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geänderte Uhrzeit beim Untersuchungsausschuss

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zum Neukölln-Komplex beginnt Morgen am 11.11.2022 um 10:30, da nur ein Zeuge gehört wird.
Außerdem wird es vor der Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss diesmal keine Kundgebung geben.
Der PUA findet für die Öffentlichkeit abgetrennt im Raum 113 – Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin statt, die Sitzung des Untersuchungsausschuss findet nach wie vor in einem abgeschotteten Raum statt. Nur die Zeugenanhörung wird für die Öffentlichkeit aus dem PUA übertragen.

Statement der Burak-Initiative zum PUA-Neukölln-Komplex

Unsere Erwartungen an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex:

Wir haben uns seit Jahren gemeinsam mit vielen anderen Initiativen für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den PUA, eingesetzt. Der PUA ist das Ergebnis des Kampfes von Betroffenen und Angehörigen von Opfern rassistischer rechter Gewalt. Dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss ist nötig, weil Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Arbeit nicht getan haben.
In Neukölln finden seit über 10 Jahren Bedrohungen, Anschläge und Morde statt. Angegriffen werden migrantische, linke und antifaschistische Menschen. Nur der Mord an Luke Holland am 20.09.2015 wurde teilweise aufgeklärt. Zumeist konnten die Täter jedoch straflos handeln. Der PUA muss nun aufklären, weshalb es keine Ermittlungsergebnisse gab und wie die Straflosigkeit zustande kam. Im Anschluss daran müssen Ermittlungen – beruhend auf den Ergebnissen des PUA – gegen alle Beteiligte und für die Taten Verantwortlichen aufgenommen werden.

Viele Initiativen beobachten und begleiten die Arbeit des PUA, so auch wir als Burak-Initiative. Wir schildern hier unsere ersten Eindrücke und stellen Forderungen an den PUA:

1.
Der PUA tagt in einem Raum ohne Öffentlichkeit. Presse und Öffentlichkeit sitzen in jeweils anderen Räumen und können die Sitzungen nur per Videoübertragung verfolgen.
Teile der Sitzung, wie Beweisanträge und Beratungen über das weitere Verfahren werden nicht öffentlich behandelt. Es stellt sich für uns die Frage, warum es hier eine Geheimhaltung gibt. Die Befragungen der Zeug:innen dagegen sind öffentlich.
Ein sehr wichtiger Kritikpunkt für uns ist, dass die Zeug*innen bei der Befragung im Ausschuss den Abgeordneten alleine gegenüber treten müssen. Erlaubt ist lediglich eine „bei sitzende Person“, die aber keine Sprecherlaubnis hat. Die solidarische Öffentlichkeit sitzt nicht mit im Raum. Die Zeug*innen können auch nicht feststellen, ob die Übertragung ihrer Aussage in die Übertragungsräume jederzeit sicher gestellt ist und werden damit zusätzlich verunsichert.
Die Öffentlichkeit und Presse kann ihre beobachtende und damit auch kontrollierende Funktion nicht ausüben, wenn sie nicht mit im gleichen Raum sitzt. Die Mitglieder des PUA sind nicht mit deren physischer Anwesenheit konfrontiert, der gegenüber sie sich verhalten müssen.
Begründet wird diese räumliche Situation als Corona-Maßnahme. Zeitgleich ist aber der Plenarsaal frei und könnte genutzt werden, um den PUA im gleichen Raum mit den Besucher:innen und der Presse stattfinden zu lassen, wenn dies gewollt wäre.
Wir fordern den Ausschuss und seine Mitglieder auf, die räumlichen Bedingungen herzustellen, damit die Öffentlichkeit pandemiekonform in einem Raum mit dem Ausschuss sitzen kann.
Dem Ausschuss von den Zeug*innen zur Verfügung gestellte Informationsmaterialien werden für die Mitglieder des PUA kopiert, der Presse und Öffentlichkeit aber vorenthalten. Warum fühlt sich der PUA nicht dafür zuständig, diese Informationen der Presse und Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

2.
Die Zeug*innen werden zur Beweiserhebung vor den PUA (ein-)geladen, dürfen zum Eingang ihr Statement halten und müssen sich dann den Fragen der Abgeordneten aller Fraktionen stellen. Nach Fraktionsstärke wird die Reihenfolge der Fragen der Abgeordneten bestimmt: SPD, CDU, Grüne, AfD, Die Linke, FDP. Jede Fraktion hat 15 Minuten Zeit, die/ den jeweilige*n Zeug*in zu befragen. Ggf. kann auch eine zweite Fragerunde stattfinden.
Die Zeug*innen sitzen alleine oder mit einer begleitenden Person vor dem PUA. Sie sind Betroffene von rechten, rassistischen Anschlägen und als Zeug*innen des Geschehens geladen.
Der Vorsitzende Florian Dörstelmann hat die Aufgabe, den PUA zu leiten. Die Zeug*innen haben Anschläge überlebt und sie haben daher ein besonderes Recht auf den Schutz ihrer Person und ihrer personenbezogenen Daten. Im Kontext dieses Untersuchungs-ausschusses muss der Vorsitzende im Rahmen seiner Leitungsfunktion diesen Schutz gewährleisten.
Bei der Befragung der Zeug*innen hat der Vorsitzende nicht eingegriffen, auch wenn die Zeug*innen wie Angeklagte behandelt worden sind und mit provokanten Fragen, Fangfragen etc. traktiert wurden. Der Vorsitzende kann durchaus in die Befragung eingreifen, wie wir es mehrfach bei den Statements der Zeug*innen beobachten mussten. Dies erwarten wir aber gegenüber den Abgeordneten, wenn sie mit provokanten Fragen Grenzen der Zeug*innen absichtlich verletzen, die Anschläge bagatellisieren und gezielt bedrohliches Verhalten einsetzen.

Wir fordern, dass im Rahmen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses alles unternommen wird, um Antworten zu bekommen! Der Mord an Burak Bektaş muss neu aufgerollt werden, und zwar mit unabhängigen Ermittler*innen. Wir erwarten, dass der PUA zum Neukölln-Komplex zur Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş beiträgt.

Aufruf zur Untersuchungsausschuss-Beobachtung

“Neukölln-Komplex: Besucht die Sitzungen des Untersuchungsausschusses!
[übernommen von nsu-watch.info]

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zum Neukölln-Komplex ist in die Beweisaufnahme eingetreten. Alle bisherigen Untersuchungsausschüsse zum NSU und zu rechtem Terror haben gezeigt, wie wichtig eine kritische Öffentlichkeit ist. Wie wichtig es ist, dass die Abgeordneten merken, dass ihnen auf die Finger geschaut wird. Deshalb fordern wir euch auch für den jetzigen Untersuchungsausschuss in Berlin auf: Geht zu den Sitzungen des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex!

Wo?
Die Sitzungen finden statt im Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin
(Nähe U Kochstraße/Checkpoint Charlie und U Potsdamer Platz)

Vor dem Abgeordnetenhaus stehen Fahrradbügel zur Verfügung.

Bisher (Stand: 16.09.2022) sitzen die Besucher*innen und die Pressevertreter*innen in einem gesonderten Raum (bisher im dritten Stock: Raum 311, Bernhard-Letterhaus-Saal, oder Raum 376, Ernst-Heilmann-Saal) und können die Sitzung nur per Livestream verfolgen.

Betroffene und Initiativen (darunter NSU-Watch) fordern, dass die Öffentlichkeit im Sitzungssaal teilnehmen darf: Offener Brief.

Wann?
Sitzungstag ist in der Regel der Freitag in der Woche vor der Plenarsitzungswoche. Die Sitzungen beginnen um 10 Uhr. Die nächsten Termine sind: 30.09.22, 14.10.22, 11.11.2022, 25.11.2022, 09.12.2022, 06.01.23, 20.01.23. Weitere Termine sowie die jeweilige Tagesordnung findet ihr hier:
beim Abgeordnetenhaus (Abgeordnetenhaus (AGH) Berlin zum PUA Neukölln-Komplex).

Anmelden
Besucher*innen müssen sich anmelden, per E-Mail oder telefonisch. Genaueres hier:
Abgeordnetenhaus (besucherdienst@parlament-berlin.de).
Die Plätze sind begrenzt. Einen Platz im relativ großen Raum zu bekommen, in dem die Liveübertragung stattfindet, war bisher aber gar kein Problem.

Mitbringen
Für den Einlass ins Abgeordnetenhaus muss ein gültiger Pass oder Personalausweis mitgebracht werden! Wer keinen dabei hat, wird nicht eingelassen. Ihr müsst Pass/Personalausweis am Einlass hinterlegen und bekommt dann einen Besucher*innen-Ausweis zum Anstecken. Bei Verlassen des Abgeordnetenhauses müsst ihr diesen Ausweis zurückgeben und bekommt euren Pass/Personalausweis wieder zurück. Am Eingang des AGH wird wie vielerorts eine Personen- und Körperkontrolle durchgeführt. Mitgebrachtes Gepäck wird gescannt und durchsucht. Also im Prinzip so wie an einem Flughafen.

Journalist*innen müssen sich nicht gesondert akkreditieren, das Vorzeigen und Hinterlegen des Presseausweises genügt, um als Pressevertreter*in an der Sitzung teilnehmen zu können.

Verpflegung gibt es bis 15 Uhr in der Kantine des Abgeordnetenhauses im Erdgeschoss.

Wenn ihr nicht alleine zum Untersuchungsausschuss gehen möchtet, meldet euch bei uns: mail[at]nsu-watch.info

***

Bericht: 4. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (16. September 2022) nsu-watch.info

Bericht: 3. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (2. September 2022) nsu-watch.info

In Gedenken an Atilla Özer, gestorben am 23.09.2017.

Liebe Angehörige und Freund*innen von Atilla Özer, liebe Candan, liebe solidarische Menschen,

heute vor 5 Jahren ist Atilla von uns gegangen. Wir von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş wollen euch an diesem Tag unsere Anteilnahme und Solidarität aussprechen.
Wir kennen heute die Namen der Menschen, die vom NSU ermordet wurden. Aber der NSU-Komplex hat noch viel mehr Leben zerstört. Atilla wurde bei dem Nagelbombenanschlag des NSU in der Kölner Keupstraße schwer verletzt und hat unter den folgenden polizeilichen Ermittlungen sehr gelitten. Die Rassistischen Ermittlungen in der Kölner Keupstraße werden auch „die Bombe nach der Bombe“ genannt. Denn die jahrelangen ständigen Verdächtigungen und Befragungen, die Unsicherheit und die rassistische mediale Berichterstattung haben eine ebenso große Erschütterung in den Leben hinterlassen.
Atilla hat den Anschlag überlebt, aber nicht seine Folgen.
Wir klagen den Staat an, den NSU nicht gestoppt zu haben und durch die rassistischen Ermittlungen zusätzliches Leid erzeugt zu haben. Die rassistischen Ermittlungen sind mit Schuld an Atillas Tod.
Wir fordern einen anderen Umgang mit Betroffenen von rechtem Terror. Schluss mit der Täter-Opfer-Umkehr! Es braucht schnelle pragmatische Hilfen, soziale und psychische Unterstützungsangebote und angemessene Entschädigungen statt der zusätzlichen Traumatisierung von Überlebenden durch unangemessenes Handeln staatlicher Behörden!

Leider können wir heute nicht bei euch in Hamburg sein, aber unsere Gedanken sind bei euch und bei Atilla.
Solidarische Grüße aus Berlin von der Burak Ini

Commemorate Luke Holland Tuesday, September 20th, 2022

At 6 p.m., on Ringbahnstraße, corner to Walterstrasse in Berlin Neukölln, we want to lay some flowers at the place of his murder.

We commemorate Luke Holland, who was murdered on 20th September 2015 in Berlín by a Neonazi.

Luke lived in Berlin and was – out of nowhere – murdered by a Neonazi. The murderer Rolf Zielezinski was convicted, but the court didn’t see a right wing motive for the crime. The murder of Luke is depoliticized, which is
unacceptable.
Philip Holland, Luke’s father, said in his statement: „I still cannot believe the prejudice of the law courts, in not charging and convicting this murderer, with being a Neo Nazi, a racist, and committing a hate crime.“

Offener Brief: Die Öffentlichkeit im Neukölln-Untersuchungsausschuss muss hergestellt werden!

Jahrelang hat das Berliner Abgeordnetenhaus die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex verhindert. Seit kurzem kommt nun endlich die parlamentarische Aufklärung voran. Dass es überhaupt zu diesem Untersuchungsausschuss zu rechtem Terror in Neukölln gekommen ist, ist der unermüdlichen, jahrelangen Arbeit der Betroffenen und ihrer Initiativen zu verdanken.

Jetzt steht die solidarische Öffentlichkeit im laufenden Ausschuss leider wieder vor der Tür. Aufgrund der Verordnungen im Abgeordnetenhaus müssen Medienvertreter*innen und Zuschauer*innen in einem anderen Saal als der Ausschuss sitzen und dürfen die Sitzungen nur durch einen Livestream auf drei Leinwänden verfolgen.

Die Öffentlichkeit im Untersuchungsausschuss ist damit nicht in unserem Sinne hergestellt.

1. Die Betroffenen dürfen vor dem Ausschuss nicht alleine gelassen werden!

Nachdem Polizei und Strafverfolgungsbehörden die Betroffenen des rechten Terrors in Neukölln jahrelang allein gelassen hatten, sind diese jetzt gezwungen, sich alleine den Fragen des Ausschusses zu stellen. Das finden wir inakzeptabel. Betroffene Zeug*innen dürfen sich zwar von einem Rechtsbeistand begleiten lassen, aber das halten wir nicht für ausreichend. Schon in der ersten Sitzung mit Zeug*innenaussagen hat sich gezeigt, dass einige Ausschussmitglieder den Betroffenen gegenüber nicht freundlich gesinnt sind und dies auch durch polemische Kommentare und irreführende Fragen deutlich machen.

2. Die Öffentlichkeit ist nicht hergestellt, wenn der Ausschuss sie nicht wahrnimmt

Durch die jetzige Regelung können die Zuschauenden und die Medien zwar den Ausschuss verfolgen, aber der Ausschuss hält die Öffentlichkeit fern. Wir erwarten, dass der Ausschuss sich auch mit der kritischen Öffentlichkeit vor Ort auseinandersetzt. Die Betroffenen und die Initiativen haben lange für den Ausschuss gekämpft, um einen öffentlichen Ort der Verhandlung zu haben. Die Öffentlichkeit hat unseres Erachtens das Recht, von dem Ausschuss wahrgenommen zu werden, auch in ihren Reaktionen auf die Arbeit des Ausschusses.

Wir, die unterzeichnenden Betroffenen und Initiativen, fordern den Ausschuss und seine Mitglieder daher auf, die räumlichen Bedingungen herzustellen, die auch in anderen Bundesländern in ähnlichen Ausschüssen eingehalten werden können, damit die Öffentlichkeit pandemiekonform in einem Raum mit dem Ausschuss sitzen kann. Größere Räume sind vorhanden, im Zweifel auch der Plenarsaal, welche auch in anderen Bundesländern für Ausschusssitzungen freigehalten werden.

Berlin, 14. September 2022

Detlef Fendt
Claudia von Gélieu
Christian von Gélieu
Ferat Koçak
Heinz Jürgen Ostermann
Christiane Schott
Jürgen Schulte

*aze – *andere zustände ermöglichen.
BASTA – wir haben genug. Britzer Bürger*innen fordern Aufklärung rechter Straftaten.
Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (Berliner VVN-BdA e.V.)
Bündnis Neukölln – Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt
Galerie Olga Benario
Hufeisern gegen Rechts. Britz gegen Rechtsextremismus
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş
Initiative Kein Generalverdacht
Neukölln Watch
Psychologische Beratung für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt (OPRA)
ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
Rudow empört sich. Gemeinsam für Respekt und Vielfalt.
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG)
Verein für Demokratische Kultur in Berlin – Initiative für urbane Demokratieentwicklung (VDK) e.V.
NSU-Watch

Der Neukölln-Komplex und der Berliner Justiz-Apparat

In Berlin soll mit dem Untersuchungsausschuss (UA) zum Neukölln-Komplex ab 2. September 2022, nach der Konstituierung des Untersuchungsausschusses, die Aufklärung losgehen. Ob der Untersuchungsausschuss dieses Versprechen an die Opfer der rassistischen/rechten Anschläge und die Angehörigen von Burak Bektaş (ermordet am 5. April 2012) und Luke Holland (ermordet am 20. September 2015) halten kann, muß der UA noch beweisen. Immerhin haben die Opfer der Anschlagsserie und Angehörigen zugestimmt, dass der Untersuchungsausschuss in die Akten sehen darf, diese Zustimmung war notwendig für den Untersuchungsausschuss. Die berliner Ermittler:innen haben bisher nur den Mord an Luke Holland (teilweise) aufgeklärt, weder einen der über 70 Anschläge noch den Mord an Burak Bektaş. Die Täter konnten bisher straflos ihre Untaten verüben.

Fast zeitgleich mit dem Beginn der Aufklärungsarbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 2. September 2022 soll am 29. August 2022 der Prozess gegen 2 der Hauptverdächigten der Anschlagsserie in Neukölln vor dem Amtsgericht Tiergarten beginnen.

Bereits im Februar hat das Gericht Tiergarten mit einer Bewährungsstrafe für einen der Hauptverdächigten im Neukölln-Komplex “überrascht”. Der Neonazi Sebastian Thom war angeklagt wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung und (rassistischer) Beleidigung, ist vorbestraft und war wegen Gewalt- und Propagandadelikten bereits inhaftiert. Das Gericht fand seine Entschuldigung für seinen Naziübergriff auf einen nicht-weißdeutschen Taxifahrer so glaubhaft, das es ihn zu einer Bewährungsstrafe verurteilte.
22.02.2022 berliner Kurier: Neonazi kommt frei, weil er sich vor Gericht entschuldigt
21.02.2022 nd: Bewährung für Rechtsextremisten – Hauptverdächtiger der Neuköllner Terrorserie erhält Ersatzstrafe für Angriff auf einen Taxifahrer

Nun schließt dasselbe Gericht ein Opfer der Anschlagsserie, den berliner Linken-Politiker Ferat Koçak, von der Nebenklage beim Prozess gegen Hauptverdächtige der Neukölln-Anschlagsserie ab dem 29. August 2022 aus. Er sei nicht genug geschädigt/traumatisiert worden durch den Anschlag auf sein Wohnhaus, in dem auch seine Eltern leben. Ferat Koçaks Mutter erlitt wenige Tage nach dem Anschlag einen Herzinfakt und überlebte zum Glück.

Presse zur verweigerten Nebenklage:
05.08.2022 taz: Dass die Opfer im Neukölln-Komplex keine Nebenkläger sein dürfen, ist ein Armutszeugnis
03.08.2022 tagesspiegel; Betroffener von Nazi-Anschlag nicht als Nebenkläger zugelassen
03.08.2022 nd: Anschlagsopfer ohne Nebenklagerecht
03.08.2022 taz: In diesem Verfahren nicht präsent
03.08.2022 rbb: Richterin schließt Opfer rechter Gewalt als Nebenkläger aus
03.08.2022 rbb-video: Richterin schließt Opfer rechter Gewalt als Nebenkläger aus / mp4
03.08.2022 b. morgenpost: Neuköllner Anschlagsserie – Richterin lehnt Nebenklage ab

München erinnern : Redebeitrag bei der Demonstration 6 Jahre nach dem OEZ-Anschlag

Trauern und Gedenken –München erinnern! am 22.7.22

Euer Aufruf München erinnern! Für uns! hat uns erreicht. Wir, die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş aus Berlin-Neukölln sind hier nach München gekommen um gemeinsam mit euch – Angehörige, Überlebende und Unterstützende – euren Liebsten, den Ermordeten des antimuslimischen-gadjé-rassistischen-rechten Anschlags am OEZ von vor 6 Jahren zu gedenken.
Wir trauern um Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabina, Selçuk und Sevda.

Es ist eurem Einsatz, eurem jahrelangen Kampf zu verdanken, dass der Anschlag endlich als das eingeordnet wurde, was er ist: ein rechter Terroranschlag.
(etwas mehr Fotos)

Es ist traurige Wahrheit, dass rechte Kontinuitäten in Deutschland allzu gerne ignoriert, geleugnet und vertuscht werden. Der Anschlag wurde von einem bekennenden Nazi mit Vernetzung in rechtsradikalen Chatgruppen begangen. Obwohl das von Anfang an klar war und trotz dieses Wissens, wurde die Tat von offizieller Seite über 3 Jahre nicht als politisch motiviert eingeordnet.
Jahrelang wurde die Anerkennung als rechter Terroranschlag versagt und die Tat entpolitisiert und “überschrieben“. Die fatalen Konsequenzen der Einstufung eines Terroranschlags als Amoklauf sind, dass rechte Strukturen als solche nicht benannt, nicht aufgedeckt, nicht verfolgt und sogar gedeckt werden. Den Angehörigen der Opfer und Betroffenen rechter-rassistischer Gewalt wird so die Solidarität, Anerkennung und Entschädigung entsagt. Die offizielle Erinnerungskultur für den Terroranschlag ist eine komplett andere. Die Öffentlichkeit wird getäuscht. Die Darstellung des Anschlags eines angeblich psychisch gestörten Täters bedarf keiner weiteren Handlungen von Seiten der ermittelnden Behörden. Und für die Öffentlichkeit wird es als trauriger Schicksalsschlag eingeordnet und als solcher gedanklich abgetan. Eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und institutionellen Herrschaftsverhältnissen und Rassismus -mit der Macht, eine Tat zu definieren- wird vermieden.
Das tatsächliche Tatmotiv des OEZ-Anschlags in München wurde negiert. Stattdessen wurde mit der Konstruktion des vermeintlichen Motivs des Täters, nämlich Rache, zudem eine rassistisch konstruierte Gruppe für die Tat verantwortlich gemacht; die Schuld wird damit auf die Betroffenen, auf die Opfer, auf die Überlebenden gelenkt. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist unerträglich!

Es ist nur euch, den Angehörigen, Überlebenden und ihren Unterstützer*innen zu verdanken, dass diese Rechnung von Ermittlungsbehörden, Justiz und Politik nicht aufgegangen ist.
Ihr habt es geschafft diese zu durchbrechen. Heute, nach 6 Jahren, findet hier in München die Trauerfeier von den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen statt mit bundesweiter Solidarität.
(etwas mehr Fotos)

Wir von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş fordern gemeinsam mit Buraks Familie, den Angehörigen und Freund*innen seit nun 10 Jahren die Aufklärung des Mordes an Burak. Burak ist 2012 im Alter von 22 Jahren in Berlin-Neukölln auf offener Straße ermordet worden. 2 seiner Freunde überlebten schwer verletzt. Die Tat erfolgte kurz nach der Selbstenttarnung des NSU. Der Tathergang lässt eine NSU-Nachahmungstat vermuten. Bis heute ist der Täter nicht gefasst. Wie kann das sein? Das kann sein, wenn Rassismus als Mordmotiv von Anfang an nicht in Betracht gezogen wird und nicht konsequent und in die richtige Richtung ermittelt wird. Wir fordern, dass rechte-rassistische Morde und Gewalt konsequent verfolgt und verhindert werden.

Buraks Mutter Melek Bektaş hat das 2017 auf dem Tribunal NSU-Komplex-auflösen so ausgedrückt:

„Wenn wir schweigen, wird das immer passieren.
Nein, kein Schweigen! Wir werden nicht mehr schweigen.
Jetzt wird gesprochen! Keine Trauer – sondern Wut!
Kein Aufgeben, sondern Kampf!
Wir sind hier, um unsere Stimmen zu erheben.
Wir wollen Gerechtigkeit für alle Buraks.
Deswegen sind wir hier.“
Tek umudumuz daha çok Buraklar ölmesin.
Sesimizi duyurmak için buradayız.
Biz Buraklar için adalet istiyoruz!

Wir trauern mit euch um eure Liebsten und kämpfen mit euch, dass so etwas niemals wieder geschieht.
22.7.2022, Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.

München, Halle, Hanau, Kassel – das war rechter Terror. Wir trauern um die neun Ermordeten am OEZ in München.

[Pressemitteilung übernommen von muenchen erinnern]

Am 22.7. jährt sich der Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München zum sechsten Mal. Der Täter hatte den 5.Jahrestag des Anschlags in Utøya bewusst für seine Tat gewählt. Obwohl er damit ein klares Zeichen gesetzt hat, wurde bereits kurz nach der Tat ohne weitergehende Ermittlungen von einem Amoklauf gesprochen. In der Zwischenzeit zeigen drei Gutachten, dass es sich bei der Tat um rechten Terror, antimuslimischen Rassismus und Antiziganismus gehandelt hat.
Trotzdem taucht der Anschlag im öffentlichen Diskurs nicht als solcher auf. Halle, Hanau, Kassel – das ist die Aufzählung, die meist genannt wird wenn es um aktuellen rechten Terror geht. München bleibt dabei bisher unerwähnt. In der Folge bekamen Angehörige, Überlebende und Freund*innen der Opfer bis jetzt wenig Solidarität und Unterstützung. Sie wurden mit ihren Forderungen und Bedürfnissen alleingelassen.

Say their names:
Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabina S.*, Selçuk Kılıç und Sevda Dağ

Trauermarsch am 22.7.: Rechten Terror stoppen und München erinnern!

In diesem Jahr ruft eine Initiative von Angehörigen und Unterstützer*innen zu einem Trauermarsch am 22.7. in der Innenstadt in München auf. München soll daran erinnert werden, dass an diesem Tag sechs Jahre zuvor neun Menschen von einem rechten Täter getötet wurden. „Ich möchte Euch auffordern, am 22.7. um 14 Uhr zum Odeonsplatz zu kommen, um gemeinsam mit uns zu trauern“, sagt Gisela Kollmann in einer Videobotschaft auf Instagram. Sie ist die Oma von Guiliano Kollmann, der bei dem Anschlag umgebracht wurde. Guiliano war 19, nannte sich selbst „Sinto2000“. Seine Zugehörigkeit war ihm wichtig und er war stolz darauf. Die Familiengeschichte der Kollmanns ist geprägt von mehreren Morden an Angehörigen im Vernichtungslager Ausschwitz und dem Überleben seines Uropas im Konzentrationslager Dachau. „Am Tatort haben wieder Geschäfte aufgemacht als wäre nichts passiert“, sagt Sibel Leyla. „Es gibt eine große Stille und wir wollen das ändern.“ Ihr Sohn Can wurde am OEZ ermordet. Er war 14 Jahre alt, begeisterter Fußballspieler. Gemeinsam mit ihrem Mann Hasan kämpft SibelLeyla seit Jahren darum, dass der Anschlag als rechter Terrorakt ins kollektive Gedächtnis aufgenommen wird und dass sich München seiner Verantwortung stellt. Beide haben in den letzten Monaten auf verschiedenen Veranstaltungen bundesweit gesprochen. Sind nach Berlin, Halle und Hanau gereist, haben beim Tribunal NSU-Komplex auflösen an Pfingsten in Nürnberg gesprochen und es so geschafft, bundesweit Gruppen zu aktivieren, sich für das Erinnern an die Ermordeten des Anschlags am OEZ einzusetzen.

Bundesweite Unterstützung und Solidarität
Der 22.7. soll nicht nur in München, sondern bundesweit in Erinnerung bleiben. Auf dem Instagram-Kanal muenchen.oez.erinnern rufen auch Angehörige anderer Anschläge zur Unterstützung auf ebenso wie Künstler*innen und Aktivist*innen. Sie rufen dazu auf, die Angehörigen an diesem Tag nicht alleine zu lassen und die Opfer des rechten und rassistischen Anschlags am OEZ München auch in Zukunft nicht zu vergessen. In mehreren Städten, beispielsweise Regensburg, Münster und Düsseldorf haben bereits Veranstaltungen stattgefunden. Es sind mittlerweile solidarische Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen in mehreren Städten angekündigt: Bremen, Jena, Leipzig, Magdeburg, Rostock und Zwickau, siehe: https://muenchen-erinnern.de/termine/. Und weitere kommen noch dazu. „Der Anschlag ist nicht nur eine Geschichte in München, er ist die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, ordnet Hasan Leyla ein. Rechter Terror hat Geschichte in Deutschland seit 1945 und der Anschlag am OEZ gehört dazu.

Forderung: Gedenken statt Burger
Das Gedenken an den Anschlag ist mit Forderungen verbunden. Für die Angehörigen ist es unerträglich, dass in dem McDonald am OEZ, wo ihre Liebsten umgebracht wurden, jetzt wieder Burger und Pommes serviert und gegessen werden. Sie fordern, dass dieser Ort zu einem Gedenkort wird. Sie wollen außerdem sicherstellen, dass die Gräber dauerhaft erhalten und gepflegt werden, wie das beispielsweise bei Ehrengräbern der Fall ist. In Hanau wurde das bereits durchgesetzt. In München fehlt dazu bisher noch die Zusage der Stadt. Und sie fordern einen Raum im Stadtteil Moosach. Einen Raum, in dem sich die Familien treffen und austauschen können, der ein Ort des Erinnerns ist und der Solidarität im Kampf gegen rechten Terror und Rassismus. Dafür brauchen sie Unterstützung in München und bundesweit.

* der Nachname von Sabina S. wird auf Wunsch der Familie nicht ausgeschrieben.