Redebeitrag des Anwält_innen-Teams

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Nachtrag – Gedenkkundgebung zum 7.Jahrestag der Ermordung Burak Bektaş

Vielen Dank für die Einladung erstmal. Wir haben einen gemeinsamen Redebeitrag des Anwält_innen-Teams vorbereitet, in dem ich noch ein-zwei persönliche Anmerkungen habe.

Liebe Freundinne und Freunde,
wir freuen uns hier auf der Kundgebung sprechen zu dürfen. Der Mord an Burak ist nun 7 Jahre her und in dem Ermittlungsverfahrungen tut sich gar nichts. Würde die Familie, würdet ihr alle nicht darauf bestehen, dass der Mord aufgeklärt wird, wäre das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft längst eingestellt worden.

Zu keiner Zeit wurde konsequent und systematisch ermittelt. Die Ermittlungsakte, die wir einsehen dürfen, ist ein Stückwerk, in dem nicht dokumentiert ist, warum die Mordkommission welche Ermittlungsansätze verfolgt. Beinahe beliebig werden unterschiedliche Vorgänge hintereinander geheftet und nicht gemeinsam und systematisch ausgewertet. Telefonnummern z.B. die zur Tatzeit in Funkzellen um den Tatort herum eingeloggt waren wurden zwar ermittelt, allerdings dann nur bei wenigen die Inhaber ermittelt. Warum bei anderen nicht, ist nicht klar. Was weiter mit den ermittelten Namen geschah ist auch nicht klar. Derartiger Beispiele gibt es einige in den Akten.

Besonders enttäuschend sind aus unserer Sicht die Ermittlungen, was die Überprüfung eines rechten Motivs angeht. Hier ist die Mordkommission des LKA 1 natürlich auf die Zusammenarbeit derjenigen angewiesen, die sich mit der rechten Szene auskennen sollten, dem Staatsschutz des LKA. Und hier taucht aus meiner Sicht ein neues Problem auf. Was wenn die Ermittlerinnen und Ermittler des Staatsschutzes selber Rechtsradikal sind oder zumindest sich nicht von dieser Szene abgrenzen. Wenn sich Beamte dort gegenseitig Textnachrichten mit neonazistischen Codes schreiben, oder sich für das neue Jahr den Rat geben sich von dem „Gutmenschen-Pack“ fernzuhalten.

Was, wenn der Rassismus auf dieser Dienststelle immer wieder allgegenwärtig und spürbar ist. Wenn Beamtinnen oder Beamte selbst Drohbriefe gegen Linke verfassen und Namenslisten von Linken, die von der Polizei ermittelt werden kurz danach auf Rechtsradikalen Blogs veröffentlicht werden. Für all das ist der polizeiliche Staatsschutz in Berlin leider bekannt. Die Kriminologische Wissenschaft bezeichnet diese Konstellation als Problem des sogenannten „Confirmation Bios“, das Problem vorurteilsbelasteter Ermittlungen, die von einer bestimmten Hypothese ausgehen und eine andere nicht in Betracht ziehen. Und dieses Problem scheint im Süden Neuköllns und gerade im Mordfall Burak Bektaş leider sehr an der Tagesordnung zu sein.

Wir hoffen natürlich wie die Initiative, sie hat es gesagt, dass die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses dem etwas entgegen wirken könnte. Es ist aber auch klar denke ich, dass wir uns auf die staatlichen Ermittlungsstrukturen bei möglicherweise rassistisch motivierten Taten noch nie verlassen konnten. Wenn wir an die NSU Ermittlungen denken, wo die Ermittlungsgruppen SoKo Halbmond oder BAO Bosporus genannt wurden, das ist aus meiner Sicht immer noch eine sehr deutliche Sprache was die Negierung rechter Gewalt in Deutschland angeht.

Wie könnte es auch anders sein, wenn staatliche Strukturen und erneut fällt natürlich neben den Verfassungsschutzbehörden auch der Staatsschutz des Landeskriminalamtes Berlin hierbei auf, teilweise an der Bildung und Aufrechterhaltung rechter Strukturen selbst erheblichen Anteil haben, diese mitfinanzieren und decken. Die Oury Jalloh Initiative hat irgendwann angefangen selbst Ermittlungen aufzunehmen und in Auftrag zu geben. Und vielleicht wird das in dem Mordfall Burak Bektaş irgendwann auch noch mehr nötig sein.

Bis dahin -und hier spreche ich für das Anwältin-und Anwälte-Team- werden wir versuchen den Druck auf die Behörden, auf die Polizei und auf die Staatsanwaltschaft soweit wie möglich aufrechtzuerhalten.
Vielen Dank

Berlin, den 7.4.2019