Redebeitrag der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

anlässlich des 9. Todestages von Burak am 5.4.2021

Anlässlich des Todestages von Burak möchten wir seiner Familie und seinen Freunden unser tiefes Mitgefühl aussprechen und euch in eurem Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit viel Kraft wünschen. Wir wissen, dass dieser Kampf lange dauert, dass er schmerzhaft und sehr beschwerlich ist. Aber wir sind zutiefst überzeugt, dass es richtig und notwendig ist, die Lügen der Polizei und Staatsanwälte nicht einfach hinzunehmen, sondern diese Lügen aufzudecken und öffentlich zu machen. Egal, wie lange es dauern wird.

Oury Jalloh wurde am 7. Januar 2005 – vor nunmehr über 16 Jahren von deutschen Polizisten in Dessau gewaltsam und rechtswidrig in Gewahrsam genommen. Er wurde in der Zelle 5 im Gewahrsamstrakt des Polizeireviers an Händen und Füßen auf einem Podest fixiert. Die Polizeibeamten haben ihm den Schädel und die Rippen gebrochen. Dann haben ihn die Polizisten mit Hilfe von Brandbeschleunigern angezündet. Oury ist verbrannt.

Ein an Händen und Füßen fixierter Mensch wird in Polizeigewahrsam verbrannt.

Die Polizei behauptete sofort – er habe das selbst getan. Drei Tage später tauchen in den Asservaten die Reste eines Feuerzeuges auf. Mit diesem Feuerzeug soll Oury sich selbst angezündet haben. Um auf sich aufmerksam zu machen, um von den Fesseln gelöst zu werden.

Doch Oury hat nicht geschrien. In seinem Leichnam werden keine Brandgase gefunden. Sein Adrenalinspiegel ist normal. Am Feuerzeug gibt es keine Spuren vom Tatort. Keine DNA von Oury. Gar nichts aus der Zelle. Dafür eine Vielzahl tatortfremder Spuren. Ein manipuliertes Beweismittel, dass zum Symbol der Lügen der Polizei und Staatsanwaltschaft wurde!

… und Oury war nicht der erste ungeklärte Todesfall im Dessauer Polizeirevier. Er ist bereits der dritte Tote:

Hans-Jürgen Rose war leicht angetrunken, als er im Dezember 1997 mitten in der Nacht ins Polizeirevier gebracht wurde. Er wurde an eine Säule gefesselt und mit Fußtritten und Schlagstöcken von mehrere Polizeibeamte gefoltert. Anschließend wurde er auf einen harten Gegenstand geworfen und seine Wirbelsäule ist dadurch gebrochen. Schließlich erlag er wenige Stunden später seinen schweren inneren Blutungen.

Ende Oktober 2002 wurde der obdachlos erscheinende Mario Bichtemannebenfalls in die Zelle 5 des Polizeireviers Dessau gesperrt. Nach über 12 Stunden in der gleichen Zelle, in der Oury drei Jahre später angezündet wird lag er mit einem Schädelbruch und ebenfalls gebrochenen Rippen tot auf dem Zellenboden.

Alle drei Todesfälle – Hans-Jürgen Rose, Mario Bichtemann und Oury Jalloh – wurden offiziell nicht aufgeklärt. Alle drei Todesfälle haben offensichtliche Gemeinsamkeiten: 3 Menschen starben aufgrund schwerster körperlicher Gewalt durch mehrere Polizisten. Und in allen drei Fällen wird bis heute von offizieller Seite behauptet, die Polizeibeamten haben damit nichts zu tun.

Die Freunde von Oury haben von Anfang an nicht an die Lügen der Polizei und Justiz geglaubt. Unsere Initiative hat die Argumentation der Staatsanwaltschaften öffentlich angezweifelt und auf den Dessauer Straßen lautstark protestiert und gerufen: Oury Jalloh – Das war Mord!

Gegen alle Widerstände – und unbeeindruckt davon, welche Steine uns in den Weg gelegt wurden, unbeeindruckt von den ungläubigen Medien und unbeeindruckt von der massiven Repression haben wir angefangen, selber Beweise zu sammeln und die Aufklärungsarbeit selbst in die Hand zu nehmen.

Die Morde in den letzten Jahrzehnten haben eindrücklich bewiesen, dass Oury Jalloh kein Einzelfall ist und die Täter – mit oder ohne Uniform – ungestraft davon kommen, weil sie geschützt werden – von ihren Kollegen, ihren Vorgesetzten und den Staatsanwälten und Richtern in diesem Land. Weil die Medien ihren Teil dazu beitragen und weil die Mehrheit der deutschen Gesellschaft dazu schweigt.

Aber die Öffentlichkeit muss sich der Wahrheit stellen!

Und eines ist in den letzten Jahren deutlich geworden: Wir können und dürfen der Polizei und den Staatsanwaltschaften nicht einfach glauben schenken. Wir können der deutschen Justiz nicht vertrauen. Wir müssen selbst ermitteln und alles Erdenkliche tun, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Und wir sagen ganz klar und deutlich: Wir haben kein Vertrauen in irgendeine staatliche Institution – Wir haben Vertrauen in uns selbst!

Wir sind deshalb solidarisch mit allen Angehörigen, Freund*innen und Initiativen, die für Aufklärung und Gerechtigkeit in jedem einzelnen Fall kämpfen! Zusammen zeigen wir, dass es keine Einzelfälle gibt, sondern dass das rassistische Morden und Vertuschen in diesem Land System haben!

Wir sagen: Touch One – Toch All! – Oury Jalloh – Das war Mord!

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh