren haben zu keiner veränderten Praxis geführt.

Nichts wird aufgeklärt
Der NSU-Komplex wurde nicht aufgeklärt. Der Prozess gegen wenige Mitglieder des NSU-Komplexes und vor allem die teils milden Urteile waren für die Nebenkläger*innen im NSU Prozess ein Desaster.

Elif Kubaşık, die Witwe von Mehmet Kubaşık, erschossen am 4.4.2006 in Dortmund, schreibt in ihrer Erklärung: “Ich hatte so viele Fragen: Wie konnte eine bewaffnete Gruppe über Jahre hinweg faschistische Morde und Anschläge in Deutschland begehen? Warum wurden sie nicht gestoppt? Was wusste der Staat davon?”
Und die Mutter von Halit Yozgat, der in Kassel am 6. April 2006 erschossen wurde, bescheinigt dem Oberlandesgericht in München: “Sie haben wie Bienen gearbeitet, aber keinen Honig produziert. Es gibt kein Ergebnis.” Ayşe Yozgat (beim Urteilsspruch im NSU-Prozess in München 11.7.2018)

Die Eltern von Luke Holland haben deutlich gesagt: Wenn die Ermittlungsbehörden im Mordfall von Burak gründlich ermittelt hätten, könnte ihr Sohn noch leben. Rita Holland, Lukes Mutter, ist am 21.10.2019 aus Schmerz über den Tod ihres Sohnes aus dem Leben gegangen.

Wir sind sicher, dass von den Ermittlungsbehörden keine Aufklärung zu erwarten ist.
Das Berliner LKA ist auf vielen Ebenen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems, auch schon beim NSU, als während der Mordserie ein V-Mann über 10 Jahre vom Berliner LKA geführt wurde, der dem NSU-Kerntrio Sprengstoff besorgt hatte.
Von der Rolle des LKA im Neukölln-Komplex ganz zu schweigen. Gegen einen Beamten, der als Mitglied der “Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus” (EG Rex) eingesetzt von 2007 bis 2016, auch mit der Aufklärung der Anschlagsserie in Neukölln befasst und als Ansprechperson für die Betroffenen beauftragt war, wurde aufgrund einer rassistischen Gewalttat ermittelt. Ein unfassbarer Vorfall und ein weiterer Vertrauensverlust für die Betroffenen!

Um den Forderungen der Betroffenen nach Aufklärung der rechten Anschläge in Neukölln nachzukommen, wurde im Mai 2019 die besondere Aufbaugruppe Fokus gegründet. Die „BAO Fokus“ hat im September ihre Arbeit beendet. Der Abschlussbericht ist zu großen Teilen geheim. Nun wird die Öffentlichkeit mit einer Sonderkommision vertröstet… das Vertuschen geht weiter.

Wir geben keine Ruhe
Wir werden keine Ruhe geben, bis wir wissen, wer Burak ermordet und Jamal und Alex so schwer verletzt hat. Wir wollen Antworten.
Nie wieder sollen Opfer vergessen werden und Angehörige allein mit ihrem Schmerz stehen.

Erinnern heißt kämpfen und kämpfen heißt erinnern.

Wir fordern:
Einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung aller nicht aufgeklärten rechten/rassistischen Taten in Berlin.
Wir fordern die Auflösung des Verfassungsschutzes, weil er nachweislich nichts dazu beitragen kann, die Nazis zu stoppen, im Gegenteil, sie wurden und werden gefördert. Er ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems!
Wir fordern die Aufdeckung aller rechten Machenschaften und Untersuchung des institutionellen Rassismus in den Behörden. Das LKA Berlin gehört reformiert.
Wir fordern Konsequenzen für Täter und Täterinnen.

Danke für eure Aufmerksamkeit