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Aufruf zur Untersuchungsausschuss-Beobachtung

“Neukölln-Komplex: Besucht die Sitzungen des Untersuchungsausschusses!
[übernommen von nsu-watch.info]

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zum Neukölln-Komplex ist in die Beweisaufnahme eingetreten. Alle bisherigen Untersuchungsausschüsse zum NSU und zu rechtem Terror haben gezeigt, wie wichtig eine kritische Öffentlichkeit ist. Wie wichtig es ist, dass die Abgeordneten merken, dass ihnen auf die Finger geschaut wird. Deshalb fordern wir euch auch für den jetzigen Untersuchungsausschuss in Berlin auf: Geht zu den Sitzungen des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex!

Wo?
Die Sitzungen finden statt im Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstr. 5, 10117 Berlin
(Nähe U Kochstraße/Checkpoint Charlie und U Potsdamer Platz)

Vor dem Abgeordnetenhaus stehen Fahrradbügel zur Verfügung.

Bisher (Stand: 16.09.2022) sitzen die Besucher*innen und die Pressevertreter*innen in einem gesonderten Raum (bisher im dritten Stock: Raum 311, Bernhard-Letterhaus-Saal, oder Raum 376, Ernst-Heilmann-Saal) und können die Sitzung nur per Livestream verfolgen.

Betroffene und Initiativen (darunter NSU-Watch) fordern, dass die Öffentlichkeit im Sitzungssaal teilnehmen darf: Offener Brief.

Wann?
Sitzungstag ist in der Regel der Freitag in der Woche vor der Plenarsitzungswoche. Die Sitzungen beginnen um 10 Uhr. Die nächsten Termine sind: 30.09.22, 14.10.22, 11.11.2022, 25.11.2022, 09.12.2022, 06.01.23, 20.01.23. Weitere Termine sowie die jeweilige Tagesordnung findet ihr hier:
beim Abgeordnetenhaus (Abgeordnetenhaus (AGH) Berlin zum PUA Neukölln-Komplex).

Anmelden
Besucher*innen müssen sich anmelden, per E-Mail oder telefonisch. Genaueres hier:
Abgeordnetenhaus (besucherdienst@parlament-berlin.de).
Die Plätze sind begrenzt. Einen Platz im relativ großen Raum zu bekommen, in dem die Liveübertragung stattfindet, war bisher aber gar kein Problem.

Mitbringen
Für den Einlass ins Abgeordnetenhaus muss ein gültiger Pass oder Personalausweis mitgebracht werden! Wer keinen dabei hat, wird nicht eingelassen. Ihr müsst Pass/Personalausweis am Einlass hinterlegen und bekommt dann einen Besucher*innen-Ausweis zum Anstecken. Bei Verlassen des Abgeordnetenhauses müsst ihr diesen Ausweis zurückgeben und bekommt euren Pass/Personalausweis wieder zurück. Am Eingang des AGH wird wie vielerorts eine Personen- und Körperkontrolle durchgeführt. Mitgebrachtes Gepäck wird gescannt und durchsucht. Also im Prinzip so wie an einem Flughafen.

Journalist*innen müssen sich nicht gesondert akkreditieren, das Vorzeigen und Hinterlegen des Presseausweises genügt, um als Pressevertreter*in an der Sitzung teilnehmen zu können.

Verpflegung gibt es bis 15 Uhr in der Kantine des Abgeordnetenhauses im Erdgeschoss.

Wenn ihr nicht alleine zum Untersuchungsausschuss gehen möchtet, meldet euch bei uns: mail[at]nsu-watch.info

***

Bericht: 4. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (16. September 2022) nsu-watch.info

Bericht: 3. Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex (2. September 2022) nsu-watch.info

In Gedenken an Atilla Özer, gestorben am 23.09.2017.

Liebe Angehörige und Freund*innen von Atilla Özer, liebe Candan, liebe solidarische Menschen,

heute vor 5 Jahren ist Atilla von uns gegangen. Wir von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş wollen euch an diesem Tag unsere Anteilnahme und Solidarität aussprechen.
Wir kennen heute die Namen der Menschen, die vom NSU ermordet wurden. Aber der NSU-Komplex hat noch viel mehr Leben zerstört. Atilla wurde bei dem Nagelbombenanschlag des NSU in der Kölner Keupstraße schwer verletzt und hat unter den folgenden polizeilichen Ermittlungen sehr gelitten. Die Rassistischen Ermittlungen in der Kölner Keupstraße werden auch „die Bombe nach der Bombe“ genannt. Denn die jahrelangen ständigen Verdächtigungen und Befragungen, die Unsicherheit und die rassistische mediale Berichterstattung haben eine ebenso große Erschütterung in den Leben hinterlassen.
Atilla hat den Anschlag überlebt, aber nicht seine Folgen.
Wir klagen den Staat an, den NSU nicht gestoppt zu haben und durch die rassistischen Ermittlungen zusätzliches Leid erzeugt zu haben. Die rassistischen Ermittlungen sind mit Schuld an Atillas Tod.
Wir fordern einen anderen Umgang mit Betroffenen von rechtem Terror. Schluss mit der Täter-Opfer-Umkehr! Es braucht schnelle pragmatische Hilfen, soziale und psychische Unterstützungsangebote und angemessene Entschädigungen statt der zusätzlichen Traumatisierung von Überlebenden durch unangemessenes Handeln staatlicher Behörden!

Leider können wir heute nicht bei euch in Hamburg sein, aber unsere Gedanken sind bei euch und bei Atilla.
Solidarische Grüße aus Berlin von der Burak Ini

Commemorate Luke Holland Tuesday, September 20th, 2022

At 6 p.m., on Ringbahnstraße, corner to Walterstrasse in Berlin Neukölln, we want to lay some flowers at the place of his murder.

We commemorate Luke Holland, who was murdered on 20th September 2015 in Berlín by a Neonazi.

Luke lived in Berlin and was – out of nowhere – murdered by a Neonazi. The murderer Rolf Zielezinski was convicted, but the court didn’t see a right wing motive for the crime. The murder of Luke is depoliticized, which is
unacceptable.
Philip Holland, Luke’s father, said in his statement: „I still cannot believe the prejudice of the law courts, in not charging and convicting this murderer, with being a Neo Nazi, a racist, and committing a hate crime.“

Offener Brief: Die Öffentlichkeit im Neukölln-Untersuchungsausschuss muss hergestellt werden!

Jahrelang hat das Berliner Abgeordnetenhaus die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Neukölln-Komplex verhindert. Seit kurzem kommt nun endlich die parlamentarische Aufklärung voran. Dass es überhaupt zu diesem Untersuchungsausschuss zu rechtem Terror in Neukölln gekommen ist, ist der unermüdlichen, jahrelangen Arbeit der Betroffenen und ihrer Initiativen zu verdanken.

Jetzt steht die solidarische Öffentlichkeit im laufenden Ausschuss leider wieder vor der Tür. Aufgrund der Verordnungen im Abgeordnetenhaus müssen Medienvertreter*innen und Zuschauer*innen in einem anderen Saal als der Ausschuss sitzen und dürfen die Sitzungen nur durch einen Livestream auf drei Leinwänden verfolgen.

Die Öffentlichkeit im Untersuchungsausschuss ist damit nicht in unserem Sinne hergestellt.

1. Die Betroffenen dürfen vor dem Ausschuss nicht alleine gelassen werden!

Nachdem Polizei und Strafverfolgungsbehörden die Betroffenen des rechten Terrors in Neukölln jahrelang allein gelassen hatten, sind diese jetzt gezwungen, sich alleine den Fragen des Ausschusses zu stellen. Das finden wir inakzeptabel. Betroffene Zeug*innen dürfen sich zwar von einem Rechtsbeistand begleiten lassen, aber das halten wir nicht für ausreichend. Schon in der ersten Sitzung mit Zeug*innenaussagen hat sich gezeigt, dass einige Ausschussmitglieder den Betroffenen gegenüber nicht freundlich gesinnt sind und dies auch durch polemische Kommentare und irreführende Fragen deutlich machen.

2. Die Öffentlichkeit ist nicht hergestellt, wenn der Ausschuss sie nicht wahrnimmt

Durch die jetzige Regelung können die Zuschauenden und die Medien zwar den Ausschuss verfolgen, aber der Ausschuss hält die Öffentlichkeit fern. Wir erwarten, dass der Ausschuss sich auch mit der kritischen Öffentlichkeit vor Ort auseinandersetzt. Die Betroffenen und die Initiativen haben lange für den Ausschuss gekämpft, um einen öffentlichen Ort der Verhandlung zu haben. Die Öffentlichkeit hat unseres Erachtens das Recht, von dem Ausschuss wahrgenommen zu werden, auch in ihren Reaktionen auf die Arbeit des Ausschusses.

Wir, die unterzeichnenden Betroffenen und Initiativen, fordern den Ausschuss und seine Mitglieder daher auf, die räumlichen Bedingungen herzustellen, die auch in anderen Bundesländern in ähnlichen Ausschüssen eingehalten werden können, damit die Öffentlichkeit pandemiekonform in einem Raum mit dem Ausschuss sitzen kann. Größere Räume sind vorhanden, im Zweifel auch der Plenarsaal, welche auch in anderen Bundesländern für Ausschusssitzungen freigehalten werden.

Berlin, 14. September 2022

Detlef Fendt
Claudia von Gélieu
Christian von Gélieu
Ferat Koçak
Heinz Jürgen Ostermann
Christiane Schott
Jürgen Schulte

*aze – *andere zustände ermöglichen.
BASTA – wir haben genug. Britzer Bürger*innen fordern Aufklärung rechter Straftaten.
Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (Berliner VVN-BdA e.V.)
Bündnis Neukölln – Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt
Galerie Olga Benario
Hufeisern gegen Rechts. Britz gegen Rechtsextremismus
Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş
Initiative Kein Generalverdacht
Neukölln Watch
Psychologische Beratung für Opfer rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt (OPRA)
ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
Rudow empört sich. Gemeinsam für Respekt und Vielfalt.
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG)
Verein für Demokratische Kultur in Berlin – Initiative für urbane Demokratieentwicklung (VDK) e.V.
NSU-Watch

Der Neukölln-Komplex und der Berliner Justiz-Apparat

In Berlin soll mit dem Untersuchungsausschuss (UA) zum Neukölln-Komplex ab 2. September 2022, nach der Konstituierung des Untersuchungsausschusses, die Aufklärung losgehen. Ob der Untersuchungsausschuss dieses Versprechen an die Opfer der rassistischen/rechten Anschläge und die Angehörigen von Burak Bektaş (ermordet am 5. April 2012) und Luke Holland (ermordet am 20. September 2015) halten kann, muß der UA noch beweisen. Immerhin haben die Opfer der Anschlagsserie und Angehörigen zugestimmt, dass der Untersuchungsausschuss in die Akten sehen darf, diese Zustimmung war notwendig für den Untersuchungsausschuss. Die berliner Ermittler:innen haben bisher nur den Mord an Luke Holland (teilweise) aufgeklärt, weder einen der über 70 Anschläge noch den Mord an Burak Bektaş. Die Täter konnten bisher straflos ihre Untaten verüben.

Fast zeitgleich mit dem Beginn der Aufklärungsarbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 2. September 2022 soll am 29. August 2022 der Prozess gegen 2 der Hauptverdächigten der Anschlagsserie in Neukölln vor dem Amtsgericht Tiergarten beginnen.

Bereits im Februar hat das Gericht Tiergarten mit einer Bewährungsstrafe für einen der Hauptverdächigten im Neukölln-Komplex “überrascht”. Der Neonazi Sebastian Thom war angeklagt wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung und (rassistischer) Beleidigung, ist vorbestraft und war wegen Gewalt- und Propagandadelikten bereits inhaftiert. Das Gericht fand seine Entschuldigung für seinen Naziübergriff auf einen nicht-weißdeutschen Taxifahrer so glaubhaft, das es ihn zu einer Bewährungsstrafe verurteilte.
22.02.2022 berliner Kurier: Neonazi kommt frei, weil er sich vor Gericht entschuldigt
21.02.2022 nd: Bewährung für Rechtsextremisten – Hauptverdächtiger der Neuköllner Terrorserie erhält Ersatzstrafe für Angriff auf einen Taxifahrer

Nun schließt dasselbe Gericht ein Opfer der Anschlagsserie, den berliner Linken-Politiker Ferat Koçak, von der Nebenklage beim Prozess gegen Hauptverdächtige der Neukölln-Anschlagsserie ab dem 29. August 2022 aus. Er sei nicht genug geschädigt/traumatisiert worden durch den Anschlag auf sein Wohnhaus, in dem auch seine Eltern leben. Ferat Koçaks Mutter erlitt wenige Tage nach dem Anschlag einen Herzinfakt und überlebte zum Glück.

Presse zur verweigerten Nebenklage:
05.08.2022 taz: Dass die Opfer im Neukölln-Komplex keine Nebenkläger sein dürfen, ist ein Armutszeugnis
03.08.2022 tagesspiegel; Betroffener von Nazi-Anschlag nicht als Nebenkläger zugelassen
03.08.2022 nd: Anschlagsopfer ohne Nebenklagerecht
03.08.2022 taz: In diesem Verfahren nicht präsent
03.08.2022 rbb: Richterin schließt Opfer rechter Gewalt als Nebenkläger aus
03.08.2022 rbb-video: Richterin schließt Opfer rechter Gewalt als Nebenkläger aus / mp4
03.08.2022 b. morgenpost: Neuköllner Anschlagsserie – Richterin lehnt Nebenklage ab

München erinnern : Redebeitrag bei der Demonstration 6 Jahre nach dem OEZ-Anschlag

Trauern und Gedenken –München erinnern! am 22.7.22

Euer Aufruf München erinnern! Für uns! hat uns erreicht. Wir, die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş aus Berlin-Neukölln sind hier nach München gekommen um gemeinsam mit euch – Angehörige, Überlebende und Unterstützende – euren Liebsten, den Ermordeten des antimuslimischen-gadjé-rassistischen-rechten Anschlags am OEZ von vor 6 Jahren zu gedenken.
Wir trauern um Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabina, Selçuk und Sevda.

Es ist eurem Einsatz, eurem jahrelangen Kampf zu verdanken, dass der Anschlag endlich als das eingeordnet wurde, was er ist: ein rechter Terroranschlag.
(etwas mehr Fotos)

Es ist traurige Wahrheit, dass rechte Kontinuitäten in Deutschland allzu gerne ignoriert, geleugnet und vertuscht werden. Der Anschlag wurde von einem bekennenden Nazi mit Vernetzung in rechtsradikalen Chatgruppen begangen. Obwohl das von Anfang an klar war und trotz dieses Wissens, wurde die Tat von offizieller Seite über 3 Jahre nicht als politisch motiviert eingeordnet.
Jahrelang wurde die Anerkennung als rechter Terroranschlag versagt und die Tat entpolitisiert und “überschrieben“. Die fatalen Konsequenzen der Einstufung eines Terroranschlags als Amoklauf sind, dass rechte Strukturen als solche nicht benannt, nicht aufgedeckt, nicht verfolgt und sogar gedeckt werden. Den Angehörigen der Opfer und Betroffenen rechter-rassistischer Gewalt wird so die Solidarität, Anerkennung und Entschädigung entsagt. Die offizielle Erinnerungskultur für den Terroranschlag ist eine komplett andere. Die Öffentlichkeit wird getäuscht. Die Darstellung des Anschlags eines angeblich psychisch gestörten Täters bedarf keiner weiteren Handlungen von Seiten der ermittelnden Behörden. Und für die Öffentlichkeit wird es als trauriger Schicksalsschlag eingeordnet und als solcher gedanklich abgetan. Eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und institutionellen Herrschaftsverhältnissen und Rassismus -mit der Macht, eine Tat zu definieren- wird vermieden.
Das tatsächliche Tatmotiv des OEZ-Anschlags in München wurde negiert. Stattdessen wurde mit der Konstruktion des vermeintlichen Motivs des Täters, nämlich Rache, zudem eine rassistisch konstruierte Gruppe für die Tat verantwortlich gemacht; die Schuld wird damit auf die Betroffenen, auf die Opfer, auf die Überlebenden gelenkt. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist unerträglich!

Es ist nur euch, den Angehörigen, Überlebenden und ihren Unterstützer*innen zu verdanken, dass diese Rechnung von Ermittlungsbehörden, Justiz und Politik nicht aufgegangen ist.
Ihr habt es geschafft diese zu durchbrechen. Heute, nach 6 Jahren, findet hier in München die Trauerfeier von den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen statt mit bundesweiter Solidarität.
(etwas mehr Fotos)

Wir von der Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş fordern gemeinsam mit Buraks Familie, den Angehörigen und Freund*innen seit nun 10 Jahren die Aufklärung des Mordes an Burak. Burak ist 2012 im Alter von 22 Jahren in Berlin-Neukölln auf offener Straße ermordet worden. 2 seiner Freunde überlebten schwer verletzt. Die Tat erfolgte kurz nach der Selbstenttarnung des NSU. Der Tathergang lässt eine NSU-Nachahmungstat vermuten. Bis heute ist der Täter nicht gefasst. Wie kann das sein? Das kann sein, wenn Rassismus als Mordmotiv von Anfang an nicht in Betracht gezogen wird und nicht konsequent und in die richtige Richtung ermittelt wird. Wir fordern, dass rechte-rassistische Morde und Gewalt konsequent verfolgt und verhindert werden.

Buraks Mutter Melek Bektaş hat das 2017 auf dem Tribunal NSU-Komplex-auflösen so ausgedrückt:

„Wenn wir schweigen, wird das immer passieren.
Nein, kein Schweigen! Wir werden nicht mehr schweigen.
Jetzt wird gesprochen! Keine Trauer – sondern Wut!
Kein Aufgeben, sondern Kampf!
Wir sind hier, um unsere Stimmen zu erheben.
Wir wollen Gerechtigkeit für alle Buraks.
Deswegen sind wir hier.“
Tek umudumuz daha çok Buraklar ölmesin.
Sesimizi duyurmak için buradayız.
Biz Buraklar için adalet istiyoruz!

Wir trauern mit euch um eure Liebsten und kämpfen mit euch, dass so etwas niemals wieder geschieht.
22.7.2022, Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş.

München, Halle, Hanau, Kassel – das war rechter Terror. Wir trauern um die neun Ermordeten am OEZ in München.

[Pressemitteilung übernommen von muenchen erinnern]

Am 22.7. jährt sich der Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München zum sechsten Mal. Der Täter hatte den 5.Jahrestag des Anschlags in Utøya bewusst für seine Tat gewählt. Obwohl er damit ein klares Zeichen gesetzt hat, wurde bereits kurz nach der Tat ohne weitergehende Ermittlungen von einem Amoklauf gesprochen. In der Zwischenzeit zeigen drei Gutachten, dass es sich bei der Tat um rechten Terror, antimuslimischen Rassismus und Antiziganismus gehandelt hat.
Trotzdem taucht der Anschlag im öffentlichen Diskurs nicht als solcher auf. Halle, Hanau, Kassel – das ist die Aufzählung, die meist genannt wird wenn es um aktuellen rechten Terror geht. München bleibt dabei bisher unerwähnt. In der Folge bekamen Angehörige, Überlebende und Freund*innen der Opfer bis jetzt wenig Solidarität und Unterstützung. Sie wurden mit ihren Forderungen und Bedürfnissen alleingelassen.

Say their names:
Armela Segashi, Can Leyla, Dijamant Zabërgja, Guiliano Kollmann, Hüseyin Dayıcık, Roberto Rafael, Sabina S.*, Selçuk Kılıç und Sevda Dağ

Trauermarsch am 22.7.: Rechten Terror stoppen und München erinnern!

In diesem Jahr ruft eine Initiative von Angehörigen und Unterstützer*innen zu einem Trauermarsch am 22.7. in der Innenstadt in München auf. München soll daran erinnert werden, dass an diesem Tag sechs Jahre zuvor neun Menschen von einem rechten Täter getötet wurden. „Ich möchte Euch auffordern, am 22.7. um 14 Uhr zum Odeonsplatz zu kommen, um gemeinsam mit uns zu trauern“, sagt Gisela Kollmann in einer Videobotschaft auf Instagram. Sie ist die Oma von Guiliano Kollmann, der bei dem Anschlag umgebracht wurde. Guiliano war 19, nannte sich selbst „Sinto2000“. Seine Zugehörigkeit war ihm wichtig und er war stolz darauf. Die Familiengeschichte der Kollmanns ist geprägt von mehreren Morden an Angehörigen im Vernichtungslager Ausschwitz und dem Überleben seines Uropas im Konzentrationslager Dachau. „Am Tatort haben wieder Geschäfte aufgemacht als wäre nichts passiert“, sagt Sibel Leyla. „Es gibt eine große Stille und wir wollen das ändern.“ Ihr Sohn Can wurde am OEZ ermordet. Er war 14 Jahre alt, begeisterter Fußballspieler. Gemeinsam mit ihrem Mann Hasan kämpft SibelLeyla seit Jahren darum, dass der Anschlag als rechter Terrorakt ins kollektive Gedächtnis aufgenommen wird und dass sich München seiner Verantwortung stellt. Beide haben in den letzten Monaten auf verschiedenen Veranstaltungen bundesweit gesprochen. Sind nach Berlin, Halle und Hanau gereist, haben beim Tribunal NSU-Komplex auflösen an Pfingsten in Nürnberg gesprochen und es so geschafft, bundesweit Gruppen zu aktivieren, sich für das Erinnern an die Ermordeten des Anschlags am OEZ einzusetzen.

Bundesweite Unterstützung und Solidarität
Der 22.7. soll nicht nur in München, sondern bundesweit in Erinnerung bleiben. Auf dem Instagram-Kanal muenchen.oez.erinnern rufen auch Angehörige anderer Anschläge zur Unterstützung auf ebenso wie Künstler*innen und Aktivist*innen. Sie rufen dazu auf, die Angehörigen an diesem Tag nicht alleine zu lassen und die Opfer des rechten und rassistischen Anschlags am OEZ München auch in Zukunft nicht zu vergessen. In mehreren Städten, beispielsweise Regensburg, Münster und Düsseldorf haben bereits Veranstaltungen stattgefunden. Es sind mittlerweile solidarische Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen in mehreren Städten angekündigt: Bremen, Jena, Leipzig, Magdeburg, Rostock und Zwickau, siehe: https://muenchen-erinnern.de/termine/. Und weitere kommen noch dazu. „Der Anschlag ist nicht nur eine Geschichte in München, er ist die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, ordnet Hasan Leyla ein. Rechter Terror hat Geschichte in Deutschland seit 1945 und der Anschlag am OEZ gehört dazu.

Forderung: Gedenken statt Burger
Das Gedenken an den Anschlag ist mit Forderungen verbunden. Für die Angehörigen ist es unerträglich, dass in dem McDonald am OEZ, wo ihre Liebsten umgebracht wurden, jetzt wieder Burger und Pommes serviert und gegessen werden. Sie fordern, dass dieser Ort zu einem Gedenkort wird. Sie wollen außerdem sicherstellen, dass die Gräber dauerhaft erhalten und gepflegt werden, wie das beispielsweise bei Ehrengräbern der Fall ist. In Hanau wurde das bereits durchgesetzt. In München fehlt dazu bisher noch die Zusage der Stadt. Und sie fordern einen Raum im Stadtteil Moosach. Einen Raum, in dem sich die Familien treffen und austauschen können, der ein Ort des Erinnerns ist und der Solidarität im Kampf gegen rechten Terror und Rassismus. Dafür brauchen sie Unterstützung in München und bundesweit.

* der Nachname von Sabina S. wird auf Wunsch der Familie nicht ausgeschrieben.

22.7.22: München erinnern – Gedenken an die Ermordeten des rechten Anschlags am OEZ

Aufruf von München erinnern:

Kommt am 22.7.2022 um 14.30 zum Trauermarsch vom Odeonsplatz zum Stiglmairplatz und anschließend zur Gedenkveranstaltung am OEZ um 17.00 Uhr.

Oder organisiert in Euren Städten solidarische Gedenkveranstaltungen zum Tatzeitpunkt um 17.51 Uhr!

Wir trauern um die Ermordeten des rechten Anschlags am OEZ

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Am 22.7.2016 wurden am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München neun Menschen bei einem rechten, rassistischen und antiziganistischen Anschlag ermordet:
Armela, Can, Dijamant, Guiliano, Hüseyin, Roberto, Sabina, Selçuk und Sevda.
Die Tat fand zielgerichtet am 5. Jahrestag des rechten Attentats in Oslo und Utøya, Norwegen statt. Dank des unermüdlichen Kampfs der Angehörigen und Überlebenden wurde der Anschlag am OEZ mittlerweile als rechter Terror anerkannt. Trotzdem bleibt er oft unerwähnt und ist vielen unbekannt. Es fehlt an größerer Öffentlichkeit beim Erinnern in München und darüber hinaus.

Das muss sich ändern!

Lasst uns alle zusammen: München erinnern!
Lasst uns die Ermordeten und den Anschlag bundesweit erinnern.
Lasst uns für Aufklärung kämpfen und Aufarbeitung vorantreiben.
Lasst uns gemeinsam rechten Terror stoppen.

Wir, Angehörige, Überlebende und Unterstützende rufen auf: Kommt am 22.7.2022 um 14.30 zum Trauermarsch vom Odeonsplatz zum Stiglmairplatz und anschließend zur Gedenkveranstaltung am OEZ um 17.00 Uhr.
Oder organisiert in Euren Städten solidarische Gedenkveranstaltungen zum Tatzeitpunkt um 17.51 Uhr!

Material zum Weiterverbreiten und Bekanntmachen

 

Redebeitrag zur Kundgebung am 16. Juni – Beginn des parlamentarischen Untersuchungsausschuss Berlin zum “Neukölln-Komplex”

Hallo,
Wir sprechen hier für die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş. Wir als Initiative fordern den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex seit Jahren. Viel zu viele Straftaten mit rechtem Motiv werden in Neukölln nicht aufgeklärt. Wir wollen, dass aufgeklärt wird woran das liegt. Wir wollen, dass Verantwortliche merken, dass wir alle auf sie schauen. Dass uns allen klar ist, dass es hier um ein strukturelles Problem in den Berliner Sicherheitsbehörden gehen muss und dass wir keine Ruhe geben, bis die Verantwortlichen hierfür zur Rechenschaft gezogen werden. Wir geben keine Ruhe, bis Konsequenzen gezogen werden und sich das grundlegend ändert. Genauso setzen wir uns seit Jahren für einen NSU-Untersuchungsausschuss für Berlin ein. Wir alle wissen, wie auch über die Medien bestätigt, dass die Nazistrukturen in Neukölln und bundesweite Rechte Netzwerke und Sicherheitsbehörden u.a. das LKA Berlin, Verstrickungen aufzeigen.
Wir fordern, dass der Mord an Burak und 4 fache Mordversuch an Buraks Freunden als das anerkannt wird, was es ist.
Solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, gehen wir weiterhin von Rassismus als Tatmotiv aus. Wir wollen wissen, durch welche Schritte in den Ermittlungen Rassismus als mögliches Tatmotiv geprüft wurde? Denn unser Eindruck ist, dass einem möglichen rassistischen Tatmotiv in den Ermittlungen nicht ausreichend nachgegangen wurde. Die Behörden sind entweder nicht in der Lage oder nicht willens, rechte, rassistische Handlungen und Motive zu erkennen, richtig zu beurteilen und effektiv zu ermitteln.

Der Mord an Burak Bektaş ist jetzt 10 Jahre her. Bei unserer Kundgebung zu Buraks zehntem Todestag hat Buraks Mutter Melek Bektaş eine Rede gehalten und wir wollen euch ein paar Auszüge daraus vorlesen:
„Was ich mir seit 10 Jahren wünsche ist: Der Mord soll aufgeklärt werden. Wie kann das sein, dass es nicht gelingt? Wie können alle noch helfen, dass es passiert? Die Polizei wird es nicht tun. Wer dann?
(…)
Ich wünsche mir, dass ich verstehe, was passiert ist. Ich wünsche mir, dass mein Sohn nicht einfach ermordet werden kann und niemand findet den Mörder.“
Im Jahr zuvor, an Buraks neuntem Todestag hat Familie Bektaş ihre drängenden und offenen Fragen zum Mord an Burak präzise zusammengefasst. Auch aus dieser Rede wollen wir euch vorlesen:
„Seit 9 Jahren gehen wir auf die Straße und stellen die selben Fragen.
– Wer hat Burak ermordet?
– Wieso musste er sterben?
– Was war das Motiv des Täters?
Seit 9 Jahren kann uns weder die Polizei, die Mordkommission noch die Politik diese Fragen beantworten. Damit ergeben sich weitere Fragen.
– Wie kann es sein, dass ein Mörder seit 9 Jahren auf freiem Fuß ist und ungestraft davon kommt?
– Wann wird der Mörder seine gerechte Strafe bekommen?
– Wann werden wir Gerechtigkeit erfahren?
Eine Frage stelle ich mir nach 9 Jahren nicht mehr.
– Hat die Mordkommission und Politik versagt?
Denn sie haben versagt.“

Auch der parlamentarische Untersuchungsausschuss wird den Mord an Burak nicht aufklären. Die begangenen Fehler werden nicht wieder gut gemacht. Aber wenn die Abgeordneten ihre Aufgabe gewissenhaft und hartnäckig ausführen, können wir vielleicht etwas darüber erfahren, wieso dieser Mord nicht aufgeklärt wurde.

Weitere Fragen, die uns als Burak-Ini sehr interessieren:

  1. Die Überlebenden des Anschlags, die somit direkte Zeugen der Tat waren, wurden unmittelbar nach dem Mord befragt, als die Jugendlichen noch unter Schock standen. Es wurde ihnen angekündigt, dass sie nochmal zur Erstellung eines Phantombilds geholt werden würden. Das ist aber nie passiert. Wieso wurden die Zeugen nicht mehr zur Erstellung des Phantombilds eingeladen? Wer hat diese Entscheidung getroffen und wieso?
  2. Am Tatort hat keine ordentliche Beweissicherung stattgefunden und Hinweisen wurde gar nicht oder nur nachlässig nachgegangen. Wieso wurden die Hülsen der Projektile nicht hinreichend gesichert und ausgewertet?
  3. Am 20. September 2015 wurde Luke Holland in Neukölln ermordet. Da es viele Ähnlichkeiten zwischen beiden Morden gab, sagte Luke Hollands Mutter Rita Holland: Wäre beim Mord an Burak ordentlich ermittelt worden, hätte der Mord an Luke Holland möglicherweise verhindert werden können und Luke wäre noch am Leben. Brisant ist, dass der Name des Mörders von Luke Holland, Rolf Zielezinski, auch schon 2013 in der Akte zum Mord an Burak Bektaş auftaucht. Rolf Zielesinski war einem Hinweisgeber als illegaler Waffenbesitzer mit einem engen Bezug zum Tatort des Mordes an Burak Bektaş bekannt. Doch diesem Hinweis wurde nicht sorgfältig nachgegangen. Das hat der damalige Kommissar zugegeben, weil es ihm nachgewiesen wurde. Wir wollen die Gründe erfahren. Warum wurde diesen Hinweisen nicht ordentlich nachgegangen? Die Familien Holland und Bektaş gehen davon aus, dass ihre Söhne von demselben Täter Rolf Zielezinski ermordet wurden. Wir wollen, dass im Rahmen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses alles unternommen wird, um diese These auszuschließen oder zu belegen.
  4. Rolf Zielezinski wurde für den Mord an Luke Holland verurteilt, allerdings ohne dass durch den Richter ein Motiv festgestellt wurde. Im Prozess kamen jedoch zahlreiche Belege für die rechten und rassistischen Auffassungen Zielezinskis zur Sprache. Der Mord wurde im Prozess entpolitisiert. War der Richter nicht fähig oder nicht willens ein rechtes Motiv zu erkennen? Was wird unternommen, wenn sich herausstellt, dass Richter*innen nicht fähig oder willens sind, rechte Motive zu erkennen?
  5. Eine Ermittlungsgruppe des LKA gab Empfehlungen für neue Ermittlungsansätze. Diese wurden aber allem Anschein nach 2 1/2 Jahre lang einfach nicht umgesetzt, sondern ignoriert. Wer ist hierfür verantwortlich zu machen? Wer hat solch ein Interesse an der Verschleppung der Aufklärung?
  6. In den Ermittlungsakten zum Mord an Burak war sehr lange Zeit ein umfangreicher Bericht nicht in den Akten. Für die Arbeit der Anwält*innen der Familie Bektaş ist diese Akte die wichtigste Informationsquelle. Ist die Akte nicht vollständig, wird ihre Arbeit sozusagen torpediert. Das Fehlen wichtiger Aktenteile – ihre Vorenthaltung – wurde von Innensenator Geisel als “Büroversehen” bezeichnet. Um welches „Büro“ soll es dabei gehen? Welche konkreten Personen sind dafür verantwortlich? Was waren die Motive? Dieses sogenannte Büroversehen bedeutet eine eklatante Verschleppung der Ermittlungen und wir wollen wissen von wem diese zu verantworten ist. Solche angeblichen Büroversehen kennen wir bereits von den NSU-Morden und es ist unerträglich, sie überhaupt so zu nennen! Nennen wir sie wenigstens Vertuschung.
  7. Am 8.4.2019 wurden falsche und verleumderische Aussagen über Burak im Berliner Kurier abgedruckt, was bei der Familie zusätzlichen Schmerz verursacht hat. In Folge einer Unterlassensklageandrohung hat der Verlag eine Richtigstellung veröffentlicht. Als Quelle für die falschen Informationen war in dem Artikel die Polizei angegeben worden. Wir wollen wissen, welche Person aus dem Polizeiapparat diese verleumderischen Falschinformationen an die Presse gegeben hat. Außerdem hatte der damalige Innensenator Geisel versprochen, zu prüfen, ob Ermittlungen in diesem Fall sinnvoll sind. Wir warten bis heute auf Antwort. Was ist bei dieser Prüfung heraus gekommen? Es ist unerträglich, dass die Familie hier keine Gewissheit bekommt und die Staatsanwaltschaft offensichtlich kein Interesse hat, Opfer zu schützen und rechte und rassistische Strukturen aufzuklären; statt dessen decken sie diese Strukturen und machen sich damit zu Mittäter*innen.
  8. Gab es personelle Überschneidungen bei den Ermittlungen im “Neukölln-Komplex” und den Morden an Burak und Luke?

Zusammen mit den anderen Initiativen und den Betroffenen werden wir weiter nach Aufklärung verlangen und nicht nachgeben. Wir werden unsere kritischen Fragen stellen und unser Wissen einbringen und das erneute Ausbleiben von Antworten anprangern, wenn der Untersuchungsausschuss diese verfehlt. Und wir fordern weiterhin auch die Aufklärung über die Zeiträume, die in diesem Untersuchungsausschuss ausgeklammert bleiben: Was war die Rolle der Berliner Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex? Für Aufklärung zu sorgen ist das Minimum, wofür wir uns als Gesellschaft einsetzen können – für Gerechtigkeit und Konsequenzen.