Rede der Burak-Ini “12 Jahre ohne Burak”, gehalten am 6.4.2024 

Burak wäre heute 34 Jahre alt. Doch seit 12 Jahren bleibt er für immer 22. In unseren Erinnerungen, in unserem Gedenken. 

12 Jahre ohne Burak
– so viel wäre passiert. Wie hätte sich Buraks Leben weiter entwickelt zwischen dem Alter von 22 und 34? Wie viele Freundschaften hätte Burak geknüpft? Wieviel Liebe gegeben? Wie viele Menschen hätte er zum Lachen gebracht?

12 Jahre ohne Burak
In den Leben seiner Liebsten. Er fehlt, immer noch so sehr. Wie wären sie gewesen, 12 Jahre mit Burak, statt ohne ihn? Wie hätten sich eure Leben entwickelt, wenn euch dieser schreckliche Verlust und diese unfassbar schmerzhaften Erfahrungen erspart geblieben wären? 

12 Jahre ohne Burak
sind es nun, weil in der Nacht vom 4. Auf den 5. April 2012 ein Mann auf Burak und seine Freunde schoss. Burak und seine Freunde, die gerade eine gute Zeit miteinander hatten. Gerade nur ein paar Meter von hier entfernt, auf der Straße. 

Der Täter war ein mittelalter weißer Mann. Burak und seine Freunde waren eine Gruppe von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte. Es gab keinen Streit, nicht mal ein Gesprächverletzt.  zwischen ihnen und dem Täter. Die Tat passierte völlig aus dem Nichts. Wie ihr wisst überlebte Burak die Tat nicht. Seine 4 Freunde überlebten diesen Anschlag, 2 von ihnen schwer verletzt.

Die Tat passierte nur wenige Monate nach dem Auffliegen des NSU. Es gibt kein anderes einleuchtendes Motiv außer Rassismus. Handelt es sich um eine NSU-Nachahmetat? 

12 Jahre ohne Burak
Sind auch 12 Jahre ohne Aufklärung. Bis heute wurde kein Täter gefasst. Es gab keinen Ermittlungserfolg.
Die polizeiliche Aufklärungsrate für Morde liegt bei über 90%. Wieso wurde dieser Mord nicht aufgeklärt?
Die Liste der Ungereimtheiten in den Ermittlungen ist ellenlang. Ein Teil davon wird ab nächstem Freitag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex Thema werden. Wir werden später in einem weiteren Redebeitrag noch genauer darüber sprechen. 

Deswegen sind 12 Jahre ohne Burak auch 12 Jahre Kampf um Aufklärung.
Unermüdlich kämpfen seine Angehörigen und Freund*innen seit 12 Jahren, damit der Mörder gefunden wird. Immer wieder gehen sie auf die Straße, treten vor die Presse, verbünden sich mit anderen Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und fragen:
„– Wer hat Burak ermordet?
– Wieso musste er sterben?
– Was war das Motiv des Täters?“
Wie Familie Bektaş schon beim Gedenken vor drei Jahren herausstellte:
„Weder die Polizei, die Mordkommission noch die Politik können diese Fragen beantworten.
Damit ergeben sich weitere Fragen.
– Wie kann es sein, dass ein Mörder seit Jahren auf freiem Fuß ist und ungestraft davon kommt?
– Wann wird der Mörder seine gerechte Strafe bekommen?
– Wann werden wir Gerechtigkeit erfahren?
Eine Frage stellen wir uns nach all den Jahren nicht mehr.
– Hat die Mordkommission und Politik versagt?
Denn sie haben versagt.“

Melek Bektaş, Buraks Mutter, bringt es auf den Punkt:
„Es gibt viele Fragezeichen. Viele offene Fragen. So einen Mord haben wir nicht verdient. Niemand hat das verdient. Ich will von den verantwortlichen Behörden den Mörder meines Sohnes.”

Die Aufklärung des Mordes ist die zentrale Forderung.
Denn 12 Jahre ohne Aufklärung sind auch 12 Jahre krasser Unsicherheit. Läuft der Mörder noch hier im Kiez herum? Steht er mit Familie Bektaş in der Supermarktschlange? Ist er eine Gefahr für weitere Menschen? Buraks Familie und Freund*innen und auch alle anderen Menschen, die hier leben, haben ein Recht auf die Aufklärung dieses Mordes. Das ist das mindeste.
Wir werden gemeinsam keine Ruhe geben, bis er gefunden ist.  

12 Jahre ohne Burak
sind 12 Jahre Kampf um Aufklärung, und auch 12 Jahre Gedenken an Burak.
Buraks Familie, seine Freund*innen und wir als Initiative gehen an unterschiedlichste Orte, um die Erinnerung an Burak in der Gesellschaft wach zu halten und Aufklärung einzufordern: auf die Straße, auf Pressekonferenzen, in Schulen, in Museen, auf Podiumsveranstaltungen, zu Fernsehinterviews, auf Kundgebungen, auf Vernetzungstreffen.

Jedes Jahr an Buraks Geburtstag und an seinem Todestag versammeln wir uns hier am Gedenkort mit euch, um Burak zu gedenken.
Dieser Gedenkort soll an die Geschichte von Burak erinnern und sie im Gedächtnis der Stadt verankern. Er erzählt auch von all den weiteren unaufgeklärten Morden an Menschen mit Migrationsgeschichte und vom strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft. 

12 Jahre ohne Burak
Sind 12 Jahre Kampf um Aufklärung und Gedenken – Und sind auch 12 Jahre Solidarität

Hier am Gedenkort wollen wir mit anderen Menschen zusammentreffen, uns austauschen und uns mit der Nachbar*innenschaft und mit anderen Initiativen und Betroffenen von rechter Gewalt und Neonazi-Terror vernetzen.
So wird der Gedenkort auch die Geschichte von Solidarität und vom gemeinsamen Kampf für Aufklärung und Gerechtigkeit in Neukölln sowie an vielen weiteren Orten in Deutschland erzählen.
Wenn ihr euch hierbei einbringen wollt, kommt gerne auf uns zu.
Die Vernetzung mit anderen Betroffenen und Überlebenden von Gewalt aufgrund von rechten Motiven wie Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischem Rassismus, Misogynie, Queerfreindlichkeit, Obdachlosenfeindlichkeit und Behindertenfeindlichkeit ist uns besonders wichtig. 

Denn Buraks Fall ist kein Einzelfall. Gemeinsam sind wir stärker. Gemeinsam verschaffen wir uns Gehör. Gemeinsam sagen wir:

„Wer gedenken will, muss um Aufklärung kämpfen“
und fordern ein:
„Erinnerung – Aufklärung – Gerechtigkeit – Konsequenzen“!

Wir bedanken uns bei euch allen, dass ihr hier seid und für eure jahrelange Solidarität. Insbesondere danken wir allen Initiativen und Personen, die unser Gedenken heute mit Redebeiträgen unterstützen. Es ist toll, dass ihr hier und an unserer Seite seid. 

Susmak yok! Mücadele var!
Schweigen ist nicht! Wir kämpfen weiter.
In Gedenken an Burak.