„Wer Gedenken will, soll aufklären.“
Wir haben als Initiative zunächst gezögert, anlässlich des heutigen Tages, dem 12. Jahrestags des rassistischen Mords an Burak, hier zu reden. Nicht, weil wir das heutige Gedenken für unwichtig halten. Im Gegenteil! Solange der Anschlag unaufgeklärt ist und seine Täter frei herumlaufen, muss die Forderung nach Aufklärung der Tat und der Verurteilung der Täter immer wieder laut und vernehmlich gestellt werden. Und es ist ein Verdienst der Burak-Initiative und der Eltern und Verwandten von Burak, dass sie mit ihrer Beharrlichkeit, mit ihrem Stehvermögen dieses getan haben und weiterhin tun.
Gezögert habe wir, weil wir mittlerweile kaum noch wissen, was wir als „Hufeisern gegen Rechts“ sagen sollen, ohne das zu sagen, was bereits seit vielen Jahren immer wieder gesagt wird.
Seit 12 Jahren sind die Forderungen die gleichen, seit 12 Jahren gibt es hinsichtlich der Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden keinen Fortschritt. Im Gegenteil. Seit einigen Jahren steht mittlerweile die polizeiliche Aussage im Raum, dass es sich hier um den seltenen Fall eines „perfekten Mordes“ gehandelt habe. Was nichts anderes bedeutet: Die Ermittlungsbehörden haben kapituliert, eine Kapitulation, die sie durch ihre eigene Vorgehensweise herbeigeführt haben.
Ein rassistisches Motiv wurde ausgeschlossen, Hinweise auf die politische Zuordnung des Täters zur rechten Szene wurden nicht verfolgt und Indizien am Tatort nicht gesichert. Ja noch schlimmer: Erinnert sei an all die Hetze und die Worte: „Organisierte Kriminalität“, „Beziehungstat“ – es sind Verdächtigungen und Spekulationen, die den Angehörigen und uns allen Wut, Trauer und Entsetzen bereitetet haben und immer noch bereiten.
Erinnerungen auch zusätzlich zu dem Schmerz, dass ihnen ihr Sohn bzw. Freund durch einen Gewaltakt genommen wurde. Die Eltern, Verwandte und Freunde, wir alle wurden nicht als Opfer gesehen, nicht als Menschen, denen Leid zugefügt wurde. Wie unmenschlich und voller Vorurteile muss man sein? Und die Liste geht weiter: Polizei und Justiz – sie machten aus Opfern Verdächtige.
Und das ist nicht neu, nicht einmalig in der Bundesrepublik. Der Mord an Burak steht mit vielen anderen rassistischen Gewalttaten in einer Reihe. Ich sage nur Solingen, Mölln, Hanau. Sie sind nicht einfach Ortsnamen. Sie stehen für rassistische Tiefpunkte in unserem Land, in unserer Gesellschaft. Sie stehen als Beispiele, dass in unserem Land Opfer und Hinterbliebene und nicht die staatlichen Behörden Aufklärung vorantreiben müssen, um Gerechtigkeit zu erlangen, um den herrschenden Rassismus als Tatmotiv aufzudecken und zu brandmarken. Das ist die Realität in der Bundesrepublik Deutschland, der Gesellschaft, in der wir alle leben.
Der Anschlag auf Burak und seine Freunde darf nicht vergessen werden. Sie wurden niedergeschossen, einfach weil sie so aussahen, wie sie aussahen. Weil sie als Menschen mit migrantischer Herkunft gesehen wurden.
Gerechtigkeit ist auch nach zwölf Jahren noch nicht erreicht und somit auch keine Konsequenzen. Wie können wir da gedenken, wie können wir da erinnern?
Das Gedenken an Burak ist auch eine Anklage und ein Kampf für Gerechtigkeit. Seit zwölf Jahren sind viele von uns immer wieder den Aufrufen der Burak-Initiative gefolgt und haben auf Demonstrationen und Kundgebungen an den rassistischen Mord und den Rassismus und Nationalismus in unserem Land erinnert.
Die heutige Gedenkkundgebung steht unter der Überschrift: „Wer gedenken will, soll aufklären!“
Aufklären heißt für uns als Initiative „Hufeisern gegen Rechts“ mehr als nur die Täter ausfindig zu machen und zu bestrafen. Aufklärung heißt auch die Hintergründe der Tat offenzulegen und zu bekämpfen.
Gedenken und Aufklären bedeuten daher auch gegen Rassismus und Nationalismus hier und heute aufzutreten. Gemeinsam über alle Parteigrenzen, religiöse Auffassungen und Kulturen hinweg.
Denn es ist egal, woher wir kommen, unsere Schatten sind alle gleich und auch das Blut in uns allen ist rot!
Diese einfache Wahrheit ist in diesem Land der Täter keine Selbstverständlichkeit. Die AfD gewinnt trotz großer Proteste an Mitgliedern und wird von vielen gewählt. Ihre Äußerungen, ihr Handeln werden immer aggressiver. Für viele war es keine Überraschung, dass sich Faschisten und Rechtsextremisten treffen, um ihre menschenverachtenden Gedanken auszutauschen und Pläne zu schmieden. Pläne zur Ausgrenzung von Menschen, zur „Remigration“ wurden schon vor einigen Jahren von anderen Rechten gemacht, aber jetzt von einer Partei, die in einigen Bundesländern Mehrheiten hinter sich bringt.
Wir haben uns heute hier versammelt, um deutlich zu machen, dass wir uns alle als Betroffene dieser Entwicklung sehen. Wir sind aber keine hilflosen Opfer.
Wir alle müssen dazu beitragen, dass aus Erinnerung auch Veränderung wird.
Lasst uns heute hier gemeinsam aus der Trauer, der Wut und dem Unrecht, das geschehen ist und weiterhin in Neukölln und anderen Orten geschieht, zusammenstehen und uns für Konsequenzen, für Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen.
Denn unser Zusammenhalt, unsere Standhaftigkeit, unsere Solidarität sind ihre Niederlage!
Im Namen der Britzer Initiative HufEisern gegen Rechts danke ich euch.